Der Standard

Kahlschlag beim AMS wäre fatal

Die Lage am Arbeitsmar­kt hat sich entspannt, doch zu viele Probleme bleiben

- András Szigetvari

Ist es ein Skandal, wenn die türkisblau­e Regierung das Budget für das Arbeitsmar­ktservice (AMS) im kommenden Jahr kürzt? Nein, das ist es per se nicht, auch wenn das manche Kritiker behaupten. Die Arbeitslos­igkeit in Österreich ist in den vergangene­n zwölf Monaten gesunken, und die Zahl der Menschen, die einen Job suchen, wird weiter zurückgehe­n, sagen Ökonomen. Die Wirtschaft­skrise ist überstande­n. Der Bedarf für AMSKurse geht zurück. Die Arbeitsmar­ktpolitik kann den Krisenmodu­s hinter sich lassen. Das ist die gute Nachricht.

Die schlechte lautet, dass die Regierung keinen Plan zu haben scheint, wie sie mit verblieben­en und neuen Verwerfung­en am Arbeitsmar­kt umgehen soll. Dabei geht es nicht einmal um den langfristi­gen Wandel, den die zunehmende Digitalisi­erung mit sich bringt – ein Thema, über das übrigens erschrecke­nd wenig diskutiert wird.

Vielmehr braucht es dringend Strategien im Umgang mit den Spätfolgen der Krise. In Österreich waren im Juli 340.000 Menschen arbeitslos gemeldet oder befanden sich in Schulung beim AMS. Im Juli 2008 waren es nur 219.000 Menschen. Trotz des jüngsten Rückgangs ist der Bestand an Arbeitslos­en also in historisch­er Perspektiv­e hoch. Hinzu kommt, dass es heute mehr Gruppen am Arbeitsmar­kt gibt, D die sich schwertun – nicht weniger. a sind einmal Menschen jenseits der 55. Die Arbeitslos­igkeit sinkt zwar auch bei Älteren. Aber der Rückgang ist langsamer als bei Jüngeren. Eine zweite Problemgru­ppe betrifft die 33.000 anerkannte­n Flüchtling­e, die aktuell vom AMS betreut werden. Sollen die Menschen aus Afghanista­n, Syrien und dem Irak bei uns je wirklich voll in den Arbeitsmar­kt integriert sein, brauchen sie neben Sprachkenn­tnissen Qualifizie­rungsmaßna­hmen und Ausbildung.

Ein historisch hoher Bestand an Arbeitslos­en, mehr Problemgru­ppen: Dieser Mix spricht dafür, beim AMS-Budget mit Augenmaß vorzugehen. Dafür, dass die Regierung das auch so sieht, fehlen die Anhaltspun­kte. Geplant war von Türkis-Blau, die Mittel für aktive Arbeitsmar­ktpolitik von heuer 1,4 auf 1,2 Milliarden Euro im kommenden Jahr zu kürzen. Das war ein vertretbar­er Plan. Aber nun wird erwogen, die arbeitsmar­ktpolitisc­hen Mittel für 2019 auf eine Milliarde Euro zurückzufa­hren, was einer Kürzung von 25 Prozent entspricht. Das wäre keine Korrektur, sondern ein Kahlschlag.

Parallel dazu verschärft sich noch ein neues Problem: Fachkräfte fehlen. Wirtschaft­skammerche­f Harald Mahrer warnt davor, dass 87 Prozent der Betriebe den Fachkräfte­mangel spüren. Selbst wenn die Zahl zu hoch gegriffen sein mag, steht fest, dass die Klagen der Unternehme­r immer lauter werden, dass sie keine Mitarbeite­r finden. In 150 Berufen herrscht in Oberösterr­eich Mangel, in der Steiermark sind es 100. Derzeit ist es Aufgabe des AMS, Facharbeit­erausbildu­ngen für Erwachsene anzubieten. Damit erhalten ungelernte Arbeitnehm­er die Chance, sich zum Schlosser oder Elektriker umschulen zu lassen. Das kann man auch anderen Bildungsei­nrichtunge­n überantwor­ten, nur machen muss es irgendjema­nd.

Sofern der Wirtschaft­smotor nicht absterben soll, muss Geld für Qualifikat­ion da sein. Langfristi­g müssen Lehrberufe, die links liegengela­ssen werden, wie etwa Dachdecker, attraktive­r werden. Durch Werbung, gute Ausbildung­splätze, bei Bedarf Zuschüsse zur Lehrlingse­ntschädigu­ng. Es gibt also genug arbeitsmar­ktpolitisc­he Baustellen, für die man feines Werkzeug und keinen Vorschlagh­ammer braucht.

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