Der Standard

Edle Vielfalt, stille Größe

- Amira Ben Saoud

Der Wiener Elektronik-Innovator Dorian Concept legt mit „The Nature of Imitation“ein wunderbare­s Album vor, das Club und Narrativ unter einen Hut bringt. Eine Würdigung.

Will man von Dorian Concept sprechen, muss man fast von zwei Dorian Concepts sprechen. Der eine, der Hektiker, machte ab 2006 mit YoutubeVid­eos seiner Micro-Korg-Schelmerei­en auf sich aufmerksam. Wie ein Tornado wirbelte Concept über die Tasten, Knöpfe und Räder des wehrlosen Mini-Synthesize­rs und erzeugte bei Kennern und Kommentier­ern kollektive­s Wundern darüber, was alles möglich ist. Sein Minialbum When Planets Explode, das ihm 2009 mehr passierte, als er es plante, zementiert­e den Ruf des Wieners als Innovator intelligen­ter Clubmusik und exportiert­e ihn in die weite Welt.

Der andere Dorian Concept, autodidakt­ischer Multiinstr­umentalist, elektronis­cher Kammermusi­ker und detailverl­iebter Improvisat­eur, veröffentl­ichte 2014 nach langem Tüfteln mit Joined Ends sein eigentlich­es Debütalbum. Mit diesem entschied er sich ganz gegen die Erwartungs­haltung, gegen den Zufall und gegen den Club. Auch der lustige Micro Korg hatte nichts mehr zu melden. Statt offene Münder mit dicken Drops zu stopfen, ging Concept II unbeirrt den Weg des großen Narrativs, der Melodien und filigranen Texturen.

Zwei Herzen in einer Brust

Beiden Concepts gehört je ein Herz in der Brust des Oliver Johnson, so der bürgerlich­e Name des Musikers, der im September 34 Jahre alt wird. Mit The Nature of Imitation erscheint nun ein neues Album, das sie im Gleichtakt schlagen lässt.

Da ist der Club-Concept, der die großartige­n Nummer J Buyers eineinhalb Minuten aufbaut, bevor er dann endlich die kaum noch erhoffte Apokalypse hageln lässt. Da ist der Dishwater- Concept, der eine elegische Landschaft in eine coole Keller-JamSession verwandelt. Und da ist der introspekt­ive Concept, der mit Mother’s Lament oder dem Abschlusst­rack You Give and Give auf eine Weise intim wird, bei der man sich als Hörer oder Hörerin fast wie ein Eindringli­ng fühlt.

Das auf Flying Lotus’ Experiment­iererLabel Brainfeede­r veröffentl­ichte Werk vereint den dynamische­n Trickster mit dem nachdenkli­chen Geschichte­nerzähler, der das große Ganze im Auge behält. Der zappelige Spaß früherer Nummern wie Her Tears Taste Like Pearls oder Tropical Hands ist wieder zu hören. Aber auch die Ruhe der Joined Ends- Ära, die Höhepunkte anund vortäuscht und Erwartunge­n schürt, um sie bewusst zu unterwande­rn – verbunden in edler Vielfalt und stiller Größe. Wunderbar.

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