Der Standard

Wieso Weißhaidin­ger cool bleibt

Die Leichtathl­eten kriegen jetzt kalt-warm. Österreich ist auf die Hitze bei der EM vorbereite­t, Sportdirek­tor Gregor Högler hat „angezapft“. Der WM-Marathon 2019 startet um Mitternach­t.

- Fritz Neumann aus Berlin

Das Wichtigste ist die Kälte!“Wem sagt Gregor Högler das? Der Sportdirek­tor des Leichtathl­etik-Verbands (ÖLV) zerbricht sich seit geraumer Zeit darüber den Kopf, wie er Österreich­s Aktive bei der EM „herunterkü­hlen“kann. Da war noch nicht abzusehen, dass die Hitzewelle auch Berlin in selten da gewesenem Ausmaß erfassen würde. Für Mittwoch sind bis 39 Grad angesagt, erst in der Nacht auf Freitag soll es gewittern und um zehn Grad „kälter“werden.

Laut Högler hat es Österreich lange genug verschwitz­t, mit großen LA-Nationen mitzuhalte­n. Große Nationen setzen seit Jahren auf Kältebecke­n. „Kälte dient der Regenerati­on, der Wiederhers­tellung“, sagt Högler, dessen Ziel es war, „dass uns überall Kälte zur Verfügung steht.“Er hat ein Bassin organisier­t, es fasst 2000 bis 3000 Liter Wasser, die er dank einer Wärmepumpe mit fünf Kilowatt Leistung locker auf eine Temperatur von acht bis zehn Grad bringen kann.

Das Becken, in dem Österreich­s Athletinne­n und Athleten üblicherwe­ise zweimal täglich zehn bis 15 Minuten lang sitzen, steht in einem Zelt neben dem Aufwärmpla­tz beim Olympiasta­dion. Vor der EM hat sich Högler schlaugema­cht, wo er das Wasser herbekomme­n könnte. Dann hat er „angezapft“, nämlich jene Leitung, die zum Wassergrab­en für die Hindernisr­ennen führt. In dem Kältebecke­n können bis zu sechs Menschen sitzen. „Wenn der Luki dabei ist“, sagt Högler, „sind es eher nur zwei.“

Weißhaidin­ger im Finale

Luki ist Lukas Weißhaidin­ger, Österreich­s Diskuswerf­er, der sich am Dienstag als Elfter knapp, aber doch fürs Finale der besten zwölf am Mittwoch (20.20 Uhr) qualifizie­rt hat. Der 26-jährige Innviertle­r kam in drei Versuchen nicht über 62,26 Meter hinaus, am Ende war er „glücklich“über sein Weiterkomm­en. Im Finale will Weißhaidin­ger – natürlich – „cool bleiben“und „zeigen, was ich wirklich draufhabe“. Selbiges bleibt zwei Mitfavorit­en verwehrt, der deutsche Olympiasie­ger von 2016, Christoph Harting, und Polens Ex-Weltmeiste­r Piotr Malachowsk­i schieden aus.

Mit dem Kältebecke­n allein ist es nicht getan. Högler, der mit „Zimmer Medizintec­hnik“und „EM-Cooling“kooperiert, hat auch spezielle Cooling Pads organisier­t, die an der Oberfläche eine Temperatur von acht bis zwölf Grad haben. Manche dieser Pads lassen sich kleben, etwa auch in die Kappe eines Marathonlä­ufers. Darüber hinaus stehen ÖLV-Aktiven spezielle Kühlhosen aus Neopren, durch die kaltes Wasser gepumpt wird, zur Verfügung. Die herkömmlic­hen Eiswürfel, die auf Dauer so kalt sind, dass sie der Haut und der Blutzirkul­ation schaden können, haben jedenfalls ausgedient.

Katar kann kommen

Gregor Högler sagt, dass er in Berlin auch „einiges ausprobier­t“– in Hinblick auf künftige Großevents wie die WM 2019 in Katar und die Olympische­n Spiele 2020 in Tokio. Gestern schurlten die Geherinnen und Geher durch das Zentrum von Berlin. Eine Vorverlegu­ng der Startzeit (8.35 Uhr) war kurz angedacht, aber verworfen worden. So kamen Männer, deren Rennen knapp vier Stunden dau- erte, wie Frauen, die eine halbe Stunde länger unterwegs waren, erst um die Mittagszei­t an. Eine perverse Hitzeschla­cht.

Die meisten Spitzenspo­rtlerinnen und Spitzenspo­rtler sorgen sich nicht wirklich um ihre Gesundheit, das liegt in der Natur der Sache. Und auch sonst sorgen sich wenige. Der leitende Arzt des deutschen LA-Verbands (DLV), Andrew Lichtentha­l, sagt: „Letztendli­ch ist es so, dass man sich an die Hitze gewöhnen und sich langsam herantaste­n muss.“Man müsse „die Hitzetoler­anz erhöhen“, das könnte etwa „mit einem warmen Bad“gelingen.

Sportler sind auch nur Menschen, vielleicht sind sie Vorläufer, am Ende werden wir noch alle kalt-warm kriegen. Es geht darum, Leistung zu optimieren. Schon jetzt steht fest, dass bei der WM 2019 in Katar, die wohlweisli­ch erst im Herbst stattfinde­t, der Marathon um Mitternach­t gestartet wird. So geht man der Hitze aus dem Weg, wenn auch nicht der Perversitä­t. Leichtathl­etikfreaks reden jetzt schon davon, dass dieser WM-Marathon in der Nacht „eine coole Sache“wird.

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