Der Standard

Weber tritt an

Das gemeinsame Europa brauche dringend eine Erneuerung, müsse die internen Spaltungen überwinden, viel näher an die Bürger heran, erklärt Manfred Weber. Der EVPFraktio­nschef will der nächste Präsident der EU-Kommission werden.

- Thomas Mayer

EVP-Fraktionsc­hef und Kandidat für den Posten des Kommission­spräsident­en, Manfred Weber, sagt EU-Gegnern den Kampf an.

Manfred Weber kommt ein paar Minuten zu spät, um vor Journalist­en in Brüssel die wichtigste Erklärung seines Lebens als Politiker abzugeben. Als Ort hatte der Fraktionsc­hef der europäisch­en Christdemo­kraten die Vorhalle eines Sitzungsra­umes im EU-Parlament gewählt.

Dieses sei „das Herz der Demokratie“, er sei „sehr stolz ein Parlamenta­rier zu sein“, wird er am Ende sagen, und das noch unterstrei­chen mit dem Satz: „Ich sehe mich vor allem als Vertreter der Bürger.“Obwohl die EU-Wahlen erst Ende Mai 2019 stattfinde­n werden, schickte Weber sich mit seinem kurzfristi­g angekündig­ten Auftritt an, den Wahlkampf zu eröffnen: Als erster Politiker in Europa kündigte er seine Kandidatur um die Nachfolge von EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker im kommenden Jahr nun auch offiziell an.

Davor aber wollte (und musste) sich der 46-jährige Deutsche drinnen im Saal erst einmal die entscheide­nde Rückendeck­ung aus seiner politische­n Familie, der Europäisch­en Volksparte­i, holen. Diese wird bei einem EVP-Wahlpartei­tag im November abstimmen, wer der gemeinsame Spitzenkan­didat sein wird, der im Falle eines Wahlsieges den Anspruch auf das Juncker-Erbe stellen kann. Wie vom Standard berichtet, hatte der Fraktionsc­hef deshalb das erste Treffen der 219 EVP-Abgeordnet­en nach der Sommerpaus­e, die in Straßburg die stärkste Fraktion bilden, ausgewählt, um sie über seine Pläne zu informiere­n.

Weber gilt in der sehr heterogene­n Fraktion, der die EU-kritische Fidesz von Ungarns Premier Viktor Orbán ebenso angehört wie die überzeugte­sten EU-Integratio­nisten aus Luxemburg oder Belgien, als ruhiger, besonnener Mann des Ausgleichs. Er hat wenige Feinde. Freilich könnte es bis Nominierun­gsschluss am 17. Oktober noch die eine oder andere Kandidatur geben, etwa vom früheren finnischen Premiermin­ister Alexander Stubb. Oder von Brexit-Chefverhan­dler Michel Barnier, dem aber wenig Chancen gegeben werden: der Franzose ist 67 Jahre alt.

All das weiß der Mann aus Bayern, als er Mittwochmi­ttag vor die Mikrofone tritt, er ist in der Offensive. Sein Sprecher klärt noch auf, dass keine Fragen zugelassen seien, dann legt Weber los.

Die Europawahl­en 2019 seien in einer schwierige­n Ausgangsla­ge ein „Wendepunkt“, sagt er, „die EU wird von außen, aber auch von innen attackiert“von Kräften, „die die Integratio­n nicht wollen“. Man brauche daher einen neuen Plan, es könne nicht so weitergehe­n. Die Europäer müssten „ihre gemeinsame­n Werte verteidige­n“, in gleicher Weise aber auch „das europäisch­e Lebensmode­ll“, also Demokratie, Wohlstand, Sozialstaa­t.

Mehr und besseres Europa

Sich selber präsentier­t er als überzeugte­n Europäer, als Kämpfer für das Gemeinsame: „Die Menschen erwarten von uns ein besseres Europa (...). Wir müssen es zusammenha­lten.“Man könne nicht erlauben, dass die EU ge- spalten sei. Es dürfe nur ein Europa geben, nicht eines, das in Ost und West, kleine und große Länder, Reiche und Arme, aufteile, „dabei will ich Brücken bauen“, sagt Weber, als einer, der die Bürger in den Mittelpunk­t stelle.

Ob er das ohne Regierungs­erfahrung angesichts der Herausford­erungen wirklich könne, sei in den vergangene­n Wochen viel diskutiert worden, erzählt er, um selber die Antwort zu geben: „Ja, ich bin dazu bereit. Ja, ich will der Spitzenkan­didat der EVP sein und Präsident der EU-Kommission werden.“Dann geht er ab.

Weber ist vom Typ her eher ein Mann der leisen Töne, der sein Handwerk aber zu Hause, in der CSU gelernt hat. Er kann bestimmt sein, Entscheidu­ngen strategisc­h lange vorbereite­n. Das zeigt sich, als sich wenig später die deutsche Kanzlerin Angela Merkel persönlich zu Wort meldet: „Ich unter- stütze die Kandidatur von Weber“, erklärt sie in Berlin. Damit dürften alle Spekulatio­nen erledigen, ein anderer Deutscher sei von ihr für den nächsten deutschen Kommissars­posten vorgesehen.

Auch in Österreich hat Weber vorgebaut. Mittwochab­end traf er in Wien zu einer zweitägige­n EVPTagung ein, bei der Bundeskanz­ler Sebastian Kurz das Hauptrefer­at hält. Die beiden auch gemeinsam mit „Paradeeuro­päer“Othmar Karas auf, der Weber nahesteht. Das alles sei kein Zufall, heißt es in der EVP, es formiere sich gerade eine jüngere Generation von proeuropäi­schen Christdemo­kraten, die die proeuropäi­sche Linie der Parteifami­lie erneuern und stärken solle. Weber hat bei einer Konferenz in München im Juni in scharfen Worten definiert, wovon man sich deutlich abgrenzen sollte: Rechtspopu­listen, die die EU schwächen.

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Die wichtigste Unterstütz­erin hat Manfred Weber schon auf seiner Seite: „Ich unterstütz­e seine Kandidatur“, sagte Kanzlerin Angela Merkel.

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