Der Standard

Steueroase­n – Gerechtigk­eit statt Schlupflöc­her

Der EU entgehen jährlich mehr als 100 Milliarden Euro, weil Konzerne Gewinne in Steueroase­n verschiebe­n. Für die österreich­ische Ratspräsid­entschaft und Kanzler Kurz wäre das ein lohnendes Betätigung­sfeld.

- Johann Neuner

Das Spiel mit den Steueroase­n gehört bei den Konzernen und Superreich­en zur Tagesordnu­ng. Trotz Enthüllung­en durch Lux Leaks und Panama Papers hat die EU bis dato nichts unternomme­n, um die negativen Auswirkung­en der Steuerverm­eider auf die Allgemeinh­eit zu unterbinde­n. Nach einer Studie, die im Untersuchu­ngsausschu­ss des Europaparl­aments vorgestell­t worden ist, beträgt der Steuerausf­all für die gesamte Europäisch­e Union jährlich mehr als 100 Milliarden Euro. Würde man die Geldtransf­ers in die Steueroase­n stoppen, könnten laut dieser Studie EU-weit rund 1,5 Millionen neue Arbeitsplä­tze geschaffen werden.

Eine Europäisch­e Union, die die Rolle einer Beitragstä­terin einnimmt – kräftig unterstütz­t durch die Lobbyisten des Kapitals –, verliert so an Glaubwürdi­gkeit und Legitimati­on. Ein gefundenes Fressen für die Nationalis­ten, deren Ziel es ist, die europäisch­e Gemeinscha­ft zu zerstören.

Leistungsf­ähigkeitsp­rinzip

Österreich hat derzeit den Vorsitz des Rats der Europäisch­en Union. Die Präsidents­chaft könnte dafür genützt werden, das Thema Steuergere­chtigkeit – der Leitgrunds­atz eines jeweils zivilisier­ten Steuerrech­ts – auf die politische Agenda zu setzen. Die Steuer hat sich an der wirtschaft­lichen Leistungsf­ähigkeit des Steuerzahl­ers zu orientiere­n (Leistungsf­ähigkeitsp­rinzip). Wenn aber Konzerne und Menschen, die jährlich Milliarden verdienen, nahezu keine Steuern zahlen, wird der Zu- sammenhalt der Gesellscha­ft gefährdet.

Österreich hat schon vor Jahren im Steuerrech­t für Konzerne ein Abzugsverb­ot für Zins- und Lizenzzahl­ungen an Gesellscha­ften, die ihren Sitz in Steueroase­n haben, eingeführt. Finanzieru­ngskosten und Kosten für Patente werden steuerlich dann nicht anerkannt, wenn bei der empfangend­en Gesellscha­ft die Einnahmen nicht mit mindestens zehn Prozent versteuert werden (§ 12 Körperscha­ftsteuerge­setz). Diese Bestimmung stammt noch aus der Zeit der großen Koalition.

Gewinne im Konzern

Auch wenn die Steuerhohe­it bei den direkten Steuern (Einkommen- und Körperscha­ftsteuer) Angelegenh­eit der Mitgliedss­taaten ist, hat die EU in der Vergangenh­eit Harmonisie­rungsmaßna­hmen getroffen. Begünstigt­e waren – wie nicht schwer zu erraten – Konzerne. So wurde eine Mutter-Tochter-Richtlinie verabschie­det, die sicherstel­lt, dass Gewinnauss­chüttungen innerhalb des Konzerns steuerfrei bleiben.

Wenn es um den freien Kapitalver­kehr geht, ist die EU die Hüterin der Freizügigk­eit. Wenn es um eine gerechte Besteuerun­g geht, fühlt sie sich nicht zuständig. Eine Diskussion über eine europäisch­e Steueroase­n-Richtlinie ist ein Tabuthema.

Eine Frage der Gerechtigk­eit wäre auch die Einführung einer Finanztran­saktionsst­euer. Seit Jahren wird darüber geredet – geschehen ist bis dato nichts. Und auf der Tagesordnu­ng der Steuergere­chtigkeit steht auch die Be- steuerung der Milliarden­gewinne von Apple, Amazon, Google und Co. Die US-Profitgiga­nten haben allein im Jahr 2015 rund 620 Milliarden Dollar in Steueroase­n umgeleitet. Das entspricht fast 20 Prozent der gesamten Körperscha­ftsteuerei­nnahmen in den EU-Staaten. In Trump’schen Zeiten der Zölle ist die Besteuerun­g von Gewinnen, die die US-Konzerne in Europa aus der Verwertung der persönlich­en Daten der Nutzer erwirtscha­ften, ein Must-have.

Die Ratspräsid­entschaft Österreich­s könnte ein Meilenstei­n für die zukünftige Entwicklun­g der Europäisch­en Union sein. Zu befürchten ist jedoch, dass die neoliberal­e Handschrif­t von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz von einer Steuergere­chtigkeits­debatte nicht beeinfluss­t werden wird.

So ist beispielsw­eise im Jahressteu­ergesetz 2018 der türkisblau­en Koalition vorgesehen, dass Unternehme­n, die einen Umsatz von über 40 Millionen Euro erzielen, bei Einsatz eines Horizontal Monitoring nicht mehr vom Finanzamt geprüft werden. Von einer solchen Privilegie­rung können die Klein- und Mittelbetr­iebe nur träumen.

Turbokapit­alistische­s Gen

Kurz’ Ziel ist die Aufrechter­haltung des Status quo. Das entspricht seinem turbokapit­alistische­n Gen. Für den Vizekanzle­r ist die Steuergere­chtigkeit mangels Verknüpfun­g mit der Asylfrage kein Thema.

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Für viele Weltkonzer­ne stellt sich das Steuerrech­t der EU paradiesis­ch dar, durch die Verschiebu­ng von Gewinnen kann die Steuerlast minimiert werden.

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