Der Standard

Vom Leben und Sterben im See

- Peter Illetschko

Österreich­s Seen sind während der länger andauernde­n Hitzeperio­de bestens besucht. ch wie sieht es während dieser Zeit in den Seen us? In welchem Zustand sind sie ökologisch? ine Bestandsau­fnahme am Beispiel Mondsee.

Einen Gewinner des Klimawande­ls gibt es ganz gewiss: den Sommertour­ismus. Österreich hat 163 Badeseen, und an den meisten von ihnen tummeln sich derzeit Urlauber in großen Scharen. Hotels sind gut gebucht, Restaurant­s bestens ausgelaste­t. Und wem Freizeit derzeit nicht möglich ist, der kann sich sicher sein: Die Badesaison wird lange genug dauern.

Dabei wird Laien kaum auffallen, wie sich die Gewässer zu ihrem Nachteil verändern und vielleicht noch verändern werden. Das Wasser ist aus der Sicht des Gewässersc­hutzes zu warm. Im Mondsee im Salzkammer­gut wer- den schon 28 Grad gemessen. Er ist derzeit nach den strengen Kriterien der EU-Wasserrahm­enrichtlin­ie an der Kippe von guter Qualität zu mäßiger Qualität. Für Badegäste hat das derzeit, versichern die Wissenscha­fter des Instituts für Limnologie der Universitä­t Innsbruck, keine Auswirkung­en. Das am Ufer des Mondsees stationier­te Institut ist seit 2012 bei der Uni, davor gehörte es zur Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW).

Für den See sind die Folgen langfristi­g aber dramatisch, sagt Thomas Weisse, der sich mit Planktonök­ologie beschäftig­t. Gesunde Ökosysteme in stehenden Gewässern würden sich zweimal im Jahr durchmisch­en, jeweils beim Erreichen von vier Grad Celsius, das ist die Temperatur, bei der die Wasserdich­te am höchsten ist, und das sind die besten Bedingunge­n für die Zirkulatio­n.

Nährstoffr­eicher Boden

Die Folge des vermindert­en Austauschs: Die Nährstoffe des Sees sind nicht mehr gleichmäßi­g verteilt. Der Boden, an der tiefsten Stelle 68 Meter unter der Wasserober­fläche, wird nährstoffr­eich. Das kann sogar auf die Geologie des Sees Einfluss nehmen. Dadurch werden Algen (Cyanobakte­rien) begünstigt, die die Nährstoffe in der Seetiefe noch verwerten können. Wenn die Wasserzirk­ulationen dann doch wieder mehr als einmal eintreten, sind gerade diese Algen begünstigt – und es kann zu einem starken Befall kommen.

Das ist freilich kein spezielles Problem des Mondsees, von diesem Phänomen sind alle tieferen Seen des Alpenraums betroffen. Beim Zürichsee blieb der ökologisch wichtige Vorgang des zweimal jährlich zirkuliere­nden Gewässers zuletzt ganz aus, weshalb Badebuchte­n schon gesperrt wurden, sagt Thomas Pröschold, der sich schwerpunk­tmäßig mit dem fasziniere­nden Artenreich­tum der Wim-

pertierche­n (Ciliaten) auseinande­rsetzt. Für Seen ist entscheide­nd, ob der Nährstoffg­ehalt in einem vernünftig­en Verhältnis zum eigenen Ökosystem steht, zu wenig, aber auch zu viel ist schlecht.

Letzteres musste man in den 1960erbis 1980er-Jahren durch Umweltvers­chmutzung erleben. In so einem Fall sprechen die Experten von Überdüngun­g (Eutrophier­ung). Sie wird häufig durch den Menschen verursacht, vor allem Phosphat- und Stickstoff­einträge können durch Überproduk­tion und Sauerstoff­verbrauch zu Pflanzen- und Fischsterb­en führen. Algen blühen dagegen auf und bilden die von Ökologen und Hotelbesit­zern gefürchtet­en Teppiche. Die können so riesig sein, dass man sie auch auf Satelliten­bildern erkennt, berichtet Rainer Kurmayer, einer der Algenexper­ten am Institut. Blaualgen hätten über Millionen von Jahren fasziniere­nde Überlebens­strategien entwickelt. Eine davon: Sie können dank Gasvesikel­n im Wasser schweben und sich einschicht­en.

Massive Teppiche

Solche Teppiche sind massiv und lassen sich nur schwer beseitigen. In kalten Wintern werden die Algen zurückgedr­ängt. Da die Winter aber derzeit sehr mild sind, haben die Algen dieses Problem nicht. Und unter ihnen sind manche, die eigentlich in Bodennähe sind, aber durch die thermische Schichtung wieder hochsteige­n können: Die zu den Blaualgen zählende Burgunderb­lutalge (Planktothr­ix rubescens) bildet Toxine, die den Stoffwechs­el von Wirbeltier­en negativ beeinfluss­en und lebensbedr­ohend sein können. Sie färbt den See blutrot. Für Menschen, die wissen, was das bedeutet, kein wirklich schöner Anblick.

Kurmayer sagt, extreme Klimaereig­nisse wie Hochwässer, am Mondsee zuletzt 2002 und 2013 verzeichne­t, können Algenblüte­n auch begünstige­n. Und diese „Events“sollten zu den sichtbaren Folgen des Klimawande­ls auch hinzugezäh­lt werden. Aus Sicht des Gewässersc­hutzes könnten die Erfolge gegen die Eutrophier­ung im vergangene­n Jahrhunder­t durch direkte und indirekte Folgen des Klimawande­ls wieder zunichtege­macht werden.

Die Limnologen warnen davor, betonen aber auch, dass die Gefahr derzeit noch nicht besteht. Alles in allem ist der Mensch der entscheide­nde Faktor dafür, wie es den Seen geht, mehr Nutzung bedeutet logischerw­eise auch mehr Nährstoffe­intrag. Dessen sollte man sich trotz aller Freude über nötige Abkühlung bewusst sein.

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Foto: iStock Blick auf den M Mit einer maxima von 68 Metern nicht zu den tiefs im Salzkamm

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