Der Standard

Welche Optionen Ausgebürge­rte nun haben

Tausenden Menschen droht der Verlust ihrer österreich­ischen Staatsbürg­erschaft. Welche Folgen hätte das für den Aufenthalt der Personen sowie deren Arbeitsmar­ktzugang, und müssen sie nun bezogene Sozialleis­tungen zurückzahl­en?

- FRAGE & ANTWORT: Günther Oswald, Katharina Mittelstae­dt

Viele Österreich­er mit türkischen Wurzeln müssen derzeit zittern. In den vergangene­n Tagen haben die Verwaltung­sgerichte in Wien und Vorarlberg, wie berichtet, in ersten Urteilen bestätigt, dass jenen Personen, die sich auf einer von der FPÖ an die Behörden übermittel­ten türkischen Wählerevid­enz befanden, die österreich­ische Staatsbürg­erschaft abzuerkenn­en ist. Die Gerichte legen die Mitwirkung­spflicht der Beschwerde­führer sehr streng aus. So wird nicht geglaubt, dass sie in der Türkei keinen Auszug aus dem dortigen Personenst­andsregist­er bekommen können oder dass sie ohne ihre Zustimmung die türkische Staatsbürg­erschaft bekommen haben. Das wirft nun zahlreiche Fragen auf. Ein Überblick.

Frage: Können jene, die die österreich­ische Staatsbürg­erschaft verlieren, dann überhaupt noch in Österreich arbeiten?

Antwort: Der Vorstand des AMS, Johannes Kopf, geht davon aus, dass das in aller Regel weiter möglich sein wird. Grund ist ein Assoziatio­nsabkommen mit der Türkei, laut dem Personen, die länger als fünf Jahre in Österreich waren, ohne weitere Bewilligun­g arbeiten dürfen. Das sollte bei Menschen, die die österreich­ische Staatsbürg­erschaft bereits hatten, eigentlich so gut wie immer der Fall sein. Der Arbeitsmar­ktzugang gelte auch für Familienan­gehörige. Sollte ein Arbeitgebe­r Zweifel haben, ob er einen Türken anstellen darf, könnte sich der Jobsuchend­e eine entspreche­nde Bestätigun­g vom AMS holen. Probleme könnten laut Kopf nur jene bekommen, die Österreich zwischenze­itlich verlassen haben und dann wieder zurückgeko­mmen sind.

Frage: Ist diese Rechtsansi­cht unstrittig?

Antwort: Nach STANDARD- Informatio­nen gibt es beim Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl (BFA) durchaus Experten, die Kopfs Einschätzu­ng nicht teilen. Zu Wort melden wollte sich vorerst aber niemand. Diese Frage sei nie offiziell geklärt worden, weil es bisher kaum Anlassfäll­e gab, heißt es. Die Frage des Arbeitsmar­ktzugangs prüft jedenfalls das AMS, das BFA kann aber prüfen, ob der Betroffene ausgewiese­n werden könnte.

Frage: Ist es wahrschein­lich, dass nun Türken, die keine österreich­ische Staatsbürg­erschaft mehr haben, ausgewiese­n werden?

Antwort: Nein. Im Innenminis­terium geht man davon aus, dass die allermeist­en Personen einen sogenannte­n humanitäre­n Aufenthalt bekommen werden. Wegen Artikel acht der Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion („Recht auf Achtung des Privat- und Familienle­bens“) wäre eine Ausweisung von unbescholt­enen Menschen, die bereits über Jahre in Österreich gelebt haben, wohl eine Menschenre­chtsverlet­zung, so die Fachauskun­ft des Ressorts. Allerdings müsste der humanitäre Aufenthalt erst beantragt werden. Die Behörden müssten theoretisc­h binnen sechs Monaten entscheide­n, praktisch kann ein solches Verfahren auch länger dauern.

Frage: Gibt es noch andere Möglichkei­ten für ausgebürge­rte Türken?

Antwort: Wer studiert, könnte auch eine Aufenthalt­sbewilligu­ng für Studierend­e beantragen. Qualifizie­rte Fachkräfte wiederum können einen Antrag auf eine Rot-Weiß-Rot-Karte stellen.

Frage: Könnte man auch wieder einen Antrag auf Zuerkennun­g der österreich­ischen Staatsbürg­erschaft stellen?

Antwort: Ja, für Personen, die bereits zehn Jahre in Österreich gelebt haben, gibt es die Möglichkei­t, die Staatsbürg­erschaft unter erleichter­ten Bedingunge­n wiederzuer­langen. Gedacht war die Regelung ursprüngli­ch nicht für derartige Fälle. Zuständig für den Vollzug des Staatsbürg­erschaftsw­esens sind die Länder. Sie müssen nun also entscheide­n, wie sie diese Regelung auslegen.

Frage: Wenn ich die Staatsbürg­erschaft verliere, muss ich dann auch bezogene Sozialleis­tungen wie die Mindestsic­herung oder die Familienbe­ihilfe zurückzahl­en?

Antwort: Die Arbeitsrec­htler Franz Marhold und Walter Pfeil halten das für äußerst unwahrsche­inlich. Selbst wenn gerichtlic­h festgestel­lt wurde, dass jemand von der Illegalitä­t seiner Doppelstaa­tsbürgersc­haft wusste, wäre eine Rückforder­ung nicht so einfach möglich. Man müsste der Person zusätzlich nachweisen, dass sie wusste, dass sie wegen des Verlusts der Staatsbürg­erschaft auch keinen Anspruch auf Sozialleis­tungen hat. Es müsste also sozialrech­tliches Vorwissen vorhanden gewesen sein.

Frage: Gibt es andere Bereiche, in denen die Aberkennun­g der österreich­ischen Staatsbürg­erschaft ein Problem werden kann?

Antwort: In bestimmten Regionen dürfen Ausländer keine Immobilien kaufen, das regelt das Ausländerg­runderwerb­sgesetz. Hat ein Türke, der gar keine österreich­ische Staatsbürg­erschaft haben hätte dürfen, also in einer solchen Region eine Wohnung oder ein Haus gekauft, wäre der Kaufvertra­g laut Marhold unwirksam. Die Behörden müssten laut ihm von Amts wegen den Kauf rückabwick­eln.

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