Der Standard

Plan B zum Klimaschut­z sorgt für Ernüchteru­ng

Ein kühlender Aerosolsch­leier um die Erde würde keinen Nutzen bringen, befindet eine neue Studie

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Berkeley – „Es wäre wie ein experiment­eller chirurgisc­her Eingriff, bei dem die Nebeneffek­te so schlimm sind wie die Krankheit selbst“: So fasst der Klimaforsc­her Jonathan Proctor (Universitä­t von Kalifornie­n, Berkeley) die ernüchtern­den Ergebnisse seiner jüngsten Studie zum Thema Geoenginee­ring zusammen.

Hinter dem sperrigen Begriff, geprägt in den 1970er-Jahren, verbirgt sich das, was heute immer weniger Wissenscha­fter für einen gangbaren Plan B zum Klimaschut­z halten. Der Grundgedan­ke war eigentlich reizvoll: Wenn die internatio­nalen Bemühungen zur Reduktion von Treibhausg­asemis- sionen nicht fruchten, könnte man die Klimaerwär­mung doch auch durch eine Ingenieurs­leistung in planetaren Dimensione­n ausgleiche­n.

Solar Radiation Management ist die am häufigsten genannte Methode im – immer noch hypothetis­chen – Arsenal der Geoingenie­ure. Sie liefe darauf hinaus, die Sonneneins­trahlung zu reduzieren, indem man in großem Stil Schwefelae­rosole in der Stratosphä­re ausbringt. Diese würden einen Teil des Sonnenlich­ts ins All reflektier­en und damit die Temperatur am Boden senken.

Die Inspiratio­n dafür lieferten Vulkanausb­rüche der vergange- nen Jahrzehnte, insbesonde­re die des Pinatubo 1991 und des El Chichón 1982. Und genau diese beiden Eruptionen nahmen Proctor und sein Kollege Solomon Hsiang nun genauer unter die Lupe. Beide Ausbrüche hatten der Stratosphä­re große Aerosolmen­gen injiziert und zu einer vorübergeh­enden Absenkung der globalen Temperatur­en geführt.

Die Klimadaten verglichen die Forscher anschließe­nd mit der Entwicklun­g der Ernteerträ­ge der wichtigste­n Nahrungspf­lanzen aus 105 Ländern im Zeitraum von 1979 bis 2009. Das im Fachmagazi­n Nature veröffentl­ichte Ergebnis überrascht­e die Forscher, es lief nämlich auf geringfügi­ge Ernteeinbu­ßen bei Kühlung hinaus.

Offenbar kommt es zu zwei Effekten, die einander nivelliere­n: Der verringert­e Hitzestres­s kommt dem Pflanzenwa­chstum zwar zugute – zugleich sinkt durch den geringeren Lichteinfa­ll aber die Photosynth­eseleistun­g und damit die Produktivi­tät. Zumindest für die Landwirtsc­haft wäre die Konstrukti­on eines Aerosolsch­leiers in der Stratosphä­re also sinnlos. Oder wie Hsiang sagt: „Es ist, als würde man mit einer Kreditkart­e eine andere abbezahlen. Am Ende des Tages steht man wieder am Ausgangspu­nkt und hat das Problem nicht gelöst.“

Die Analyse fügt sich damit in eine schon recht lange Reihe von Geoenginee­ring-Studien mit ambivalent­en Ergebnisse­n ein. Dabei sind reine Kosten-Nutzen-Rechnungen ohnehin nur ein Teil des Bildes. Jessica Strefler vom Potsdam-Institut für Klimafolge­nforschung hat sich die Studie angesehen und verweist auf das „gewaltige internatio­nale Konfliktpo­tenzial“von Geoenginee­ring. Schließlic­h wirkt sich jede Änderung des Klimas in verschiede­nen Weltregion­en ganz unterschie­dlich aus. Wenn wir der Erde also eine Klimaanlag­e bauen – wer hätte dann die Befugnis, das Thermostat einzustell­en? (jdo)

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