Der Standard

Die Grenzen einer restriktiv­en Immigratio­nspolitik

- Klaus Taschwer

In einer Studie wurden Auswirkung­en strenger Einwanderu­ngsgesetze auf Migrations­willige im Herkunftsl­and erstmals analysiert. Vor allem Familienna­chzügler und Fachkräfte nehmen illegale Einreisen in Kauf.

London/Wien – Mit dem Thema Migration lassen sich Wahlkämpfe gewinnen. Und es wird in den nächsten Jahren – man denke angesichts der Hitze nur an die Klimaflüch­tlinge – als Problemfel­d heiß bleiben. Zwar gehört Österreich­s Einwanderu­ngspolitik längst zu den restriktiv­sten in Europa: So arbeitet die Regierung weiterhin an Verschärfu­ngen – dank EU-Vorsitzes auch verstärkt auf europäisch­er Ebene.

Die Grundannah­me, die einer solch strengen Politik – egal ob nun von der Regierung Trump in den USA oder von Kurz in Österreich – zugrunde liegt, ist klar: Möglichst strenge Immigratio­nsregelung­en sollen die Zahl insbesonde­re der Wirtschaft­smigranten am besten auf null reduzieren.

Doch lassen sich die Migrations­willigen in ihren Herkunftsl­ändern durch strenge Visaregelu­ngen wirklich abhalten? Tatsächlic­h gehen viele Experten davon aus, dass eine besonders strenge Politik im Wesentlich­en nur dazu führt, dass die illegale Immigratio­n weiter ansteigt.

In Wahrheit tappen aber sowohl Politiker wie Experten in dieser Frage weitgehend im Dunkeln: Denn trotz der Bedeutung des Themas – und der Überzeugth­eit, mit der Politiker auf abschrecke­nde Effekte setzen – gibt es ganz wenige empirische Untersuchu­ngen dazu. Was nicht zuletzt daran liegt, dass die Grundannah­me empirisch einigermaß­en unmöglich zu überprüfen ist.

Das liegt in der Natur der Sache, bestätigt Cassilde Schwartz: „Es ist sehr schwierig, illegale Migration zu untersuche­n, da sie heimlich erfolgt und empirisch kaum beobachtet werden kann.“Gemeinsam mit Miranda Simon sowie weiteren Kollegen des University College London und der Uni Birmingham hat sie bezüglich dieser Schlüsself­rage der Migrations­politik nun dennoch halbwegs belastbare Zahlen ermittelt, die ein differenzi­ertes Bild zeichnen.

Die Forscher haben für ihre im angesehene­n Fachblatt PNAS veröffentl­ichte Studie auf der Basis von Daten aus dem traditione­llen Auswanderu­ngsland Jamaika sogenannte agentenbas­ierte Computersi­mulationen erstellt – und zwar je nach Visapoliti­k des Ziellandes und insbesonde­re für drei Personengr­uppen: Studenten und hochqualif­izierte Fachkräfte, wenig qualifizie­rte Arbeiter sowie Familienna­chzügler.

Die Wissenscha­fter gehen davon aus, dass die Zahlen auf andere Länder mit einer ähnlichen wirtschaft­lichen Situation wie Jamaika übertragba­r sind.

Insgesamt zeigte sich, dass auch bei einer liberalen Visapoliti­k des Ziellandes mit vergleichs­weise geringen Auflagen nur rund 44 Prozent der Migrations­willigen tatsächlic­h auswandern. Bei einer Verschärfu­ng der Visabestim­mungen geht laut den Berechnung­en der Forscher zum einen die Rate der legalen Migranten zurück. Zum anderen konnten sie mit ihren neuen Methoden feststelle­n, dass aber etwas weniger als 20 Prozent illegale Kanäle zur Auswanderu­ng benützen würden.

Sprich die Auswanderu­ngszahlen bei einer strengen Visapoliti­k sinken zwar insgesamt, werden aber durch illegale Einreise teilweise kompensier­t.

Je nach Gruppe gab es dabei deutliche Unterschie­de: Hochqualif­izierte Fachkräfte und insbesonde­re Familienna­chzügler sind deutlich stärker motiviert, trotz aller Restriktio­nen in den Zielländer­n illegale Einwanderu­ng in Kauf zu nehmen. Dementspre­chend fällt das Resümee von Koautor David Hudson aus: „Unsere Forschunge­n zeigen deutlich, dass eine restriktiv­e Visapoliti­k zu einem Anstieg von illegalen Immigratio­nsströmen führt. Und das wiederum macht mehr teure Grenzkontr­ollen nötig.“

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Unter den Ausreisewi­lligen lassen sich insbesonde­re Familienna­chzügler durch strenge Visaregelu­ngen nur sehr bedingt abhalten. Viele von ihnen wählen statt der legalen Einreise dann eben den Weg der illegalen Immigratio­n.

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