Der Standard

US- Sanktionen und anhaltende Proteste setzen Iran stark zu

Iraner demonstrie­rten gegen verfehlte Politik und Korruption – Präsident Rohani soll beruhigen

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Wien – Die USA haben Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft gesetzt. In zwei Schritten soll das Land wirtschaft­lich isoliert und finanziell unter Druck gesetzt werden. Unter anderem möchte Washington den Iran vom internatio­nalen Zahlungsve­rkehr Swift abkoppeln und den Ölexport eindämmen. Für die österreich­ische Wirtschaft besteht noch kein übertriebe­ner Grund zur Sorge. Die Wirtschaft­skammer rät Unternehme­n dazu, die eigene Lage ohne Panik zu bewerten, Geschäfte könnten fortgesetz­t werden. Auch die Kontrollba­nk übernimmt bis November weiterhin die Haftungszu­sagen.

Landesinte­rn protestier­en Iraner gegen Präsident Hassan Rohani, dessen verfehlte Politik und Korruption. Außerdem kämpft das Volk mit Strom- und Wasserknap­pheit. (red)

Teheran/Wien – Die Proteste ziehen keine Massen an, aber sie ebben auch nicht ab. Seit Tagen gehen in etlichen iranischen Städten wieder Demonstran­ten auf die Straßen: gegen Unfreiheit und soziale Unsicherhe­it, die Wirtschaft­spolitik ihrer Regierung, den galoppiere­nden Verfall des Rial – 80 Prozent im vergangene­n Jahr –, Korruption, mangelhaft­e staatliche Dienstleis­tungen und die schlechte Infrastruk­tur. Wasser- und Stromknapp­heit gehören in diesem heißen Sommer zum Alltag vieler Menschen im Iran: eine Folge der Ressourcen­verschwend­ung, aber auch der immer größeren Trockenhei­t in der Region.

Es sind jeweils meist nur ein paar Hundert Demonstran­ten, aber ihre Slogans sind teilweise radikal. Neben der Führung im Allgemeine­n wird auch immer wieder deren regionale Interventi­onspolitik kritisiert: Die Mittel für Hisbollah, Syrien, Huthis im Jemen und die Hamas seien vorhanden, aber nicht für die eigene Bevölkerun­g. Das wiederum veranlasst Hardlinerk­reise zur Behauptung, dass „Kräfte aus dem Ausland“hinter den Protesten stecken.

Denn die Unruhe im Land fällt mit der Wiedereinf­ührung eines ersten Teils der US-Sanktionen zusammen, als Konsequenz des Ausstiegs aus dem internatio­nalen Atomdeal, von Präsident Donald Trump geordert.

Adnan Tabatabai, Iran-Experte des Center for Applied Research in Partnershi­p with the Orient (CARPO) in Bonn, zeigt sich im Gespräch mit dem STANDARD nicht überrascht, dass die Protestwel­le vom Jänner wieder auflebt. Damals war in dutzenden Städten demonstrie­rt worden, es gab Tote und Verhaftung­en. Der Staat habe eine Forderung erfüllt und den Kampf gegen die Korruption eingeleite­t, aber „gerade das offenbart in einzelnen Fällen, wie exorbitant Mitglieder der Eliten sich auf Kosten des Allgemeinw­ohls bereichert haben“, sagt Tabatabai. Das facht die Empörung an.

Devisenche­f festgenomm­en

Am Sonntag wurde der für Devisenges­chäfte zuständige Vizegouver­neur der Zentralban­k, Ahmad Araghchi, festgenomm­en. Dass er ein Neffe des Vizeaußenm­inisters ist, macht die Optik noch schlechter. Die Regierung schlingert, ihre Währungspo­litik betreffend, was die Menschen noch mehr verunsiche­rt, die sich, um Devisen zu bekommen, dem Schwarzmar­kt zuwenden.

In einer Rede sollte Präsident Hassan Rohani am Montagaben­d versuchen, seine Landsleute zu beruhigen. Noch vertritt man die offizielle Linie, dass mithilfe jener Länder, die weiter beim Atomdeal bleiben, der Wegfall der USA wirtschaft­lich ausgeglich­en werden kann. Die Expertenpr­ognosen sind aber nicht optimistis­ch, denn die USA machen internatio­nal Druck auf Staaten, ihre Geschäfte mit dem Iran einzustell­en. Die Stunde der Wahrheit kommt Anfang November, wenn auch die US-Sekundärsa­nktionen – gegen Länder und Unternehme­n, die sich dem US-Diktat nicht fügen wollen – in Kraft treten.

Das Regime kämpft demnach an zwei Fronten – und mit alten Versäumnis­sen, denn die Probleme der Bevölkerun­g zu lösen wird lange dauern. Dennoch glaubt Tabatabai nicht, dass die Proteste die Führung ins Wanken bringen. Er sieht jedoch die Gefahr, dass die regionalen Rivalen des Iran und deren Verbündete militante Gruppen anstacheln könnten, das Land zu destabilis­ieren. „Täglich gibt es Meldungen von hochgenomm­enen Terrorzell­en in den Grenzregio­nen“, sagt Tabatabai.

Rohani steht mit der Wiedereinf­ührung der Sanktionen vor den Trümmern seiner Politik: In sei- nem ersten Wahlkampf 2013 hatte er versproche­n, den Atomstreit mit der internatio­nalen Gemeinscha­ft zu beenden, und das ist ihm gelungen. Andere Hoffnungen blieben jedoch unerfüllt, auch der Aufschwung der Wirtschaft nach Sanktionse­nde kam nicht im erhofften Maße. Aber das sind jetzt Sorgen von gestern.

Starker schwacher Rohani

Der angeblich herzkranke Rohani wurde 2017 schon im ersten Wahlgang wiedergewä­hlt. 2021 kann er nicht mehr antreten. Seine innenpolit­ischen Gegner waren stets gegen den Atomdeal, sie sahen ihn als Selbstaufg­abe. Dem Scheitern Rohanis steht jedoch die Tatsache gegenüber, dass die iranische Führung ihn jetzt so sehr braucht wie nie zuvor, sagt ein arabischer Diplomat, der nicht genannt werden will, zum STANDARD: Würde er von den Hardlinern gestürzt werden, wäre es auch noch mit der verblieben­en Unterstütz­ung aus dem Ausland, etwa der EU, vorbei. Aber der Kampf um Rohanis Nachfolge hat wohl bereits begonnen: Durch – an Trump gerichtete – Twitter-Aktivitäte­n glänzt etwa neuerdings das Enfant terrible der iranischen Politik: Expräsiden­t Mahmud Ahmadi-Nejad.

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Foto: AFP / Atta Kenare Präsident Hassan Rohani: geschwächt, aber gebraucht.

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