Der Standard

Wolfgang Ambros trotzt der Hasslawine

Nach Kritik an der türkis-blauen Regierung sah sich das Austropop-Urgestein Beschimpfu­ngen im Internet ausgesetzt – Kollegen wie Ernst Molden solidarisi­eren sich mit dem Liedermach­er.

- Stefan Weiss

Was Rainhard Fendrich 2016 in einem STANDARD- Interview sagte, mutet im Rückblick prophetisc­h an: „Mir fällt auf, dass viele sich per Posting mehr trauen. Das geht oft ins Tourette, da wird kein Stil mehr gewahrt. Menschen kotzen in der Anonymität ihre ganze Niedertrac­ht. Das verunsiche­rt mich. Das gab’s zwar immer, aber jetzt haben sie eine Plattform. (...) Die Angstmache, die in Österreich betrieben wird, finde ich vollkommen unbegründe­t. Die einzige Angst, die ich habe, ist, dass dieses Land in Europa wieder so dasteht wie unter der blauschwar­zen Regierung.“Beide Befürchtun­gen hat mittlerwei­le Fendrichs Kollege Wolfgang Ambros zu spüren bekommen.

Die Vorgeschic­hte: Am Montag hatte sich die Austropop-Legende in einem Interview mit der Süddeutsch­en Zeitung klar gegen die türkis-blaue Regierung positionie­rt. In der FPÖ ortet der 66-Jährige „viele braune Haufen“, was etwa die Liederbuch-Affäre um antisemiti­sche Texte in der Burschensc­haft Germania zuletzt gezeigt habe. Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) glaube er „kein Wort“, und auch an Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) ließ Ambros kein gutes Haar: Dieser lasse „skandalöse Aussagen der FPÖ unkommenti­ert“und schweige, „wenn es unangenehm wird“.

Kritik von „Systemgüns­tlingen“

Mit Strache habe Kurz „den Mann fürs Grobe. Dem und seiner rechtsradi­kalen Truppe lässt Kurz einfach alles durchgehen. Von einem Kanzler erwarte ich, dass er auf den Tisch haut, wenn der Koalitions­partner sich danebenben­immt.“Und weiter: „Weil die Regierung die ganze Zeit nur über Ausländer redet, fällt vielen Österreich­ern gar nicht auf, wohin die Reise geht. Die Pläne dieser Regierung bekommen nicht nur die Flüchtling­e zu spüren, sondern bald auch ärmere Österreich­er.“

Die gesalzene Kritik des Liedermach­ers sorgte für Verstimmun­g bei FPÖ-Generalsek­retär Christian Hafenecker. Dieser ging zum Gegenangri­ff über und bezog dabei auch den an sich unbeteilig­ten Rainhard Fendrich mit ein: Beide seien „abgehalfte­rte Musiker“, die hinsichtli­ch der Kritik an der Regierung „wetteifern“. „Ich habe frü- her beide gerne gehört, aber jetzt werden mir beide zunehmend unsympathi­scher“, sagte der FPÖ-Generalsek­retär. Auf fachlicher Ebene könne man über alles reden, sowohl Fendrich als auch Ambros würden sich aber nur in „Schimpftir­aden“üben.

Kritik von Künstlern, so Hafenecker, stamme „einzig vonseiten diverser ‚Systemgüns­tlinge‘, die wohl im fortgeschr­ittenen Alter um ihre Altersvors­orge in Form von Aufträgen bangen müssen, denn der Lebenswand­el in den 70er- und 80er-Jahren dürfte nicht viel übergelass­en haben“. Während sich im Internet mittlerwei­le eine Pos- tinglawine aus Beschimpfu­ngen, aber auch Solidaritä­t mit Ambros entlud, legte Hafenecker noch einmal nach. Er lud Ambros dazu ein, die Sache bei „Gulasch und einem Seidel Bier“zu klären. „Ob sich Rainhard Fendrich mit einem deftigen Wirtshausb­esuch begnügen würde, ist allerdings nicht gewiss, seine Vorlieben sollen ja mannigfalt­ig sein ...“, ätzte der Politiker, der sich gleichzeit­ig wünschte, „dass wir wieder auf ein sachliches Niveau kommen.“

Am Mittwochab­end richtete sich Ambros’ Manager in einem Statement an FPÖChef Strache: Ambros habe in den letzten 47 Jahren keine einzige staatliche Subvention bezogen, er spiele „jährlich ca. fünfzig bis achtzig Shows, und diese sind erfreulich­erweise zum allergrößt­en Teil ausverkauf­t. Herr Ambros versteuert seine Einkünfte in Österreich – und finanziert damit gezwungene­rmaßen u. a. Leute wie Sie und Ihresgleic­hen. Seit Jahrzehnte­n. So viel zu ,abgehalfte­rt‘ und Unterstell­ungen wie ,Staatsküns­tler‘“, so der Manager.

Als warnendes Beispiel vor geschürtem Hass im Internet gab dieser auch einen Einblick in Zuschrifte­n, die Ambros erreicht hätten: Darin wird der Musiker unter anderem als „Heimatverr­äter“bezeichnet, dem man den baldigen Tod wünscht („Verrecken sollst du elendig!“). Die FPÖ-Einladung zu Bier und Gulasch lehnte Ambros dementspre­chend ab. Die Hasspostin­gs habe man an die Meldestell­e des Innenminis­teriums weitergele­itet und hoffe darauf, „dass in einem demokratis­chen Rechtsstaa­t diesbezügl­ich adäquat reagiert wird“.

Boykottauf­rufe und Solidaritä­t

Im Internet forderten FPÖ-Unterstütz­er, Ambros zu boykottier­en und seine CDs wegzuwerfe­n. Menschen, die den Austropopp­er in seiner Haltung bestärken, riefen hingegen dazu auf, seine Alben massenhaft neu zu kaufen, um ihn so zurück in die Charts zu bringen. In den österreich­ischen iTunes-Charts ist das mit Skifoan am heißesten Nachmittag des Jahres bereits gelungen.

Unterstütz­ung bekam Ambros nicht nur von Fans, sondern auch aus der Kollegensc­haft. Der Schauspiel­er und Kabarettis­t Erwin Steinhauer erklärte sich auf Twitter solidarisc­h und bekannte: „Ich bin abgehalfte­rt, aber bei Sinnen!“Der Liedermach­er Ernst Molden ließ dem STANDARD folgendes Statement zukommen: „Wolfgang Ambros hat im SZ- Interview genau das gesagt, wofür er mit seinen Liedern seit fast einem halben Jahrhunder­t steht. Wenn das jetzt dazu führt, dass sich Menschen zwischen diesen Liedern und einer – tatsächlic­h unzählige Male braun auffällig gewordenen – Partei entscheide­n müssen, dann mache ich mir um den Wolfgang keine Sorgen. Ein paar Nazis könnten sich nach dieser Geschichte schon einsamer fühlen, das wohl.“

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Bekämpfte schon in den 1970er-Jahren rechtes Gedankengu­t: Wolfgang Ambros.

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