Regierung schreibt Deutschfokus in Kindergärten vor
Personal und Eltern sollen Vereinbarung zu Kopftuchverbot erarbeiten
Wien – Die Bundesregierung will in Kindergärten Deutsch als „Bildungssprache“festlegen. Sie soll in der Kommunikation zwischen Pädagogen und Kindern sowie bei Gesprächen der Kinder untereinander „im Fokus“stehen. Das geht aus einem Entwurf der BundLänder-Vereinbarung zur Kinderbetreuung hervor. Darüber hinaus wurde der angekündigte Wertekatalog für Kindergärten ausgearbeitet. Neben einem ausführlichen Erziehungsleitfaden für Pädagoginnen ist dort auch ein Punkt zum Kopftuchverbot enthalten. Sämtliche Dokumente liegen dem STANDARD vor.
Bezüglich eines Kopftuchverbots wird festgehalten, dass das Kindergartenpersonal mit den Eltern betroffener Mädchen künftig im Gespräch eine „Vereinbarung erarbeiten“soll. Beispielhaft wird genannt, dass man sich darauf einige, das Kind das Kopftuch fortan in der Garderobe ablegen zu lassen. In der dazugehörigen BundLänder-Vereinbarung werden die Länder verpflichtet, Sanktionen für unkooperative Eltern auszuarbeiten.
Der grüne Bundesrat David Stögmüller befürchtet, dass man durch die Neuerungen Pädagogen zu viel Verantwortung aufbürde. Der Deutschfokus sei der „Dolchstoß“für bilinguale, internationale Kindergärten. Im Bildungsressort wird das bestritten. (red)
Einer der Werte, die TürkisBlau Kindergartenkindern vermitteln will, ist „Partizipation“: Es sei wichtig, dass jene, die von einem Entscheidungsprozess betroffen sind, mitbestimmen können. So steht es im Entwurf des angekündigten Wertekatalogs „für pädagogisches Handeln“, der dem STANDARD vorliegt. Die Regierung – federführend Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) – verhandelt ihn und die dazugehörende Bund-Länder-Vereinbarung zur Kinderbetreuung allerdings vor allem mit zwei der neun Länder: dem ÖVP-geführten Niederösterreich und dem ÖVPgeführten Salzburg.
Philosophie im Kindergarten
Das rote Wien konnte den rund 30-seitigen Wertekatalog hingegen noch nicht einmal einsehen, wie dem STANDARD aus dem Büro von Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky am Mittwoch bestätigt wurde. Die SPÖ-Bundesländer fühlen sich ausgeschlossen und erpresst. Denn gelten wird die Vereinbarung schließlich überall, wohin für Kinderbetreuung Bundesgeld fließen soll.
Definiert wird der Wertekatalog als „bundesländerübergreifender und verpflichtender Leitfaden“, der auf die „Vermittlung grundlegender Werte der österreichischen Gesellschaft“abziele. Welche Werte das sind? Demokratie, Humanität, Solidarität, Friede, Gerechtigkeit, Offenheit und Toleranz, wird gleich zu Beginn festgehalten. Die entsprechende Wertebildung im Kindergarten solle dann, so wird es empfohlen, in „philosophischen Kreisen und Gesprächsrunden“passieren.
Auf den letzten Seiten des Wertekatalogs wird das Thema Kopftuchverbot behandelt. Komme ein muslimisches Mädchen mit Kopftuch in den Kindergarten, sind demnach künftig die Pädagoginnen gefragt: Sie sollen im Gespräch mit den Eltern erklären, dass ein Kopftuch „im Kreis der Familie ein Symbol des Dazugehörens“sein könne, das im Kindergarten jedoch „genau anders gesehen werden kann“. Das Kindergartenpersonal solle dann gemeinsam mit den betroffenen Eltern eine „Vereinbarung erarbeiten“– etwa, dass „das Kopftuch in der Garderobe abzulegen“ist.
Dem Entwurf der Bund-LänderVereinbarung ist außerdem zu entnehmen: „Die Länder verpflichten sich, Verstöße gegen ein solches Verbot gegenüber den Erziehungsberechtigten zu sanktionieren.“Konkreter erläutert wird das derzeit nicht.
Darüber hinaus wird in dem Papier Deutsch als „Bildungssprache“festgelegt, die „im Umgang des Personals mit den betreuten Kindern und den Kindern untereinander im Fokus“stehen solle. Der grüne Bundesrat David Stögmüller sieht darin einen „Dolchstoß“für bilinguale Einrichtungen: „Wenn Deutsch im Vordergrund stehen muss, um Geld zu erhalten, wird die Arbeit in internationalen Kindergärten und jenen der slowenischen Volksgruppe in Kärnten massiv behindert“, sagt er. Auf Nachfrage im Bildungsministerium wird dort erklärt, dass Einrichtungen mit einer anderen Bildungssprache nicht ausgeschlossen würden, sie müssten eine „zusätzliche Förderung der deutschen Sprache“nachweisen, um als „geeignet“eingestuft zu werden.
In puncto „Toleranz“ist der Werteleitfaden überraschend aufgeschlossen: Es wird Offenheit gegenüber „Vielfalt und Heterogenität“gefordert. Empfohlen wird etwa, dass Begrüßungen „in allen Sprachen der Kinder“ausgesprochen werden. Den Pädagogen wird angeraten, mehrsprachige Spiele vorzubereiten, „Hautfarbenstifte“in allen Hauttönen anzubieten, Puppen „beiderlei Geschlechts mit verschiedenen Hautfarben“zur Verfügung zu stellen und Speisen aus anderen Ländern zu verkosten.
An anderer Stelle wird festgehalten, dass „Kinder in Österreich in einer mehrheitlich christlichjüdisch geprägten Kultur“auf- wachsen – und sie deshalb die „christlichen Symbole und Bräuche unserer Gesellschaft“kennenlernen sollen. Die „Bedeutung von religiösen Festen, Bauten und Symbolen“müsse gemeinsam thematisiert werden.
Freiheit contra Sicherheit
Die Pädagoginnen werden aufgefordert, über ihre eigenen Werte zu reflektieren. Dazu werden als Anregung „Gegenpole“angeführt. Ein Beispiel im Leitfaden: „Freiheit und Sicherheit“. Unter dem Punkt „Wertekonflikte“wird festgehalten, dass solche auch zwischen Menschen auftreten können, die „nach gleichen Werten leben“. Exempel: Manche gehen „bei Wind und Wetter“nicht hinaus, Pädagogen gehen „bei jedem Wetter mit den Kindern ins Freie“– das stärke die Abwehrkräfte.