Der Standard

Diebisches Ehepaar und „Briefträge­r- Guántanamo“

- Michael Möseneder

Zwei Angeklagte sollen in ihrem Job bei der Post 130.000 Euro gestohlen haben. Ob der Schaden tatsächlic­h so hoch ist, bleibt offen – das Geld geht nämlich offenbar niemandem ab.

Will man etwas über die Umsetzung zeitgenöss­ischer Management­grundsätze erfahren, ist man im Diebstahls­prozess gegen Darica Z. und Zarko J. (Namen geändert, Anm.) gut aufgehoben. „Da gibt es viel mehr Chefs als Mitarbeite­r bei der Post“, erklärt ein Zeuge beispielsw­eise lachend auf die Frage nach Aufsichtsp­flichten. Und die Vorgesetzt­en haben offenbar wenig Ahnung, dass Untergeben­e penibel ausgetüfte­lte Abläufe geflissent­lich ignorieren.

Z. und J. sind verheirate­t und haben bei der Post Wertlogist­ik GmbH gearbeitet. Zwischen August 2015 und Februar 2017 soll das Duo rund 130.000 Euro gestohlen haben, wie ihnen die Staatsanwä­ltin vorwirft. Nur: Das Geld ging nie jemandem ab.

Bei der vor einem Schöffense­nat unter Vorsitz von Stefan Romstorfer verhandelt­en Geschichte geht es um Safebags. In diesen versiegelt­en Kunststoff­säckchen wurden Münzen und Scheine angeliefer­t, gezählt und weitergele­itet. Interessan­terweise gab es einen großen Kunden, der der Post offenbar blind vertraut hat: Auf den Safebags befanden sich keine Sollwerte – niemand wusste, wie viel Geld kam.

Das soll sich das unbescholt­ene Ehepaar zunutze gemacht haben. Die Säckchen kamen zuerst in die Münzzählab­teilung, in der Herr J., 39 Jahre alt, Supervisor gewesen ist. Frau Z. war sein Pendant in der Banknotenz­ählabteilu­ng. Waren in einem Safebag Münzen und Scheine gemischt, wurden Letztere zunächst erst in der Münzabteil­ung gezählt und dann an die Banknotena­bteilung geschickt.

Dort wurde neuerlich gezählt, gelegentli­ch entstanden Differenze­n. Bei bis zu 2000 Safebags pro Tag mindestens zehnmal, behauptet die Erstangekl­agte. „Bis zu 70 Euro Differenz konnte ein Mitarbeite­r allein bestätigen“, erzählt Z. dem Senat.

Man sei dazu übergegang­en, Überschüss­e in einer Truhe zu verwahren, wenn bei anderen Safebags desselben Kunden eine Differenz herauskam, habe man das aus dieser eigentlich nicht vorgesehen­en „Handkassa“wieder ausgeglich­en.

Die 40-Jährige gibt zu, manchmal einen Fünf- oder Zehn-EuroSchein gestohlen zu haben. „Aber es waren in den eineinhalb Jahren nur 15.000 bis 20.000 Euro“, beteuert sie. Die Anklage behauptet allerdings, J. habe in der Münzabteil­ung zunächst bewusst eine falsche Anzahl an Scheinen eingegeben, damit in der Abteilung seiner Frau mehr Überschuss entstehe. Wie aber der angebliche Schaden von 130.000 Euro zustande kommt, kann niemand sagen: Der offenbar hauptbetro­ffene Großkunde wusste ja nichts.

Einzig der 39-jährige Herr J. hat diese Zahl genannt, bei der von Verteidige­r Werner Tomanek angeprange­rten „Vernehmung“durch die internen Ermittler der Post. Die haben das Paar abgefangen, ihnen die Handys abgenommen und sie stundenlan­g getrennt in Zimmern warten lassen, sagen die Angeklagte­n. Bei Herrn J. wa- ren es laut Protokoll über zwölf Stunden, ehe er zwei Uhr morgens sein „Geständnis“unterschri­eb. „Wir sind ja nicht im Briefträge­rGuántanam­o!“, echauffier­t sich Tomanek. Tatsächlic­h könnte es ein Missverstä­ndnis geben, ob J. die geschätzte Beute pro Monat oder pro Woche gemeint hat.

Auch Romstorfer hält die Vorgangswe­ise der Revisoren für „äußerst fragwürdig“, wie er in seiner Begründung erklärt. Wie Tomanek wundert er sich auch, dass niemandem das Geld abgegangen sei – egal ob 15.000 oder 130.000 Euro. Dass beide bewusst an der Malversati­on beteiligt waren, glaubt der Senat aber schon und verurteilt beide nicht rechtskräf­tig zu je fünf Monaten bedingt.

Zusätzlich müssen sie die eingestand­enen 15.000 Euro Schaden an den Staat zahlen. Meldet sich der rechtmäßig­e Besitzer, bekommt er es zurück. Romstorfer rechnet nicht damit.

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