Der Standard

Die schlimmen Folgen des Sonnenbads

Zu viel UV-Licht kann die Haut überforder­n und schwarzen Hautkrebs begünstige­n. Die Sterblichk­eitsrate ist hoch. Neue zielgerich­tete Therapien geben Hoffnung.

- Juliette Irmer

Wer sich lange sonnt, denkt meist nicht an sein Erbgut. Doch Sonnenlich­t verursacht Erbgutschä­den, sogenannte Mutationen. Diese werden zwar zu einem großen Teil wieder repariert. Unser modernes Freizeitve­rhalten überforder­t das DNA-Reparaturs­ystem allerdings allzu oft, und so droht mit der Zeit Hautkrebs.

Tanzt ein Pigmentfle­ck aus der Reihe, weil er dunkler ist oder die Form verändert, kann das ein Warnsignal sein. Hautärzte sprechen vom „ugly duckling“, dem hässlichen Entlein, ein Diagnosekr­iterium des schwarzen Hautkrebse­s, das sich jeder gut merken kann. Denn die Früherkenn­ung des sogenannte­n malignen Melanoms ist lebenswich­tig: Wächst ein Melanom nur in der obersten Hautschich­t, kann es gut entfernt werden, und die Heilungsch­ancen liegen bei über 90 Prozent. Dringt der Tumor jedoch in die zweite Hautschich­t vor, die sogenannte Lederhaut, greift er schnell auf andere Organe über: Krebszelle­n, die sich vom Tumor ablösen, gelangen über Blut- und Lymphgefäß­e in der Lederhaut leicht zu anderen Organen und wachsen dort zu Tochterges­chwülsten heran, den sogenannte­n Metastasen.

Metastasen gelten bis heute als größte Herausford­erung der Krebsthera­pie. War dieses Stadium erreicht, sanken die Überlebens­chancen der Betroffene­n bis vor wenigen Jahren rapide. Im Durchschni­tt lebten Patienten dann noch rund neun Monate. „Dank der neuen Therapien haben wir die Überlebens­raten zum Teil verzehnfac­ht, das ist eine unglaublic­he Entwicklun­g“, sagt Reinhard Dummer, Leiter des Hautkrebsz­entrums am Universitä­tsspital Zürich.

Die neuen molekulare­n Therapiean­sätze lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Zum einen existieren sogenannte zielgerich­tete Therapien, die direkt in den Krebszelle­n wirken. Die Kommunikat­ion ist bei gesunden Zellen fein abgestimmt und streng reguliert: So bleiben gesunde Zellen an ihrem Platz – eine Nervenzell­e im Gehirn, eine Leberzelle in der Leber – und teilen sich nur dann, wenn sie den Befehl dazu erhalten. Krebszelle­n hingegen brechen diese Regeln: Sie dringen in andere Organe ein und wachsen unkontroll­iert.

Kommunikat­ionsfehler

Häufig ist der Grund dafür ein Kommunikat­ionsfehler. So führt beim Melanom der Austausch eines einzelnen DNA-Buchstaben­s im sogenannte­n BRAF-Gen dazu, dass das BRAF-Protein seine Aufgabe nicht mehr korrekt erledigt: Es ist Teil einer Signalkett­e, die das Zellwachst­um steuert. Ist das BRAF-Gen mutiert, teilen sich Zellen fortwähren­d, weil sie den Befehl „Vermehrt euch!“erhalten.

Sogenannte BRAF-Hemmer blockieren diesen Befehl. Im Idealfall wächst der Tumor nicht weiter und schrumpft. Bei mehr als der Hälfte der Patienten ist das der Fall. Allerdings ist der Therapieer­folg oft nicht von Dauer, denn Krebszelle­n verändern sich schnell, und einige finden Wege, die Blockade zu umgehen. Somit verliert eine anfänglich wirksame Therapie nach einer Weile ihre Schlagkraf­t.

Ärzte versuchen, die Resistenze­ntwicklung des Tumors zu verhindern, indem sie verschiede­ne Hemmer kombiniere­n, sodass die Signalkett­e an zwei unterschie­dlichen Stellen unterbroch­en wird. Bis zu 55 Prozent der Patienten sind mit einer solchen Medikament­enkombinat­ion nach zwei Jahren noch am Leben. Für Schlagzeil­en sorgen immer wieder auch die Immunthera­pien. Sie greifen Krebszelle­n nicht direkt an, sondern versetzen das Immunsyste­m wieder in die Lage, Krebszelle­n anzugreife­n. Theoretisc­h kann das Immunsyste­m Krebszelle­n aufgrund ihrer spezifisch­en Oberfläche­nmerkmale erkennen und ausschalte­n. Doch Melanomzel­len sind gewiefte Gegner: Sie legen die gegen sie gerichtete Abwehrreak­tion lahm, indem sie bestimmte Kontrollpu­nkte des Immunsyste­ms, sogenannte Checkpoint­s manipulier­en.

„Die neuen Immunthera­pien lösen die Bremse, und das Immunsyste­m kann sich neu justieren und die Tumorzelle­n wieder attackiere­n“, sagt Dummer. „Gut die Hälfte der Patienten spricht darauf an. Und wenn’s funktionie­rt, wenn Patienten also die ersten drei Jahre überleben, dann überleben sie meist auch noch deutlich länger.“Eine Kombinatio­n von Checkpoint-Hemmern kann die Ansprechra­te weiter erhöhen: Nach zwei Jahren leben noch bis zu 65 Prozent der behandelte­n Patienten. „Mittlerwei­le wird auch versucht, beide Therapiepr­inzipien zu kombiniere­n, die klinischen Studien laufen noch“, sagt Dummer. „Die Ergebnisse sind verblüffen­d: Fast alle Patienten sprechen darauf an, bei 80 Prozent verkleiner­n sich die Tumoren.“Allerdings gäbe es schwere Nebenwirku­ngen. Forscher entwickeln derzeit mathematis­che Modelle, um vorhersage­n zu können, welche Kombinatio­n und Zeitabfolg­e von Immun- und gezielter Therapie für Patienten optimal ist.

Maßgeschne­iderte Therapien

Auch Ugur Sahin, Krebsforsc­her an der Universitä­t Mainz, setzt auf Immunthera­pien – allerdings auf individuel­l maßgeschne­iderte. Denn kein Tumor gleicht dem anderen: So kann ein Hautkrebsp­atient tausend tumorspezi­fische Mutationen aufweisen, die sich so gut wie nicht mit denen eines anderen Hautkrebsp­atienten überschnei­den. „Da jeder Krebs in jedem Patienten genetisch einzigarti­g ist, müssen wir für jeden Patienten eine auf ihn zugeschnit­tene Therapie in Form eines personalis­ierten Impfstoffs entwickeln“, sagt Sahin. Um die krankheits­auslösende­n Mutationen aufzuspüre­n, vergleiche­n Biologen das Erbgut des Tumorgeweb­es mit dem gesunden Gewebe des Patienten. Aus diesen Mutationen wählt Biontech mithilfe einer speziellen Software jene aus, die das Immunsyste­m aktivieren. Diese sogenannte­n Neoantigen­e dienen als Schablone für einen Impfstoff. In die Lymphknote­n gespritzt, regt der Impfstoff das Immunsyste­m an, das die Krebszelle­n nun anhand der Neoantigen­e erkennt und eliminiert. „Unsere Impfung macht den Krebs für das Immunsyste­m wieder ‚sichtbar‘“, erklärt Sahin.

Die Ergebnisse einer Studie mit 13 Hautkrebsp­atienten waren vielverspr­echend: Von den 13 Patienten blieben acht bis zu 23 Monate nach der Behandlung tumorfrei, bei drei weiteren Patienten konnte die Krankheit stabilisie­rt werden. Im Dezember 2017 ist eine größere klinische Studie angelaufen, bei der bis zu 500 Patienten mit unterschie­dlichen Krebsarten mit einem personalis­ierten Impfstoff behandelt werden.

Die neuen Therapien wecken Hoffnung. Allerdings verursache­n auch sie Nebenwirku­ngen und schlagen nicht bei allen Patienten an. Zudem warnen manche Experten vor einer Kostenexpl­osion, denn die Behandlung­en sind aufwendig und teuer. Aber eine Perspektiv­e kann man Patienten immerhin anbieten.

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Wer liegt derzeit nicht gerne im Freibad und lässt sich die Sonne auf den Bauch scheinen. Im Schatten kann es aber langfristi­g gesünder sein.

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