Der Standard

Blaue Fake-News

Die Sozialmini­sterin verbreitet Unwahrheit­en und tritt in den nächsten Fettnapf

- Günther Oswald

Die Freiheitli­chen wollen offenbar auf Donald Trumps Spuren wandeln. Für den US-Präsidente­n ist es bekanntlic­h undenkbar, Fehler einzugeste­hen. Lieber zimmert er sich seine eigene Realität zurecht und wirft Journalist­en, die sein Treiben kritisch hinterfrag­en, bei jeder Gelegenhei­t das Verbreiten von Falschmeld­ungen vor. Mit dem Fake-News-Argument versucht nun auch die blaue Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein die Aufregung um ihren 150-EuroSager im Zusammenha­ng mit der Mindestsic­herung vom Tisch zu wischen.

Für all jene, denen das absurde Sommerloch­theater entgangen ist: Hartinger-Klein hatte bei Wolfgang Fellner auf die Frage, ob man von 150 Euro leben könne, wörtlich gesagt: „Ja. Wenn man die Wohnung auch noch bekommt, also dann sicher.“Wichtig sei, dass jene, die bereits ins System eingezahlt haben, auch mehr bekommen.

Nun, mit einiger Verspätung, behauptete die Ministerin in der Kronen Zeitung, sie habe von „Asylwerber­n gesprochen, die ja rundum versorgt sind“. Natürlich könnten diese mit „150 Euro Taschengel­d“auskommen. Dass der rechte Wochenblic­k Medien, die über die Causa berichtete­n, als „Fake-NewsSchleu­dern“bezeichnet­e, hält Hartinger-Klein für gerechtfer­tigt. Auch ihr Parteichef Heinz-Christian Strache, immerhin Vizekanzle­r der Republik, verbreitet auf Facebook einen Artikel mit dem Titel: „So dreist verbreiten Mainstream­medien D Unwahrheit­en!“reist ist aber maximal das Verhalten der Freiheitli­chen. Im Interview auf oe24.at war keine Sekunde von Asylwerber­n die Rede. Diese können in Österreich keine Mindestsic­herung bekommen. HartingerK­lein erklärte lang und breit, die neue Mindestsic­herung werde im Herbst gemeinsam mit dem neuen Arbeitslos­engeld kommen. Sie sprach darüber, man müsse die Reform gut vorbereite­n, „damit ja nicht noch ein Fettnäpfch­en passiert“. Um Menschen, die sich noch im Asylverfah­ren befinden, ging es nachweisli­ch nicht.

Unwahrheit­en verbreiten also nicht die Medien, sondern auf die Verfassung angelobte Politiker. Das ist schlimmer als die Tollpatsch­igkeit, mit der die Sozialmini­sterin agiert. Statt einen Fehler in der Kommunikat­ion einzuräume­n, trat sie gleich in den nächsten Fettnapf, indem sie beim Thema Armutsgefä­hrdung en passant einstreute, sie finde nicht, „dass Kino überlebens­notwendig ist“.

Man kann natürlich diskutiere­n, wie Armutsschw­ellen statistisc­h berechnet werden. Die Art und Weise, wie Hartinger-Klein das tut und kommunizie­rt, ist aber einer Sozialmini­sterin unwürdig. Sie suggeriert, die Teilhabe am sozialen Leben sei unnötiger Luxus. Sie stellt Menschen, die ohnehin schon wenig haben, als faul und arbeitsunw­illig hin.

Dass anerkannte Flüchtling­e weniger zum Überleben brauchen würden als Menschen, die schon länger in Österreich leben, ist ohnehin seit langem Konsens in dieser Regierung. Es geht nicht um eine unaufgereg­te Diskussion, wie viel Sach- und Geldleistu­ngen man mindestens braucht, um ein menschenwü­rdiges Leben leben zu können. Es geht um das Auseinande­rdividiere­n von Gesellscha­ftsgruppen.

Für die Wirtschaft­spartei ÖVP mag das eine berechtigt­e Strategie sein. Für die FPÖ, die in der Vergangenh­eit bei einkommens­schwachen Gruppen gepunktet hat, ist es ein gefährlich­es Spiel. Hinterfrag­en ihre Wähler das blaue Treiben, droht ein größerer Wählerverl­ust. Darum würden Scheinwelt­en mit Scheinwahr­heiten konstruier­t.

Newspapers in German

Newspapers from Austria