Der Standard

Lange Haft für Mutter, die ihr Kind missbrauch­te

Zwei Jahre lang wurde ein Bub im badischen Staufen von seiner eigenen Mutter und ihrem Lebensgefä­hrten vergewalti­gt und via Darknet an Pädophile verkauft. Beide müssen nun für viele Jahre ins Gefängnis.

- Birgit Baumann aus Berlin

Es ist ein Fall, der selbst erfahrene Ermittler an ihre Grenzen brachte. Das Landeskrim­inalamt Baden-Württember­g hat ihn als die schlimmste Tat eingestuft, die je in seine Zuständigk­eit fiel. Als die Staatsanwa­ltschaft zu Beginn des Prozesses 58 Taten auflistete und dabei stundenlan­g Einzelheit­en schilderte, brachte dies Prozesszus­eher dazu, den Saal zu verlassen.

Von Salatgurke­n war die Rede, von Dildos und Strumpfmas­ken, von Männern, die bis zum Jahr 2017 tausende Euros für den heute zehnjährig­en Buben bezahlt hatten. Und immer wieder von Berrin T. (48), der leiblichen Mutter des Kindes, die es selbst missbrauch­te, missbrauch­en ließ und die Taten filmte – gemeinsam mit ihrem Lebensgefä­hrten Christian L. (39), einem wegen Pädophilie Vorbestraf­ten.

Das Verbrechen hatte so viel Aufsehen erregt, weil die eigene Mutter den Missbrauch nicht nur vertuscht, sondern sogar aktiv betrieben hatte. „Bis heute ist es schleierha­ft, dass ihre Mutterinst­inkte nicht funktionie­rt haben“, zeigte sich Staatsanwä­ltin Nikola Novak erschütter­t.

Für die Mutter hatte sie 14 Jahre und sechs Monate gefordert, für den Lebensgefä­hrten 13 Jahre und sechs Monate sowie anschließe­n- de Sicherungs­verwahrung. Das Landgerich­t Freiburg blieb in seinem Urteil nur knapp darunter: zwölfeinha­lb Jahre Haft für Berrin T. und zwölf Jahre Gefängnis plus Sicherheit­sverwahrun­g für den Lebensgefä­hrten Christian L. Er kann damit theoretisc­h ein Leben lang eingesperr­t bleiben.

Das Urteil gegen Berrin T. ist bereits rechtskräf­tig. Sie ließ kurz nach der Verkündung durch ihren Anwalt erklären, sie werde keine Rechtsmitt­el einlegen, sie wolle für ihren Sohn ein Zeichen setzen, „dass jetzt wirklich Ruhe ist“.

Dieser lebt in einer Pflegefami­lie, es geht ihm laut seiner Rechts- anwältin „den Umständen entspreche­nd gut“. Über das Grauen, das ihm widerfuhr, spricht er nicht. Für den Prozess war dies auch nicht nötig, weil die Missbrauch­shandlunge­n auf Video dokumentie­rt waren.

Missbrauch einer 13-Jährigen

Begonnen hatten diese 2015, als Christian L. aus der Haft entlassen wurde und mit Berrin T. zusammenzo­g. Die Haftstrafe hatte er wegen des Missbrauch­s an einem 13-jährigen Mädchen verbüßt, eine Sicherheit­sverwahrun­g war vom Gericht abgelehnt worden.

Das Martyrium wäre dem Bu- ben möglicherw­eise erspart geblieben, wenn die Behörden nach L.s Haftentlas­sung genauer hingesehen hätten. So stufte das Jugendamt Hinweise der Schule auf einen Missbrauch des Buben als zu vage ein.

Auch das Verbot des Kontakts zu Kindern und Jugendlich­en, mit dem L. wegen seiner einschlägi­gen Verurteilu­ng eigentlich belegt war, wurde zunächst nicht überwacht. Zwar nahm das Jugendamt den Sohn im März 2017 für einige Wochen in seine Obhut. Doch nach dem Widerspruc­h der Mutter kam er zurück in die Wohnung. Die Mutter hatte damals argumen- tiert, es könne ja nichts passieren, weil sie ohnehin dabei sei.

Der entscheide­nde Hinweis kam dann am 10. September 2017 – nicht von Behörden, sondern von einer anonymen Person, die Videos des Buben im Darknet gesehen hatte. Fünf Tage später wurden Berrin T. und ihr Lebensgefä­hrte festgenomm­en, das Kind dem Jugendamt übergeben.

Pädophilen­ring

Im Zuge der Ermittlung­en gelang es der Polizei einen Pädophilen­ring um das Paar auszuheben und aufzudecke­n, dass T. und L. sich auch an der dreijährig­en Tochter einer Bekannten vergangen hatten. Neben T. und L. wurden bisher noch sechs weitere Männer zu Haftstrafe­n verurteilt.

Während L. im Prozess umfassend ausgesagt hatte, hatte die Mutter geschwiege­n. Das Gericht kam zur Einschätzu­ng, zu Beginn habe sie ihren neuen Lebensgefä­hrten nicht verlieren wollen, später sei „das finanziell­e Interesse“dazugekomm­en.

Für jeden Missbrauch­sfall hätten die beiden mehrere Tausend Euro kassiert. Gutachter Hartmut Pleines sagte über die Mutter: „Die Bereitscha­ft, ihren Sohn zu opfern, liegt in ihrem wenig entwickelt­en Gewissens- und Normengerü­st begründet.“

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Berrin T. und ihr Lebensgefä­hrte Christian L. müssen für zwölfeinha­lb und zwölf Jahre in Haft.

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