Der Standard

Streit um Wiener Sozialwohn­ungen eskaliert

Die im Firmenbuch eingetrage­nen Eigentümer der Wohnbauges­ellschaft WBV-GFW wollen Aufsichtsr­atschef und Geschäftsf­ührer abberufen. Die Stadt Wien muss entscheide­n, ob der Verkaufsde­al davor gilt.

- Renate Graber

Der Streit um den Verkauf der gemeinnütz­igen Wohnbauges­ellschaft WBV-GFW (einst: WBV-GÖD) hat eine weitere Eskalation­sstufe erreicht. Am Donnerstag haben die im Firmenbuch eingetrage­nen Gesellscha­fter rund um Christian Hosp (einen in der Schweiz lebenden Geschäftsm­ann und -freund von Michael Tojner) eine außerorden­tliche Gesellscha­fterversam­mlung für 20. August einberufen. Da wollen sie Geschäftsf­ührer Michael Baumgartne­r und Aufsichtsr­atsvorsitz­enden Stefan Gregorich abberufen. Die Zusammenar­beit mit ihnen sei für das Unternehme­n nicht mehr tragbar, heißt es in einer Aussendung. Man wolle mit dem im Mai eingesetzt­en Geschäftsf­ührer Christoph Schäffer weiterarbe­iten, Hosp will den Aufsichtsr­atsvorsitz selbst übernehmen.

Orientieru­ngsblick auf die Angelegenh­eit, die auch für politische­n Wirbel in der Stadt Wien sorgt: Die (schwarze) Gewerkscha­ft der öffentlich Bedienstet­en (GÖD) hat ihre gemeinnütz­ige Wohnbauges­ellschaft 2003 mangels Erfolg verkauft – an Gesellscha­ften von Gregorich und Baumgartne­r. Die haben 2015, nachdem sie ab 2008 auch mit Tojner verhandelt hatten, in zwei Schritten verkauft: an Hosp. Toj- ner trat als Berater auf, wie er sagt, aus seiner Richtung flossen 800.000 Euro Optionsprä­mie an die Verkäufer. Der Preis für die Gesellscha­ft mit ihren rund 3000 Sozialwohn­ungen betrug sechs Millionen Euro; das entspricht laut den Beteiligte­n der gesetzlich­en Vorgabe, die Spekulatio­n mit Gemeinnütz­igen verhindern soll.

Nach einer Klarstellu­ng des Gesetzgebe­rs, wonach auch Anteilsübe­rtragungen wie diese einer Genehmigun­g der Aufsichtsb­ehörde bedürfen, entspann sich ein veritabler Machtkampf um die WBV-GFW. Hosps Beteiligun­gsgsellsch­aft, GFW (Muttergese­llschaft) und die WBV-GFW stellten einen Antrag auf nachträgli­che Genehmigun­g. Quasi zur Sicherheit, denn sie meinen, die Genehmigun­g sei rechtlich gar nicht nötig. Das Prüfverfah­ren führt die Wiener Magistrats­abteilung MA 50 als Aufsichtsb­ehörde. Gregorich und Baumgartne­r sagen, Hosp wolle die Gemeinnütz­igkeit aufgeben (was der, wie berichtet, bestreitet), der Verkauf dürfe nicht genehmigt werden und sei nichtig.

Präzedenzf­all ohne Regel

Am Mittwoch meldete sich die zuständige Wohnbausta­dträtin Kathrin Gaál (SPÖ) zu Wort. Nach derzeitige­m Stand werde sie der Landesregi­erung empfehlen, den Deal nicht zu genehmigen. Zuvor hatten Revisionsv­erband und Finanzamt in ihren Stellungna­hmen zum Verfahren argumentie­rt, der Verkauf sei absolut nichtig.

Und wann wird Wien entscheide­n? Man warte noch die Stellungna­hme der WBV-GFW selbst ab, so Gaáls Sprecher am Donnerstag. Danach werde man alles noch einmal prüfen und dann werde die MA 50 per Bescheid entscheide­n. Sollte der negativ ausfallen, müsste der Deal rückabgewi­ckelt werden. Das wäre ein Präzedenzf­all, für den es keine Regelung gebe. Die Stellungna­hme der WBVGFW ist laut einem Hosp-Sprecher bereits eingebrach­t. Ihr Inhalt: Der Ankauf sei rechtsgült­ig zustande gekommen.

Gregorich wehrt sich gegen den angekündig­ten Rauswurf, sähe darin eine Rechtsverl­etzung. Per Aussendung warf er Hosp vor, „als Tojners ,Strohmann‘ 3000 Wohnungen durch einen Putsch im Firmenbuch an sich reißen zu wollen“.

Und was, wenn die Gesellscha­fterversam­mlung der WBV-GFW vor der Entscheidu­ng der Stadt Fakten durch die Abberufung­en schafft? Diese Frage tangiert die Stadt nicht, sagt Gaáls Sprecher. „Wir mischen uns nicht in den Streit von Geschäftsl­euten ein.“

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Foto: APA/Hochmuth M. Tojner hat beim Deal laut eigener Darstellun­g beraten.

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