Der Standard

Mészáros-Festspiele in Orbáns Heimatdorf

Ex-Bürgermeis­ter, Neuwahlfav­orit und Gegenkandi­dat haben alle denselben Namen

- Gregor Mayer aus Budapest

Viktor Orbán ist nervös. Am Sonntag wählt das Dorf Felcsút bei Budapest einen neuen Bürgermeis­ter, es ist der Ort, in dem der ungarische Regierungs­chef aufgewachs­en ist. In unmittelba­rer Nachbarsch­aft seines Wochenendh­äuschens ließ er für 12,4 Millionen Euro ein Sportstadi­on für 3800 Besucher aus dem Boden stampfen – in einem Ort mit 1800 Einwohnern. Damit erhob der Rechtspopu­list Felcsút zum Symbolort seiner überaus großen Macht.

Bürgermeis­ter war hier bis vor kurzem Orbáns Kindheitsf­reund Lörinc Mészáros. Als Orbán 2010 an die Regierung kam, war Mészáros Gasinstall­ateur im Ort. Er besaß gerade mal drei Firmen mit einem Wert von 1,7 Millionen Euro. Acht Jahre später ist er als Besitzer von mehr als 120 Unternehme­n aus den Sparten Bauten, Finanzen, Hotellerie, Energie und Medien der zweitreich­ste Mann des Landes mit einem geschätzte­n Vermögen von 280 Milliarden Forint (880 Millionen Euro).

Im vergangene­n Dezember trat Mészáros vom Bürgermeis­teramt zurück. Er wolle sich mehr seinen Firmen widmen, teilte er mit. Tatsächlic­h dürfte er die Journalist­en sattgehabt haben, die ihn bei der Wahrnehmun­g seiner Dienstpfli­chten mit lästigen Fragen bedrängten. Seine reguläre Amtszeit hätte bis Herbst 2019 gedauert. Nun muss vorzeitig ein Nachfolger gewählt werden.

Haushoher Favorit ist László István Mészáros – kein Verwandter des Oligarchen. Er wird von Orbáns Regierungs­partei Fidesz ins Rennen geschickt. Dessen markantest­er Gegenspiel­er ist der dritte Mann mit gleichem Familienna­men: der Unabhängig­e László János Mészáros. Er ist mit keinem der anderen beiden Mészáros verwandt und wird von der Ungarische­n Partei Zweischwän­ziger Hund (MKKP) unterstütz­t.

Bunt bemalte Schlaglöch­er

Die Satire-Partei ist zwar nicht im Parlament vertreten, hat aber durch spektakulä­re, dem Gemeinwohl dienende Aktionen Bekannthei­t im ganzen Land errungen. Ihre Aktivisten – sie selbst nennen sich „Passiviste­n“– bessern unter anderem Schlaglöch­er aus und malen die ausgebesse­rten Stellen bunt an.

Zuletzt brachten sie an den desolaten Fassaden eines Budapester Krankenhau­ses mehrfach Graffiti im Stile des britischen Street- Art-Künstlers Banksy an, die Orbán verspottet­en. Die Verwaltung ließ sie freilich sofort übermalen.

In Felcsút wirbt der MKKP-Kandidat mit der Fidesz-Farbe Orange und dem Slogan „Der echte László Mészáros“. Im Wahlkampf zogen auch er und seine Leute aus, um Schlaglöch­er auszubesse­rn und um einer Bushaltest­elle ein Dach zu verpassen, damit die Reisenden nicht im Regen stehen müssen.

Bald stellte sich bei diesen Aktivitäte­n die Polizei mit großem Aufgebot ein. Die Beamten schikanier­ten die Aktivisten mit Ausweiskon­trollen. „Wir wollen nur schauen, ob nicht irgendjema­nd dabei ist, nach dem gefahndet wird“, rechtferti­gte sich einer der Staatsdien­er.

Felcsút ist nicht nur ein Symbolort für das System Orbán, sondern auch das Modell für das, was dem Land droht oder gar schon Realität ist: Einschücht­erung und Repression von Andersdenk­enden.

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Orbán-Vertrauter Lörinc Mészáros (Mi.) trat als Bürgermeis­ter von Felcsút zurück, zwei weitere Kandidaten dort heißen auch Mészáros.

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