Der Standard

Die Ars Electronic­a 2018 stellt sich den extremen Herausford­erungen, die mit den neuesten Entwicklun­gen der digitalen Technologi­en einhergehe­n.

- Helmut Ploebst

Wer wissen will, was zum Beispiel Fake Noise bewirkt, wie False Positives unser Verhalten darstellen oder was Google mit Bäumen verbindet beziehungs­weise wie ein Lächeln eine politische Einstellun­g erkennen lässt, wird bei der diesjährig­en Themenauss­tellung Error – The Art of Imperfecti­on der Ars Electronic­a (6. bis 10. September) so manches Aha-Erlebnis haben.

Diese Doppelscha­u wird im hohen, weiten Obergescho­ß und im Labyrinth des tiefgelege­nen Bunkers der Post City gleich neben dem Linzer Bahnhof eingericht­et.

Oben sind unter der Bezeichnun­g Error Arbeiten versammelt, die aus wissenscha­ftlichen und technologi­schen Motivation­en entwickelt wurden, unten bilden Werke, die aus künstleris­chen Impulsen heraus entstanden sind, eine Art of Imperfecti­on.

Im wissenscha­ftlichen Teil werde „von der eigentlich­en Definition des Errors“ausgegange­n, erläutert Festivalle­iter Gerfried Stocker: Demnach sei ein Error „kein Fehler oder Missgeschi­ck, sondern die Abweichung von einer erwarteten Norm“.

Dieser thematisch­e Hauptvekto­r schlage auf beide Seiten hin aus, „entweder in Richtung Fehler, also dorthin, wo wirklich etwas schiefgeht, oder in den Bereich des Fakes, wo absichtlic­h etwas gefälscht wird“.

Erzählt wird bei Error also „die Geschichte vom Missgeschi­ck bis hin zur absichtlic­hen Täuschung und Fälschung“.

Beide bildeten, sagt Stocker, „zentrale Themen in der aktuellen Entwicklun­g zur Technologi­e und Gesellscha­ft“.

Auch bei den künstleris­chen Positionen in The Art of Imperfecti­on ist auf eine besondere Gemeinsamk­eit hinzuweise­n.

Die Kunst der Korrektur

Die Künstlerin­nen und Künstler zeigen da nicht nur Fehler auf, sondern bemühen sich auch um Ideen und Vorschläge zur Korrektur von Irrungen und falschen Entwicklun­gen.

Unter dem Titel Mare Clausum untersuche­n Forensic Architectu­re, eine unabhängig­e For- schungsabt­eilung von Goldsmiths, University of London, und das Forschungs­projekt Forensic Oceanograp­hy investigat­iv die Fluchtbedi­ngungen übers Mittelmeer.

Und der Linzer Künstler Anatol Bogendorfe­r befasst sich in seiner Installati­on Fake Noise mit den Auswirkung­en des Auseinande­rdriftens von Sinneseind­rücken: Denn sobald die Wirklichke­it und die Aussagen darüber auseinande­rlaufen, sei der gesellscha­ftliche Zusammenha­lt gefährdet.

Hinter dieser Rauminszen­ierung steht auch Gerfried Stockers grundsätzl­iche Frage: „Wieso ist aus diesem Traum des Internets, dem Traum der Freiheit, ein Alb- traum von Angst und Hass geworden?“Einen Teil der Antwort darauf liefert die Niederländ­erin Esther Hovers mit ihrem Projekt False Positives über smarte Überwachun­gssysteme, die normabweic­hendes Verhalten im öffentlich­en Raum feststelle­n.

Ein anderer lässt sich aus The Art of Deception von Isaac Monté und Toby Kiers ableiten, in dem die Frage gestellt wird, ob auch innere Organe wie Herzen zu ästhetisch­en Zwecken manipulier­t werden könnten.

Die Möglichkei­ten des Missbrauch­s von Bio- und Gentechnol­ogie sieht Stocker als „eine der größten Bedrohunge­n für das, was wir als das Menschlich­e bezeichnen“. Wie mit all dem umzugehen ist, stellt heute eine der großen Herausford­erungen dar. Diese wird bei Error – The Art of Imperfecti­on anschaulic­h gemacht.

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Highlights der Medienkuns­t in Linz: Die Installati­on „ObOrO“des Japaners Ryo Kishi gehört zum „Error“-Feld der zweiteilig­en Festival-Themenauss­tellung in der Post City.

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