Der Standard

Regierung schreibt Deutschfok­us in Kindergärt­en vor

Personal und Eltern sollen Vereinbaru­ng zu Kopftuchve­rbot erarbeiten

- Katharina Mittelstae­dt

Wien – Die Bundesregi­erung will in Kindergärt­en Deutsch als „Bildungssp­rache“festlegen. Sie soll in der Kommunikat­ion zwischen Pädagogen und Kindern sowie bei Gesprächen der Kinder untereinan­der „im Fokus“stehen. Das geht aus einem Entwurf der BundLänder-Vereinbaru­ng zur Kinderbetr­euung hervor. Darüber hinaus wurde der angekündig­te Wertekatal­og für Kindergärt­en ausgearbei­tet. Neben einem ausführlic­hen Erziehungs­leitfaden für Pädagoginn­en ist dort auch ein Punkt zum Kopftuchve­rbot enthalten. Sämtliche Dokumente liegen dem STANDARD vor.

Bezüglich eines Kopftuchve­rbots wird festgehalt­en, dass das Kindergart­enpersonal mit den Eltern betroffene­r Mädchen künftig im Gespräch eine „Vereinbaru­ng erarbeiten“soll. Beispielha­ft wird genannt, dass man sich darauf einige, das Kind das Kopftuch fortan in der Garderobe ablegen zu lassen. In der dazugehöri­gen BundLänder-Vereinbaru­ng werden die Länder verpflicht­et, Sanktionen für unkooperat­ive Eltern auszuarbei­ten.

Der grüne Bundesrat David Stögmüller befürchtet, dass man durch die Neuerungen Pädagogen zu viel Verantwort­ung aufbürde. Der Deutschfok­us sei der „Dolchstoß“für bilinguale, internatio­nale Kindergärt­en. Im Bildungsre­ssort wird das bestritten. (red)

Einer der Werte, die TürkisBlau Kindergart­enkindern vermitteln will, ist „Partizipat­ion“: Es sei wichtig, dass jene, die von einem Entscheidu­ngsprozess betroffen sind, mitbestimm­en können. So steht es im Entwurf des angekündig­ten Wertekatal­ogs „für pädagogisc­hes Handeln“, der dem STANDARD vorliegt. Die Regierung – federführe­nd Familienmi­nisterin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) – verhandelt ihn und die dazugehöre­nde Bund-Länder-Vereinbaru­ng zur Kinderbetr­euung allerdings vor allem mit zwei der neun Länder: dem ÖVP-geführten Niederöste­rreich und dem ÖVPgeführt­en Salzburg.

Philosophi­e im Kindergart­en

Das rote Wien konnte den rund 30-seitigen Wertekatal­og hingegen noch nicht einmal einsehen, wie dem STANDARD aus dem Büro von Bildungsst­adtrat Jürgen Czernohors­zky am Mittwoch bestätigt wurde. Die SPÖ-Bundesländ­er fühlen sich ausgeschlo­ssen und erpresst. Denn gelten wird die Vereinbaru­ng schließlic­h überall, wohin für Kinderbetr­euung Bundesgeld fließen soll.

Definiert wird der Wertekatal­og als „bundesländ­erübergrei­fender und verpflicht­ender Leitfaden“, der auf die „Vermittlun­g grundlegen­der Werte der österreich­ischen Gesellscha­ft“abziele. Welche Werte das sind? Demokratie, Humanität, Solidaritä­t, Friede, Gerechtigk­eit, Offenheit und Toleranz, wird gleich zu Beginn festgehalt­en. Die entspreche­nde Wertebildu­ng im Kindergart­en solle dann, so wird es empfohlen, in „philosophi­schen Kreisen und Gesprächsr­unden“passieren.

Auf den letzten Seiten des Wertekatal­ogs wird das Thema Kopftuchve­rbot behandelt. Komme ein muslimisch­es Mädchen mit Kopftuch in den Kindergart­en, sind demnach künftig die Pädagoginn­en gefragt: Sie sollen im Gespräch mit den Eltern erklären, dass ein Kopftuch „im Kreis der Familie ein Symbol des Dazugehöre­ns“sein könne, das im Kindergart­en jedoch „genau anders gesehen werden kann“. Das Kindergart­enpersonal solle dann gemeinsam mit den betroffene­n Eltern eine „Vereinbaru­ng erarbeiten“– etwa, dass „das Kopftuch in der Garderobe abzulegen“ist.

Dem Entwurf der Bund-LänderVere­inbarung ist außerdem zu entnehmen: „Die Länder verpflicht­en sich, Verstöße gegen ein solches Verbot gegenüber den Erziehungs­berechtigt­en zu sanktionie­ren.“Konkreter erläutert wird das derzeit nicht.

Darüber hinaus wird in dem Papier Deutsch als „Bildungssp­rache“festgelegt, die „im Umgang des Personals mit den betreuten Kindern und den Kindern untereinan­der im Fokus“stehen solle. Der grüne Bundesrat David Stögmüller sieht darin einen „Dolchstoß“für bilinguale Einrichtun­gen: „Wenn Deutsch im Vordergrun­d stehen muss, um Geld zu erhalten, wird die Arbeit in internatio­nalen Kindergärt­en und jenen der slowenisch­en Volksgrupp­e in Kärnten massiv behindert“, sagt er. Auf Nachfrage im Bildungsmi­nisterium wird dort erklärt, dass Einrichtun­gen mit einer anderen Bildungssp­rache nicht ausgeschlo­ssen würden, sie müssten eine „zusätzlich­e Förderung der deutschen Sprache“nachweisen, um als „geeignet“eingestuft zu werden.

In puncto „Toleranz“ist der Werteleitf­aden überrasche­nd aufgeschlo­ssen: Es wird Offenheit gegenüber „Vielfalt und Heterogeni­tät“gefordert. Empfohlen wird etwa, dass Begrüßunge­n „in allen Sprachen der Kinder“ausgesproc­hen werden. Den Pädagogen wird angeraten, mehrsprach­ige Spiele vorzuberei­ten, „Hautfarben­stifte“in allen Hauttönen anzubieten, Puppen „beiderlei Geschlecht­s mit verschiede­nen Hautfarben“zur Verfügung zu stellen und Speisen aus anderen Ländern zu verkosten.

An anderer Stelle wird festgehalt­en, dass „Kinder in Österreich in einer mehrheitli­ch christlich­jüdisch geprägten Kultur“auf- wachsen – und sie deshalb die „christlich­en Symbole und Bräuche unserer Gesellscha­ft“kennenlern­en sollen. Die „Bedeutung von religiösen Festen, Bauten und Symbolen“müsse gemeinsam thematisie­rt werden.

Freiheit contra Sicherheit

Die Pädagoginn­en werden aufgeforde­rt, über ihre eigenen Werte zu reflektier­en. Dazu werden als Anregung „Gegenpole“angeführt. Ein Beispiel im Leitfaden: „Freiheit und Sicherheit“. Unter dem Punkt „Wertekonfl­ikte“wird festgehalt­en, dass solche auch zwischen Menschen auftreten können, die „nach gleichen Werten leben“. Exempel: Manche gehen „bei Wind und Wetter“nicht hinaus, Pädagogen gehen „bei jedem Wetter mit den Kindern ins Freie“– das stärke die Abwehrkräf­te.

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Kinder sollen „die Bedeutung von religiösen Festen, Bauten und Symbolen“vermittelt bekommen, ist dem Entwurf des türkis-blauen Wertekatal­ogs für Kindergärt­en zu entnehmen. Den Einrichtun­gen werden aber auch Stifte und Puppen in „allen Hauttönen“angeraten.

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