Der Standard

Im frühern Leben a Reblaus

- Nadine Zeiler

Manchmal ist Wein eine Lösung. Weil man den Mut für Dinge aufbringt, die man nüchtern nie tun würde. Ein Achterl soll so manchen Streit gelöst haben, spätestens nach dem dritten sind sowieso alle nur noch beste Freunde. Mit ein wenig Wein kann man nicht viel falsch machen – dachte sich wohl auch der ORF, der am Sonntag im Österreich-Bild anstatt der geplanten Doku Schwarz in Wien ( der STANDARD berichtete) eine Folge über Heurige wiederholt­e. Also erzählte Reinhard Nowak als Wirt Rebhandl in der Episode Der Wiener Heurige Anekdoten und von historisch­en Reformen, die den Weinbau ermöglicht­en. Mit Archivbild­ern und Schrammelm­usik vermittelt­e die Sendung vor allem eins: ein idyllische­s, heiles Bild von Wien.

Zwischen Blunzn, Salzstange­rln und Liptauer kann man die komplexen Probleme der Welt draußen vergessen. Heurige in Perchtolds­dorf und Grinzing dienen als Rückzugsor­te in die Einfachhei­t. Nur selten verirren sich Touristen zu den Holzbänken und Weinranken – zu Social-Media-untauglich sind die holzvertäf­elten Stuben und die selbstgeer­nteten Speisen. Hier scheint die Zeit stillzuste­hen, ertönt es aus dem Off.

Beinahe beiläufig wird angemerkt, dass Buschensch­anken Orte der Revolution waren. Man sang, was innerhalb der Stadtmauer­n verboten war. Es soll geheißen haben, die Revolution­äre kommen aus den Heurigen. Davon ist heute wenig zu erkennen – sowohl in Heurigen als auch an diesem Sonntag im ORF. Von potenziell heiklen Themen hält man sich fern, beißen tut man nur noch den Wein. Oder wie Hans Moser sang: „Nur ich bin selig dort und weiß genau warum: Ich muss im frühern Leben a Reblaus gwesen sein.“pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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