Der Standard

China fährt auf der Seidenstra­ße 140 und spaltet Europa

Logistiker monieren fehlende Strategie Brüssels für Pekings Jahrhunder­tprojekt – Petition an Kurz als Vorsitzend­en des EU-Rats

- Günther Strobl

Wien – „One Belt, One Road.“Dahinter verbirgt sich nichts weniger als das weltgrößte Infrastruk­turvorhabe­n, die Wiederbele­bung der alten Seidenstra­ße. China ist nicht nur „Erfinder“, es treibt das Projekt mit Hochgeschw­indigkeit an, ist quasi mit 140 km/h auf der Seidenstra­ße unterwegs. Durch den Ausbau von Schienen- und Wasserwege­n („ein Gürtel, eine Straße“), will das Reich der Mitte näher an Europa rücken. Das weckt Hoffnungen und Sorgen.

Hoffnungen bei Wirtschaft­streibende­n auf zusätzlich­es Geschäft, zumal sich der bisher stark importlast­ige Warenverke­hr durch eine wachsende, kaufkräfti­ge Mittelschi­cht in China bald auch in der Gegenricht­ung entwickeln könnte. Es gibt aber auch Sorgen, Peking könnte herauspick­en, was dem Land strategisc­h hilft, und Länder in Europa gegeneinan­der ausspielen.

Hoffnungen und Sorgen plagen auch Wolfram Senger-Weiss. Der Geschäftsf­ührer der Gebrüder Weiss GmbH Transport and Logistics ist auch Präsident des Zentralver­bands Spedition und Logistik. Als solcher vertritt er die Interessen der gesamten Logistikbr­anche in Österreich.

„Die Seidenstra­ße kommt so oder so; die Frage ist nur, ob wir – sprich Europa – mitbestimm­en wollen, in welche Richtung es geht oder ob China allein die Akzente setzt“, sagte Senger-Weiss dem STANDARD. Noch sei es nicht zu spät, auch wenn China mit der Übernahme des griechisch­en Hafens Pirä- us durch ein Staatsunte­rnehmen, die Schaffung eines großen Textilumsc­hagplatzes nahe dem Hafen Marseille oder die Finanzieru­ng des Ausbaus der Bahnstreck­e Belgrad–Budapest bereits starke Akzente gesetzt habe und weitere setze. SengerWeis­s: „Der Prozess ist noch gestaltbar.“

Es sei höchst an der Zeit, dass Europa eine Strategie in Sachen „neue Seidenstra­ße“entwickelt. „Wir sollten gemeinsam definieren, was wir wollen, was unsere Position ist“, sagte Senger-Weiss. Sonst bestehe erst recht die Gefahr, dass China Länder in Europa gegeneinan­der ausspiele. Durch den Ratsvorsit­z in der EU komme Österreich in dieser Phase eine Schlüsselr­olle zu.

Deshalb hat sich der Zentralver­band dieser Tage mit einer Petition an Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) gewandt, er möge initiativ werden und einen Denkprozes­s in der EU anstoßen. Zugleich sei dies eine Möglichkei­t, auch über die Rolle Österreich­s als Drehscheib­e im internatio­nalen Warenverke­hr nachzudenk­en. Senger-Weiss: „Unser Interesse sollte es sein, möglichst viel Wertschöpf­ung im Land zu haben.“

Die Ablehnung der Gemeinde Parndorf und des Burgenland­s, als möglicher Standort eines Endtermina­ls für die angedachte Verlängeru­ng der Breitspurb­ahn aus Russland (endet im slowakisch­en Košice, siehe Grafik) zur Verfügung zu stehen, sei kontraprod­uktiv. Was sicher nicht funktionie­re: Dass die Slowakei den Löwenantei­l der Kosten für die Verlängeru­ng der Breitspur trage und Österreich einseitig profitiere.

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