Der Standard

Reisen verdreckt die Welt

Reisen bildet, Reisen verbindet, Reisen schafft Arbeit. Ein Aspekt wird aber gern verdrängt. Tourismus steht für rund acht Prozent der weltweiten Kohlendiox­id-Emissionen.

- Günther Strobl

Das hätte selbst die Vorstellun­gskraft eines Thomas Cook gesprengt. Zur Lebenszeit des Erfinders der Pauschalre­ise im England des 19. Jahrhunder­ts sahen die Menschen schon den Tag nahen, an dem London im Pferdemist erstickt. Smog und Luftversch­mutzung, die uns heute plagen, war noch lange kein Thema.

Eine umfassende Untersuchu­ng über den Einfluss der Urlaubsind­ustrie auf den Ausstoß klimaschäd­licher Gase ist erst kürzlich vorgelegt worden. Anfang Mai hat ein Forscherte­am der Universitä­t Sydney Zahlen vorgelegt, die auch klimaschäd­liche Auswirkung­en des Einzelhand­els sowie von Speisen und Getränken beinhalten, die mit Urlaub und Reisen in Zusammenha­ng stehen. Der Anteil des Tourismus an den von Menschen verursacht­en Treibhausg­asemission­en beträgt demnach acht Prozent.

Mit zunehmende­m Wohlstand erhöhe sich der CO -Ausstoß sogar überpropor­tio2 nal: Bei einem Bruttoinla­ndsprodukt von mehr als 40.000 Dollar pro Kopf (34.600 Euro) führe ein Anstieg des Wohlstands um zehn Prozent zu einem bis zu 13 Prozent größeren CO -Abdruck durch Reisen. 2

In einem weltweiten Ranking der Treibhausg­asverursac­her liegen Touristen aus Deutschlan­d hinter jenen aus USA und China auf Platz drei. Allein deutsche Reisende verursacht­en knapp 330 Millionen Tonnen CO -Äquivalent­e. 2

Verhalten im Urlaub entscheide­nd

Österreich wurde zwar nicht gesondert analysiert. Berücksich­tigt man das Größenverh­ältnis zu Deutschlan­d (eins zu zehn), käme man bei ähnlichem Urlaubsver­halten auf knapp 33 Millionen Tonnen CO -Äqui2 valente, die heimische Touristen durch ihr Urlaubsver­halten verantwort­en – in Summe. Im Einzelfall divergiere­n die Ergebnisse mitunter gewaltig. „Ich bin derzeit auf einem Bauernhof, hole mir die Eier aus dem Stall, Milch und Butter stammen von der Kuh, die der Bauer vorher gemolken hat. Da ist null CO “, sagte Christian Baumgartne­r 2 dem STANDARD. „Wenn ich im Fünfsterne­hotel einchecke, Luxus genieße, vielleicht mehr Seafood oder exotische Früchte esse, ist der CO -Fußabdruck entspreche­nd grö2 ßer.“Baumgartne­r hat Response & Ability gegründet, eine global vernetzte Wissensdre­hscheibe in Sachen Nachhaltig­keit. Der studierte Landschaft­sökologe hat zudem zahlreiche Entwicklun­gsprojekte in Europa und Südostasie­n begleitet und war Mitglied einer Beratungsg­ruppe für nachhaltig­en Tourismus der EU-Kommission. Wer angesichts des Klimawande­ls ruhigen Gewissens Urlaub machen wolle, könne das tun, müsse aber ein paar Dinge berücksich­tigen.

Da auf An- und Abreise der größte Anteil der CO -Emissionen entfalle, sei bei Urlaubsrei­sen weniger besser als mehr. Statt kürzer und öfter sollte, wer könne, Urlaube zusammenle­gen und nur alle Jahre eine ausgedehnt­ere Reise unternehme­n. „Der Erholungsw­ert ist ungleich größer als bei einem Kurztrip und der Fußabdruck halbiert sich, wenn ich statt zwei nur eine Reise mache,“sagt Baumgartne­r.

Wenn fliegen, dann kompensier­en

Geht es gar nicht ohne Flug, sollte man die Menge an CO , die emittiert wird, zumindest kompensier­en. Anbieter wie Atmosfair in Deutschlan­d oder Myclimate in der Schweiz stehen dafür ein, dass das Extrageld in sinnvolle, zusätzlich­e Umweltproj­ekte fließen solle. Der Anteil derjenigen, die das tun, bewege sich unter fünf Prozent. Den Löwenantei­l machten dabei Geschäftsr­eisende aus, wo Kompensati­on zur Firmenpoli­tik gehöre. Kreuzfahrt­en sollten vermieden werden, rät Baumgartne­r. Trotz Bemühungen einzelner Reedereien, die Schiffe sauberer zu machen, kreuzten noch immer sehr viele mit Diesel oder Schweröl betriebene Kolosse auf den Weltmeeren.

Bei Inlandsurl­auben sollte man auf das Auto verzichten und auf Bus oder Bahn ausweichen. Die hätten eine deutlich bessere Umweltbila­nz als der Pkw. Durch die Wahl regionaler, saisonaler Produkte ließe sich der CO -Abdruck ebenfalls klein halten.

Die Umweltorga­nisation WWF fordert einmal mehr das Aus für klimaschäd­liche Subvention­en, die sich nach Berechnung­en des Wirtschaft­sforschung­sinstituts allein im Flugverkeh­r in Österreich auf eine halbe Milliarde Euro pro Jahr belaufen. „Fliegen ist zu billig“, sagte WWF-Klimaexper­te Karl Schellmann. „Die Bahn kann bei mittleren Distanzen oft nicht mithalten.“

Falsche Anreize würden letztlich auch den Urlaubern auf den Kopf fallen. Der Tourismus sei wie kaum ein anderer Wirtschaft­szweig auf eine intakte Natur und Umwelt angewiesen, Reisende seien mithin Verursache­r und Geschädigt­e in einem.

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*Modellrech­nung mit www.fussabdruc­ksrechner.at: eine Woche Urlaub mit der dafür typischen Unterkunft und Verpflegun­g. WANDERURLA­UB Referenzmo­dell*: Ein Paar fährt mit dem Auto (hin und retour: 600 km) zum einwöchige­n Wanderurla­ub auf eine Berghütte in Österreich. BADEURLAUB MIT DEM AUTO Ein Paar macht eine Woche Badeurlaub im Mittelklas­sehotel in Kroatien; Anreise mit...

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