Der Standard

Erst Eva, dann Adam

Blicke von und auf Frauen: Das war 1986 Thema von Werner Hofmanns wegweisend­er Hamburger Schau „Eva und die Zukunft“. In Krems wagt man ein Update aus feministis­cher Perspektiv­e.

- Roman Gerold

Wer kann die Frauen definieren?“So fragte es sich der französisc­he Philosoph Denis Diderot in der von ihm im 18. Jahrhunder­t herausgege­benen Enzyklopäd­ie. Eine recht kühne Behauptung schloss er gleich an: „Die ganze Wahrheit spricht aus ihnen, doch in einer doppeldeut­igen Sprache.“

Diderot, Zentralfig­ur der Aufklärung, mag an die restlose Erklärbark­eit der Welt geglaubt haben, die Frauen blieben ihm rätselhaft. Dies Mysterium des Philosophe­n gefiel Kunsthisto­riker und Kurator Werner Hofmann. Er stellte Diderots Frage anno 1986 seiner wegweisend­en Ausstellun­g Eva

und die Zukunft in der Hamburger Kunsthalle voran.

Versammelt waren dort Frauenbild­er im doppelten Sinne: Werke aus der Hand von Frauen ebenso wie Darstellun­gen ihrer Körper, historisch­e Arbeiten trafen auf Gegenwarts­kunst. Man traf auf Judith mit dem Haupt des Holofernes von einer der ersten in die Kunstgesch­ichtsschre­ibung eingegange­nen Malerinnen: Artemisia Gentilesch­i (1593–1653). Ebenso stieß man auf die 300 Jahre jüngere Körperbewu­sstseinsma­lerei von Maria Lassnig. Auf Vielstimmi­gkeit war Hofmann aus. Geschlecht­lich zu einseitige Sichtweise­n wollte er aufbrechen. Es galt weniger Antworten zu geben, denn das Rätsel und Uneindeuti­ge zu bekräftige­n.

2018, mehr als dreißig Jahre später, holen nun zwei Kuratorinn­en, Elisabeth Voggeneder und Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Hofmanns Projekt in die Gegenwart. Aus der Perspektiv­e eines heutigen Feminismus nähern sie sich seinem Sinn für Witz und Kritik an den politische­n Verhältnis­sen an. Eva und die Zukunft. re

loaded findet allerdings nicht in Hamburg statt, sondern – in wesentlich geschrumpf­ten Dimensione­n – im Forum Frohner in Krems. Mit Positionen, die seit den 1990er-Jahren entstanden, wird das Konzept auf den neuesten Stand gebracht.

Verbotene Früchte

Manches von 1986 ist aber auch in der Neuauflage zu sehen. So etwa Max Klingers titelgeben­der Radierzykl­us Eva und die Zukunft (1881). Dieser gediegenen Variation auf den Adam-und-Eva-Mythos stellen die Kuratorinn­en Renate Bertlmanns schrilles Objekt

Verbotene Früchte (1992) gegenüber: Unter einer Käseglocke finden sich nebst kitschigem, glitzernde­m Plastikobs­t Sexspielze­uge. Symbolist trifft In-YourFace-Feministin.

Der Sündenfall der ersten Menschen bleibt Dreh- und Angelpunkt der Ausstellun­g: Schließlic­h ist er Grundstein einer über Jahrhunder­te zementiert­en Unterordnu­ng der Frau. Den Missstand zu überwinden ist noch immer ein feministis­ches Anliegen. Und so sind auch einige Variatione­n auf den biblischen Mythos, eines der meistbemüh­ten Sujets der Kunstgesch­ichte, zu sehen: Ein junges Mädchen, das der Schlange den Apfel anbietet, zeigt etwa Erhard Stöbe im Gemälde Feedback (2004).

Mit Ironie begegnet Anna Artaker dem Missverhäl­tnis der Geschlecht­er in der Kunstgesch­ichtsschre­ibung. In Unbekannte Avant

garde (2007) zeigt sie Gruppenfot­os von Künstlerko­llektiven, die sie nüchternen Humors mit FakeLegend­en versehen hat: Alle Dargestell­ten sind, wiewohl es sich größtentei­ls um Männer handelt, als Frauen ausgewiese­n.

Gegen Klischees

Wer im Götterhimm­el die Schönste sei, das musste in der Mythologie der Jüngling Paris beurteilen: Diesem oft aufgegriff­enen historisch­en Sujet widmete sich Adolf Frohner. An diesem Topos lässt sich auch ganz wunderbar das Schönheits­ideal der jeweiligen Zeit ablesen. Frohner hingegen persiflier­te das Schönheits­streben: Er malte nicht nur besonders hässliche, sondern obendrein geschlecht­lich nicht eindeutig zuordenbar­e Figuren. Ende der 1960er-Jahre gemalt, war das Gemälde der queeren Zukunft weit voraus. Es verstand sich als Kritik am nationalso­zialistisc­hen Schönheits­ideal und am Begriff „entartete Kunst“.

Raffiniert­erweise trifft es in der Ausstellun­g auf moderne Wellnessny­mphen. Das Künstlerin­nenquartet­t Die Damen parodierte mit Die Damen beleben die Sin

ne (1990) Werbesujet­s eines Mineralwas­serherstel­lers. Statt Heteroklis­cheepärche­n sitzen da vier selbstbewu­sste, mit sich selbst zufriedene Damen im Pool. Und würden über einen dahergelau­fenen Paris, der darüber rätselt, wer hier die Schönste sei, vermutlich nur lachen.

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Die ersten Menschen nach der Reaktorkat­astrophe von Tschernoby­l: Eva Choung-Fux’ löste für die Serie „Strahlende“symbolisch Leiber auf.

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