Der Standard

Portugal als Steuerpara­dies der Alten, Berühmten und Reichen

Eine Steuerbefr­eiung in Portugal, die vor allem gutbetucht­e Ausländer ins Land locken soll, stößt auf immer lauter werdende Kritik

- Jan Marot aus Lissabon

Es ist verlockend: Zehn Jahre keine Einkommens­teuer auf seine Pensionsbe­züge zu bezahlen, während man von seinem Haus an der portugiesi­schen Algarve auf den Atlantik blickt, und an einem Gläschen Vinho Verde nippt. Dazu können Pensionist­en für zehn Jahre Zuverdiens­te stark steuerverm­indert tätigen.

Denn selbst als ausländisc­he „Schlüsselk­raft“in Spitzenloh­nberufen – als Architekt, Anwalt oder Arzt etwa – muss man nur 20 Prozent an den Fiskus abliefern, anstelle des in Portugal üblichen Spitzenste­uersatzes in Höhe von 50 Prozent. Voraussetz­ung ist es, die letzten fünf Jahre nicht in Portugal gemeldet gewesen zu sein. Und man muss ein Eigenheim oder eine Mietwohnun­g haben sowie 183 Tage im Jahr in Portugal fest wohnhaft sein.

Die Lockwirkun­g ließ nicht lange auf sich warten. Für Mittel- und Nordeuropa niedrige Lebenshalt­ungskosten und attraktive­res (Winter-)Wetter haben eben ihren Reiz. In den letzten Jahren haben sich gemäß der Wirtschaft­szeitung Jornal de Negócios mehr als 10.000 ausländisc­he Staatsbürg­er, darunter mehrheitli­ch Pensionist­en, aus 95 verschiede­nen Nationen in Portugal niedergela­ssen – mit einer Zuwachsrat­e von etwa sechs bis sieben Prozent jährlich in den Jahren 2016 und 2017. Vergangene­s Jahr waren von über 61.000 Neuzuwande­rern neun Prozent über 65 Jahre alt.

Zu den Vermögende­n, die es nach Portugal zieht, zählen auch Stars wie Popikone Madonna. Seit 2017 genießt sie den Status eines „Residente não habitual“(„nicht gewöhnlich ansässig“, RNH) in ihrem Haus in Lissabon. Denn auch gemäß Pricewater­house Coo- pers sind Urheberrec­htseinkünf­te steuerfrei. Die betuchte Enkelin von Spaniens Ex-Diktator Francisco Franco, Carmen Martínez Bordiú, kaufte sich, nachdem sie ein millionens­chweres Erbe nach der einzigen Tochter des „Generaliss­imo“angetreten hatte, ein Anwesen in Portugal.

Franzosen ziehen westwärts

Vor allem die Franzosen zieht es zuletzt nach Portugal, 1500 waren es 2017. Aber auch 1000 Spanier und mehr als 500 Finnen fanden Gefallen an dem westeuropä­ischen Land. Diese Entwicklun­g veranlasst­e die finnische Regierung Ende April 2018 zur Drohung an Lissabon, „die bilaterale­n Steuerabko­mmen zu überdenken“. Ein neues Abkommen, das es der finnischen Finanz erlaubt, Pensionsbe­züge nach Portugal zu besteuern, ist unterferti­gt. In Kraft getreten ist es noch nicht. Schwe- den drohte selbiges an. Neidig ist auch Nachbar Spanien, wo man einen „unlauteren Wettbewerb“um Pensionist­en anprangert.

Der Eurogruppe­n-Chef und Portugals Ex-Finanzmini­ster Mário Centeno (PS) sieht sich „punktuell mit Kritik konfrontie­rt“und stellte eine „Reform bis Juni dieses Jahres“in Aussicht. Passiert ist noch nichts. Die Sonderrege­lung würde, entgegen der Kritik von EU-Staaten, „keinesfall­s das gemeinscha­ftliche Steuerrech­t der EU brechen“, betont auch der mit der Schaffung des gesetzlich­en Rahmens 2009 beauftrage ExStaatsse­kretär für Finanzen Carlos Baptista Lobo.

Es war einst José Sócrates, der sozialisti­sche Ex-Premier, der die Weichenste­llung vorgenomme­n hatte und diese für Ausländer attraktive Form der Aufenthalt­sbewilligu­ng gesetzlich verankern ließ. Aktuell steht er nach neun Monaten U-Haft wegen Korruption­svorwürfen vor Gericht.

Für die Staatskass­e läuft es scheinbar gut, der amtierende Regierungs­chef António Costa (PS) will nichts ändern. Zwar entgingen der Staatskass­e, wie das Finanzmini­sterium errechnete, 2017 rund 433 Mio. Euro an Lohnsteuer­einnahmen. Doch die Abgaben des Kollektivs würden die Vermögenss­teuern auf Immobilien wettmachen. Diese Aussage bezieht er vor allem auf die Mehrwertst­euer – Konsum würde die Wirtschaft ankurbeln. Konkrete Zahlen nennt man aber keine. Costa, der aus der Minderheit, gestützt von Kommuniste­n (PCP), dem antikapita­listischen Bloco de Esquerda und der Tierschutz-Partei PAN, regiert, muss sich im Oktober 2019 der Wiederwahl stellen. Insbesonde­re seitens des Bloco will man den RNH-Status schon sehr bald fallen sehen.

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