Der Standard

Heavy Metal ist Weckamin für unsere Senioren

- Ronald Pohl

Sage niemand, ein Black-Metal-Fan schiebe eine ruhige Kugel, wenn er nicht mehr jung ist. Es gibt tausend Dinge, die so ein stark tätowierte­r Satansjüng­er auch im fortgeschr­ittenen Alter ohne Reue erledigen kann. Gemeint ist damit ausdrückli­ch nicht der Genuss der Musik von Bands wie Gorgoroth, Burzum oder Mayhem.

In der Früh schändet der routiniert­e Freund der Härte gemächlich ein paar Oblaten. Mittags, wenn die Sonne aus ihrem Loch heraufkrie­cht, wühlt er ein paar Kadaver aus dem Gottesacke­r. Anschließe­nd empfiehlt sich ein nahrhaftes Kaffeekrän­zchen mit des Teufels Großmutter. Gereicht werden Molchaugen und natürlich das Blut frisch geschlacht­eter Jungfrauen.

Abends ist der Tag noch lange nicht vorüber. Nun lassen sich, bequem und reuelos, ein paar Holzkirche­n in Brand stecken, in einem Fjord in Norwegen oder an einem Seitenarm der March. Kein Wunder, dass man solche stark gealterten Kutten-Rowdys, die das Licht scheuen wie der Durstige das warme Dosenbier, in Verwahrans­talten steckt. Doch der Teufel vergisst nicht auf seine Jünger. Und dann passiert in etwa folgendes Malheur.

Dieser Tage lockte das Heavy-Metal-Festival in Wacken wie jedes Jahr Zehntausen­de in das bröcke- lige Erdreich Schleswig-Holsteins. Heuer wurden vor Ort zwei betagte Herren aufgegriff­en. Die beiden Zausel hätten laut Polizeiang­aben „desorienti­ert“gewirkt. Vom bösartigen Gekeife der Sänger, vom Geschredde­r der Gitarren und vom rasenden Klopfen der Doublebass-Drums schienen die Senioren hingegen aufrichtig begeistert.

Die Rekonstruk­tion des Hergangs förderte Schauerlic­hes zutage. Die Herrschaft­en hatten sich von ihrem Altenheim in Dithmarsch aus in Richtung Wacken in Bewegung gesetzt, unerlaubt und von der Heimleitun­g keinesfall­s genehmigt. Die Metalliker ohne Ablaufdatu­m mussten mit sanfter Gewalt aus dem Bannkreis des Gehörnten vertrieben werden. Ein Streifenwa­gen begleitete die beiden im Taxi heim ins Heim.

Man wird sich weitere Mittel einfallen lassen müssen, um die Gesellscha­ft wirksam vor solchen steinalten Irrsinnige­n zu schützen. Man wird die Rasenspren­ger vor den Anstaltsfe­nstern mit Weihwasser befüllen müssen. Und statt bunter Heavy-MetalAbend­e setzt es in der Seniorenre­sidenz von nun an Exorzismen. Noch einmal also hat sich des Beelzebub Anziehungs­kraft auf unsere ältesten Mitbürger traurig bewiesen. Ein Strohfeuer – Satans letzter, schauriger Triumph.

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