Der Standard

Sehnsucht nach der deutschen Wehrpflich­t

Konservati­ve in der CDU wollen die Wehrpflich­t zurück. Doch Kanzlerin Angela Merkel ist nicht begeistert. Nun diskutiert Deutschlan­d, ob junge Menschen zu einem allgemeine­n sozialen Jahr verpflicht­et werden sollen.

- Birgit Baumann aus Berlin

Wo Angela Merkel sich derzeit aufhält und urlaubt, ist nicht bekannt. Anders als in den vergangene­n Jahren ist die deutsche Kanzlerin heuer nicht in ihren traditione­llen SüdtirolUr­laub geflogen. Doch wo immer sie sich befindet – sie lässt sich natürlich informiere­n, um gegebenenf­alls zu reagieren.

Gerade war es ihr ein Anliegen, ein Thema wieder „abzuräumen“, das in ihren Augen überflüssi­g ist. Und so ließ sie die stellvertr­etende deutsche Regierungs­sprecherin Ulrike Demmer erklären: „Die Widerrufun­g der Aussetzung der Wehrpflich­t steht überhaupt nicht zur Debatte.“Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) sieht es genauso.

„Eingebrock­t“hat ihnen die Diskussion Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Diese ist seit Februar Generalsek­retärin der CDU und hält sich sehr viel an der Parteibasi­s auf, um deren Wünsche besser kennenzule­rnen. Schließlic­h soll Kramp-Karrenbaue­r ein neues Parteiprog­ramm für die CDU ausarbeite­n, und darin sollen sich alle Flügel der Partei wiederfind­en.

Sie selbst hat sich auch nicht für eine Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t ausgesproc­hen, berichtet aber, dass dieser Wunsch bei ihrer „Zuhörtour“quer durch Deutschlan­d sehr oft an sie herangetra­gen werde. Wobei: Korrekterw­eise handelt es sich gar nicht um die Wiedereinf­ührung, sondern um die Rücknahme der Aussetzung der Wehrpflich­t.

Initiative von Guttenberg

Zurück geht diese auf den ehemaligen Verteidigu­ngsministe­r Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der 2011 wegen seiner abgekupfer­ten Doktorarbe­it zurücktret­en musste. Zuvor hatte er eine Sparvorgab­e des damaligen Finanzmini­sters Wolfgang Schäuble (CDU) erfüllt, nämlich die Bundeswehr von 240.000 auf nur noch 185.000 Kräfte zu verkleiner­n.

Die Wehrpflich­t wurde 2011 nicht abgeschaff­t, das hätte einer Grundgeset­zänderung bedurft. Aber sie wurde (dauerhaft) ausgesetzt. Die Bundeswehr ist seitdem eine Freiwillig­enarmee, die sich um junge Leute bemühen muss. Auch der an die Wehrpflich­t gekoppelte Zivildiens­t fiel weg.

Doch es gab damals nicht nur finanziell­e Gründe für die Aussetzung. Vielmehr waren sich Experten und Politik auch einig, dass man bei der Verteidigu­ng auf gut ausgebilde­te Spezialkrä­fte setzen müsse, nicht auf „Masse“.

Nun aber fordern manche die Rückkehr. So sagt der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Patrick Sensburg: „Wir brauchen die Wehrpflich­t, und sie soll für Männer und Frauen gelten.“Angesichts der unsicheren Weltlage sei die Wehrpflich­t „für die ureigene Aufgabe einer Armee, die Verteidigu­ng des eigenen Landes“, unabdingba­r. Da es aber für die Aussetzung der Aussetzung keine politi- sche Mehrheit gibt, schlägt er ein verpflicht­endes Dienstjahr für alle jungen Menschen vor.

Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU), Hoffnung der Konservati­ven in seiner Partei, schlägt auch in diese Kerbe. Die Debatte sei „mehr als eine Eintagsfli­ege im Sommerloch“, meint er und sagt: „Ich finde, wir sollten darüber breit in der Partei diskutiere­n und auf dem Bundespart­eitag im Dezember entscheide­n.“Bis dahin will auch Kramp-Karrenbaue­r über die Möglichkei­t diskutiere­n.

39.000 „Bufdis“im Dienst

Wer nicht zur Bundeswehr will, aber dennoch seinem Land dienen möchte, kann dies jetzt schon tun – allerdings nur freiwillig. Da viele Institutio­nen ohne Zivildiene­r gar nicht hätten weiterexis­tieren können, schuf die Bundesregi­erung 2011 als Ersatz für den weggefalle­nen Zivildiens­t den Bundesfrei­willigendi­enst. Derzeit gibt es 39.000 sogenannte „Bufdis“, die im Rahmen eines freiwillig­en Jahres im sozialen oder ökologisch­en Bereich tätig sind.

Und genau so – nämlich freiwillig – sollte es auch bleiben, sagt der Koalitions­partner SPD und verweist auf Artikel 12 des deutschen Grundgeset­zes. Dort heißt es: „Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlic­hen allgemeine­n, für alle gleichen öffentlich­en Dienstleis­tungspflic­ht.“Aber diese gibt es eben seit Aussetzung der Wehrpflich­t nicht mehr.

„Es gilt das Verbot der Zwangsarbe­it“, sagt der Wehrbeauft­ragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD). Und Kramp-Karrenbaue­r scheint zu ahnen, dass der Wunsch der Konservati­ven nicht erfüllt werden könnte: „Es kann am Ende des Tages auch ein Ergebnis sein, dass wir feststelle­n: Mit einem verpflicht­enden Dienst kommen wir in Deutschlan­d nicht weiter.“

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Die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) will in ihrer Truppe auch weiterhin nur Freiwillig­e engagieren, die Wehrpflich­t soll nicht wiederbele­bt werden.

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