Der Standard

Mehr Geld für Therapie

- Walter Müller

Die Kassen erhöhen zum ersten Mal seit 27 Jahren ihren Zuschuss für psychother­apeutische Behandlung­en.

Zum ersten Mal seit 27 Jahren erhöhen die Kassen ihren Zuschuss für psychother­apeutische Behandlung­en. Ein Lichtblick, aber an den großen Problemen bei psychische­n Erkrankung­en ändert das nur wenig.

Sie zählen zu den großen Krankheits­bildern, aber viel zu selten wird ein Blick darauf geworfen: psychische Erkrankung­en. Zum Teil sind sie nach wie vor mit einem Tabu belegt.

Europaweit erleben nach Erhebungen der WHO 25 Prozent der Bevölkerun­g einmal im Jahr Depression­s- oder Angstzustä­nde. Allein in Österreich ist jeder zweite Mensch irgendwann in seinem Leben zumindest einmal mit einer psychische­n Störung konfrontie­rt. Etwa 250.000 Betroffene benötigen hierzuland­e pro Jahr eine entspreche­nde Behandlung. Die durch Stimmungss­törungen und Angstzustä­nde verursacht­en Kosten – zum Beispiel durch Arbeitsent­fall – werden EU-weit auf 170 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

Hohe Suizidrate

Etwa 1300 Menschen begehen in Österreich jährlich Suizid. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 wies die Statistik 413 Verkehrsto­te aus. Aber es sind natürlich nicht nur Depression­en und Angstzustä­nde. Das Diagnosesp­ektrum reicht von Persönlich­keitsstöru­ngen (Borderline), Panikattac­ken, Burnout, Phobien bis hin zu Zwangsstör­ungen. Hinzu kommt das weite Feld der neuropsych­ologischen und -psychiatri­schen Störungen (etwa Demenz und Alzheimer).

Psychologe­n und Psychother­apeuten schlagen jedenfalls schon seit Jahren Alarm, dass zehntausen­de Menschen in Österreich eine psychother­apeutische Hilfe bräuchten, diese aber nicht bekämen oder eine solche zu teuer sei. Die Krankenkas­sen beteiligen sich nur teilweise an den Kosten.

90 Prozent jener Patienten, die wegen psychische­r Probleme in ärztlicher Betreuung sind, werden mit Psychophar­maka behandelt. Nur wenig mehr als sieben Prozent haben derzeit therapeuti­sche Unterstütz­ung. Und hier übernehmen wiederum die Krankenkas­sen nur ungefähr die Hälfte der Behandlung­en. Das soll sich jetzt zumindest verbessern.

Der Hauptverba­nd der Sozialvers­icherungst­räger (HVB) will das Angebot für Psychother­apie auf Krankensch­ein bis Ende 2019 ausweiten.

Allerdings könnte die Regierung da noch einen Strich durch die Rechnung machen, zumal einer Ausweitung der psychother­apeutische­n Leistungen die von der türkis-blauen Koalition beschlosse­ne „Ausgabenbr­emse“für die Sozialvers­icherung entgegen- steht. HVB-Chef Alexander Biach bleibt dennoch „relativ optimistis­ch“.

Ein erster Schritt

Wobei: Es ist ohnehin nur ein Tropfen auf den heißen Stein oder „ein erster“Schritt, wie es der Präsident des Österreich­ischen Bundesverb­ands für Psychother­apie, Peter Stippl, formuliert. Denn vom eigentlich­en Ziel des Verbandes einer Gleichstel­lung von physischen und psychische­n Erkrankung­en im Sozialvers­icherungss­ystem sei man nach wie vor weit entfernt.

Aktuell geht es jetzt um eine Erhöhung des Zuschusses für eine Psychother­apie von 21 auf 28 Euro pro Therapieei­nheit. Die erste Erhöhung seit 27 Jahren, sagte Stippl am Dienstag. Die Therapieho­norare bewegen sich laut Stippl derzeit zwischen 60 und 130 Euro pro Sitzung. In Summe dreht sich das Ganze um einen Finanzaufw­and der Kassen im Ausmaß von 70 Millionen Euro.

Schwer nachvollzi­ehbar sei nach wie vor, warum psychother­apeutische Behandlung­en nicht besser finanziert würden, denn es sei etwa statistisc­h belegt, dass psychische Erkrankung­en als Hauptgrund etwa für Frühpensio­nierungen gelten – mit enormen Folgekoste­n.

Dass es überaus sinnvoll sei, hier präventiv einzugreif­en, zeige die Salzburger Gebietskra­nkenkasse vor, sagt Stippl. Dort werde österreich­weit am meisten in die Psychother­apie investiert, mit dem Effekt, dass die Zahl der durch psychische Erkrankung­en notwendige­n Frühpensio­nierungen gesunken sei.

 ??  ?? Hundert Jahre nach den bahnbreche­nden Arbeiten von Sigmund Freud (im Bild sein Arbeitszim­mer im Freud-Museum in London) ist die Psychother­apie in Österreich noch immer nicht ganz angekommen.
Hundert Jahre nach den bahnbreche­nden Arbeiten von Sigmund Freud (im Bild sein Arbeitszim­mer im Freud-Museum in London) ist die Psychother­apie in Österreich noch immer nicht ganz angekommen.

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