Der Standard

Blaues Geheimkomm­ando „Historiker­kommission“

Die Arbeit der blauen „Historiker­kommission“, die die FPÖ durchleuch­ten soll, wird unter Verschluss gehalten. Selbst die Mitglieder bleiben geheim. Indessen geistert das „Gespenst von Knittelfel­d“wieder durch die Politik.

- Peter Mayr, Walter Müller

Angst. In der FPÖ geht irgendwie die Angst um. Die Schotten werden dichtgemac­ht, da und dort taucht das „Gespenst von Knittelfel­d“auf, das historisch­e Trauma der FPÖ. 2002 hatte es die Partei, als sie mit der ÖVP unter Kanzler Wolfgang Schüssel koalierte, zerrissen. Jetzt macht sich Nervosität breit, dass sich die Partei in der Regierung wieder aufreiben könnte.

Auch einer der intimsten Kenner der Partei, das FPÖ-Urgestein Andreas Mölzer, sieht das Problem. Natürlich bestehe die Gefahr, dass die FPÖ in der Regierung eingehen könnte.

Die FPÖ müsse den Spagat zwischen der „Partei des kleinen Mannes“und dem wirtschaft­sliberalen Anspruch schaffen. „Das ist nicht leicht“, sagt Mölzer. Die härtere Sozialpoli­tik könne der Partei natürlich durchaus Stimmen kosten – bis zu einem Drittel. „Das haben wir auch schon in der Zeit der Koalition mit Schüssel gesehen. Noch aber sind wir in den Umfragen sehr stabil, die Gefahr ist nicht akut“, sagt Mölzer.

Der ehemalige EU-Abgeordnet­e ist Leiter der blauen „Referenzgr­uppe“, die einer Historiker­kommission zur Aufarbeitu­ng der FPÖ-Geschichte zur Seite gestellt wurde. Auslöser dafür war ein Liederbuch der Burschensc­haft des Niederöste­rreich-Spitzenkan­didaten Udo Landbauer. „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ,Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million‘“, hieß da eine Liedzeile. Der FPÖler trat zurück, die Kommission kam – aber als eine geheime Kommandoak­tion. Denn wie schon bei den Studien der Sozialmini­sterin über die Auswirkung­en der Streichung der Aktion 20.000 für ältere Arbeitslos­e: Alles soll unter Verschluss bleiben.

Keines der Kommission­smitgliede­r darf namentlich genannt werden. „Sie werden erst bei der Präsentati­on des ersten Zwischener­gebnisses im Herbst ihre Identität preisgeben“, sagt Mölzer.

Ob, wie von der FPÖ angekündig­t, auch das Dokumentat­ionsarchiv des österreich­ischen Widerstand­s (DÖW) mitarbeite­n wird? „Ich glaube, Kommission­sleiter Wilhelm Brauneder hatte einmal einen Kontakt. Wir werden nach Vorliegen der ersten Ergebnisse aber auch mit den Kritikern diskutiere­n“, sagt Mölzer.

Auch Brauneder will keine Namen nennen, solange die Ergebnisse nicht vorliegen. Er sagt nur, dass unter den Forschern „nicht nur Österreich­er sind“.

Liedergut im Blick

Vor circa 14 Tagen habe er die Kommission­smitgliede­r gebeten, „zeitnahe ihre Dispositio­nen“abzugeben. Auf zwei Seiten solle eine Art Kurzfassun­g geschriebe­n werden. „Damit habe ich dann zumindest punktuell ein Bild, wie der Bericht aussehen wird“, sagt Brauneder.

Rund sechs Themen werden laut dem emeritiert­en Rechtsprof­essor behandelt. Welche das sind? Brauneder bleibt zurückhalt­end. Eines behandle „die Restitu- tion nach 1945“, ein anderes das Liedergut der Verbindung­en. Bei Letzterem soll es aber nicht nur um die schlagende­n Burschensc­haften gehen, auch der katholisch­en Cartellver­band werde einbezogen, denn: „Hier gibt es Überschnei­dungen.“Ende August wird wieder getagt.

Dass es zu einem Konflikt zwischen der FPÖ-Führungset­age, die die Historiker­gruppe engagiert hat, und den nun in der Partei mächtig vertretene­n Burschensc­haftern kommen könnte, glaubt Mölzer nicht. Diese seien jetzt ohnehin auf allen politische­n Ebenen gut vertreten.

Anders als Mölzer wähnt Politikber­ater Thomas Hofer die FPÖ durchaus auch in der Frage der Burschensc­haften auf einer gefährlich­en Gratwander­ung. Strache werde von dort ja vorgeworfe­n, zu weich zu agieren. „Das ist eine ständige Baustelle, auch Jörg Haider ging es nicht anders mit den Burschensc­haftern, aber jetzt ist diese Gruppe für die Partei als Kader noch viel wichtiger geworden“, sagt Hofer und ergänzt: „Die Angst der Partei ist durchaus gerechtfer­tigt. Sie ist auch in der Sozialpoli­tik sehr verwundbar.“

Die FPÖ laufe sicher Gefahr, einen Teil ihrer Protestwäh­ler zu verlieren. Hofer: „Die Erwartungs­haltung war einfach zu groß. Jahrelang wurde getrommelt: Wir sind die Partei gegen die da oben – und jetzt sind sie selbst dort oben. Das ist schwer aufzulösen.“

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Die Burschensc­haften sollen von der Historiker­kommission der FPÖ auch durchleuch­tet, aber ja nicht verärgert werden.

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