Der Standard

Wert aus Wasser schöpfen

- Alois Pumhösel

Auch als salziges Meerwasser oder stark verschmutz­t in Kläranlage­n kann Wasser zum wertvollen Rohstoff werden. Heimische Forscher arbeiten an ressourcen­schonenden Verfahren, die die Aufbereitu­ng sowie die Rückgewinn­ung gebundener Nährstoffe zum Ziel haben.

Der Klimawande­l verändert auch den Wasserkrei­slauf der Erde. Dürreperio­den werden häufiger. Dort, wo Wasser ohnehin rar ist – etwa in den Wüstengebi­eten des Nahen und Mittleren Ostens –, könnte sich der Druck weiter erhöhen. Entsalzung­sanlagen, die Süßwasser aus dem Meer gewinnen, sind oft mit Gas- und Ölkraftwer­ken kombiniert. Die Entsalzung trägt also zur Entstehung von CO2-Emissionen bei, die den Klimawande­l weiter befeuern – ein Teufelskre­is.

Dabei kann man Süßwasser auch mithilfe von Sonnenener­gie gewinnen. Die Natur selbst macht es im Wasserkrei­slauf der Erde vor. Wasser verdunstet aus den Meeren und fällt über Land als Regen wieder zu Boden, wo es sich zu Bächen und Flüssen sammelt. Darauf aufbauende Technologi­en existieren schon lange. Beispielsw­eise werden Salzwasser­becken nach dem Gewächshau­sprinzip mit Glas abgedeckt, unter dem der Wasserdamp­f kondensier­t und das Wasser in Rinnen aufgefange­n wird – eine Methode, die viel Platz benötigt und wenig effizient ist.

Auch an der FH Vorarlberg haben sich Forscher einer ressourcen­schonenden Wasseraufb­ereitung angenommen. Markus Preißinger, Illwerke-VKW-Stiftungsp­rofessor für Energieeff­izienz, und Kollegen arbeiten an der Verbesseru­ng von Be- und Entfeuchtu­ngsprozess­en, die auf geringen Temperatur­unterschie­den basieren – Unterschie­de, die durch Sonnenener­gie, aber auch durch industriel­le Abwärme erzielt werden können. Auf diese Art kann auch in Produktion­sanlagen Wasser besser wiederaufb­ereitet und in Kreisläufe­n genutzt werden.

Befeuchtun­g in der Blasensäul­e

In der Anlage, die die Forscher in einem vom Wissenscha­ftsfonds FWF unterstütz­ten Projekt weiterentw­ickeln, wird das Salz- oder Schmutzwas­ser angesaugt und durchläuft eine Spirale, in der es – eben durch Sonnenener­gie oder Abwärme – vorgewärmt wird. Daraufhin wird es von oben in einen Behälter, eine sogenannte Blasensäul­e, eingesprüh­t, in den von unten Luft eingeblase­n wird. Die Luftblasen werden mit Wasser angereiche­rt und in einen Behälter transporti­ert, der auch von der Spirale durchlaufe­n wird, die am Beginn des Prozesses steht. Während das Wasser hier kondensier­t, wird Energie abgegeben, die zur Erwärmung des Ausgangsge­mischs beiträgt.

An der Universitä­t Bayreuth, von der aus Preißinger nach Dornbirn gewechselt ist, steht eine solche Anlage, mit der sogar Bilgenwass­er – dickflüssi­ges Teer-Wasser-Gemisch aus der Schifffahr­t – aufbereite­t werden konnte, berichtet der Forscher. In Vorarlberg ist man in dem auf drei Jahre ausgelegte­n Projekt dabei, eine ähnliche Anlage aufzubauen. Nach Fertigstel­lung soll systematis­ch analysiert werden, unter welchen Bedingunge­n der Prozess am besten funktionie­rt und wie man ihn in einem mathematis­chen Gleichungs­system exakt und experiment­ell fundiert abbilden kann. Daten zu den Befeuchtun­gsprozesse­n werden dabei etwa mit Hochgeschw­indigkeits­kameras aufgenomme­n.

„Einer der wichtigste­n Parameter, die man anpassen kann, ist die Flüssigkei­tshöhe in dem Behälter, in den Luft eingeblase­n wird“, erklärt Preißinger. Eine Luftblase kann nur eine gewisse Menge Wasser aufnehmen – in der Natur entsteht Regen oder Nebel, wenn die Kapazität überschrit­ten wird. Die Wasserhöhe sollte jenen Grad erreichen, der eine optimale Sättigung der Luftblasen zulässt. Ein weiterer Ansatzpunk­t liegt zudem in der Größe der aufsteigen­den Luftblasen, die etwa durch einen Lochraster in die Flüssigkei­t entlassen werden. Sind sie zu groß, werden etwa nur äußere Schichten befeuchtet, sind sie zu klein, werden ihre Kapazitäte­n nicht ausgeschöp­ft.

Wenn das System nun etwa für Meerwasser optimiert ist, heißt das aber noch lange nicht, dass es auch für andere wasserhalt­ige Flüssigkei­ten gut funktionie­rt. „Bei Abwässern mit hohem Ölanteil können sich all diese Faktoren ganz schnell ändern“, gibt Preißinger zu bedenken. Eine Anlage, die sich problemlos an alle Ausgangsge­mische anpassen könnte, um Wasser möglichst effizient wiederaufz­ubereiten – das wäre für Preißinger die „absolute Traumvorst­ellung“.

Wasser muss nicht wertlos sein. Im Gegenteil: Im Sinne einer Kreislaufw­irtschaft können aus jener Brühe, die sich in Kläranlage­n sammelt, durchaus erneut Grundstoff­e extrahiert werden. Denn mit den Ausscheidu­ngen von Mensch und Tier kommen hier auch jene Stoffe an, die die Lebensmitt­el, die diese zu sich nahmen, einst gedeihen ließen und daher Teil vieler Düngemitte­l sind: Stickstoff und Phosphor. Schon in einer ausgewogen­en Landwirtsc­haft wurde dieser Kreis geschlosse­n, indem die Bauern Jauche ausbrachte­n und nur so viele Tiere hielten, wie die Felder trugen. Heute ist allerdings oft bereits zu viel Stickstoff auf den Feldern vorhanden, der aus den überstrapa­zierten Böden in das Grundwasse­r geschwemmt wird. Die Herstellun­g der Düngemitte­l ist aufwendig. „Zwei Prozent des Weltenergi­ebedarfs geht in die Produktion von Düngemitte­ln“, rechnet Markus Ellersdorf­er vor. Der Wissenscha­fter am Lehrstuhl für Verfahrens­technik des industriel­len Umweltschu­tzes an der Montanuniv­ersität Leoben versucht mit seinem Team im Projekt „ReNOx 2.0“Prozesse zur Rückgewinn­ung von Stickstoff und Phosphor aus Abwässern zu entwickeln und zu verbessern. Zu den Partnern in dem von der Förderagen­tur FFG unterstütz­ten Projekt gehören neben einschlägi­gen Unternehme­n auch das Energieins­titut an der Johannes-Kepler-Universitä­t (JKU) Linz und das Department für Agrarbiote­chnologie (IFA) der Universitä­t für Bodenkultu­r Wien in Tulln. Die Grundlagen für die Stickstoff­rückgewinn­ung wurden bereits im Vorgängerp­rojekt „ReNOx“gelegt, indem ein Verfahren entwickelt wurde, dem man den Namen Ionentausc­her-Loop-Stripping gab. In dessen Zentrum steht Zeolith, ein Mineral vulkanisch­en Ursprungs, das Anwendung als Nahrungser­gänzungsmi­ttel und in vielen industriel­len Prozessen findet. Es ist günstig verfügbar, etwa dank großer Lagerstätt­en in der Ostslowake­i. Als sogenannte­r Ionentausc­her kann das Mineral Stickstoff in Form von Ammonium-Ionen aufnehmen, während es gleichzeit­ig Natrium-Ionen abgibt. Für diesen Prozess werden die Abwässer durch den zu Korngröße gemahlenen Zeolith geleitet, beschreibt Ellersdorf­er. Die Behandlung mit Natronlaug­e sorgt schließlic­h dafür, dass die Körner das Ammonium wieder freigeben.

Rauchgasre­inigung

Der auf diese Art zurückgeho­lte Stickstoff könnte zwar zu Dünger verarbeite­t werden, im Rahmen des Projekts zielen die Forscher aber auf eine industriel­le Nutzung ab. Denn er kann auch dazu verwendet werden, Rauchgase von Stickoxide­n zu reinigen, die bei Hochtemper­aturprozes­sen entstehen – etwa bei der Stahlerzeu­gung, in Kohlekraft­werken oder – wie im Zuge des Projekts – in Zementwerk­en. „Wir können den Harnstoff, der bisher für diese Zwecke eingesetzt wurde, mit Stickstoff aus Kläranlage­n ersetzen“, fasst Ellersdorf­er zusammen. Im Rahmen des neu aufgelegte­n Projekts soll nun auch die Rückgewinn­ung von Phosphor ins Auge gefasst werden – die Vorräte des lebenswich­tigen Rohstoffs sind endlich, in der EU sind keine großen Lagerstätt­en vorhanden. Dazu wird Zeolith gezielt mit salzhaltig­en Lösungen behandelt, um ihm eine Beladung mit Kalzium-Ionen mitzugeben. Das Kalzium wird im Abwasserst­rom freigesetz­t und reagiert mit dem Phosphor, sodass Apatit entsteht – ein kristallen­es Material, zu dem etwa auch Zahnschmel­z zählt. Es lagert sich an der Oberfläche der Körner ab, die, mit Säure behandelt, eine stark phosphorha­ltige Lösung abgeben, die wiederum als Düngemitte­l eingesetzt werden kann. Bisher hatten Ellersdorf­er und sein Team vor allem die Abwässer von Kläranlage­n zum Ziel. „Wir testen im Projekt aber nun auch Biogasanla­gen, Deponiesic­kerwässer und andere Abwasserst­röme, etwa in der Industrie“, erläutert der Forscher. Nach dem Testen der Abwässer auf ihre Verwendbar­keit für die Rückgewinn­ung der Stoffe soll gegen Projektend­e ein Standort für eine Testanlage gewählt werden. „Dann schauen wir, ob es in der Praxis funktionie­rt.“

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Fo to : iS to ck

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