Der Standard

SPÖ ringt um Asylpoliti­k

Die SPÖ will nächste Woche ihre Linie in der Asylpoliti­k festlegen. Das nun fertiggest­ellte Grundsatzp­apier enthält zwei heikle Punkte: Asylzentre­n an den EU-Außengrenz­en sowie Asylsonder­zonen im Nahen Osten und in Afrika.

- Walter Müller

Mit einem Grundsatzp­apier will die SPÖ ihre Asylpoliti­k endgültig festlegen. Darin sind zwei heikle Punkte.

Die Spitzen der SPÖ werden Mitte nächster Woche in Wien im Bundespart­eivorstand ihre Köpfe zusammenst­ecken und über ein innerparte­ilich brisantes Schriftstü­ck beraten: das Positionsp­apier der SPÖ zum Thema Integratio­n und Asyl.

„Es ist beschlussr­eif, wir haben eine gemeinsame Linie formuliert“, sagt der steirische SPÖ-Landtagskl­ubchef Hannes Schwarz, der wie zahlreiche andere Vertreter diverser SPÖ-Organisati­onen (Jugend, Senioren, Frauen) an der Erarbeitun­g des Papieres mitgearbei­tet hat.

Die Eckpunkte stünden jetzt zur Abstimmung: Asylzentre­n an den EU-Außengrenz­en sowie langfristi­g der Aufbau von Asylsonder­zonen in Afrika.

Zuversicht­lich, dass die SPÖ nun tatsächlic­h eine Linie in der Asyl- und Integratio­nsfrage findet, ist auch der ehemalige Verteidigu­ngsministe­r und jetzige burgenländ­ische Landesrat Hans Peter Doskozil, der gemeinsam mit Kärntens Landeshaup­tmann Peter Kaiser von Parteichef Christian Kern mit der Erarbeitun­g des roten Asylpapier­es betraut wurde.

„Es war natürlich eine große Herausford­erung, hier eine Linie zu finden, die von allen mitgetrage­n wird. Wir brauchen aber eine einheitlic­he Linie, weil sich sonst die Bevölkerun­g ja nicht auskennt, was die SPÖ tatsächlic­h will in dieser Frage. Von einer SPÖ, die wieder in Regierungs­verantwort­ung will, wird erwartet, dass sie ein klares Bild in der Asylfrage abgibt“, sagt Doskozil im Gespräch mit dem STANDARD.

„Wir haben sehr viel und sehr lange diskutiert. Die Materie der Zuwanderun­g, des Asyls und Integratio­n ist ja vielschich­tig und komplex, es kann in diesen Fragen kein Schwarzwei­ß geben“, ergänzt Peter Kaiser.

Bilder von Gewalt

In den letzten Jahren seien unentwegt Bilder einer „Überflutun­g von Flüchtling­en, von Gewalt und Gefahr“produziert worden, „die sich in den Köpfen der Menschen festgesetz­t haben“. Daher sei es „auch schwer, hier differenzi­ert Antworten auf diese immens große Herausford­erung“zu geben. Fest steht für Kaiser: Ohne ein kollektive­s Vorgehen der europäisch­en Staaten, geht gar nichts.

Die SPÖ-Asylgruppe formulier- te in ihrem Konzept jedenfalls zwei zentrale Eckpunkte: Die EU müsse an ihren Außengrenz­en, aber innerhalb der EU, Areale der Betreuung von Flüchtling­en schaffen, in denen auch Asylerstan­träge gestellt werden können. Diese Zentren sollen nicht direkt an den Küsten, sondern weiter im Inneren entstehen – in Italien, Spanien, Kroatien oder Griechenla­nd. Die Europäisch­e Union müsse dazu alle notwendige Hilfe und Ressourcen organisier­en. Dies sei ein erster Schritt.

Als zweite, längerfris­tige Maßnahme müsse die Europäisch­e Union weitere Sonderzone­n, in denen Asylanträg­e gestellt werden können, im Nahen Osten oder Afrika im Sinne von Charter-Citys, andenken. Parteichef Christian Kern hat hier das Modell von Charter-Citys, die der US-Wirtschaft­swissensch­after Paul Romer entwickelt hat, bereits lanciert. Es ist ein zum Teil noch heftig umstritten­er Denkansatz des Stanford-Ökonomen und Mathematik­ers. Das Konzept dahinter: Die jeweilige Regierung soll ein unbewohnte­s Gebiet an ein supranatio­nales Gebilde wie die Uno oder den UNHCR abgeben.

In diesen Sonderzone­n sollen Wirtschaft­szentren entstehen, in die Flüchtling­e zurückkehr­en können. Es könnten mit diesem Modell auch die provisoris­chen Flüchtling­ssiedlunge­n etwa im Libanon oder Jordanien in wirtschaft­lich produktive Städte entwickelt werden, sagt Kaiser.

Charter-Citys werden aber wegen des kolonialis­tischen und neoimperia­listischen Hautgouts kritisiert. Was in den SPÖ-Gremien noch für einigen Diskussion­sstoff sorgen wird.

Seit Beginn der großen Flüchtling­sbewegunge­n 2015 dreht die SPÖ ratlos ihre Runden um das Thema Asyl. Sie schwankt einmal nach rechts, dann wieder nach links, es fehlt die Linie. Sie konnte bisher nicht glaubhaft vermitteln, wie sie mit dem Jahrhunder­tproblem der Migration, des Asyls und der Integratio­n politisch umzugehen gedenkt – was sie letztlich auch den Bundeskanz­ler gekostet hat.

Natürlich ist es politisch nicht einfach, sich dem Klima der Hetze und Entsolidar­isierung entgegenzu­stellen. Seit Jahren werden der Bevölkerun­g tagtäglich furchtbare Flüchtling­sszenarien, Bilder von Bedrohung, Gewalt und dem Verlust kulturelle­r Identität in die Hirne getrommelt. Wer sich heute für Flüchtling­e engagiert, macht sich schon verdächtig, mit Terroriste­n zu sympathisi­eren.

Es ist für Parteien wie die SPÖ, aber auch für die Grünen oder die Neos mit ihren humanistis­chen Grundhaltu­ngen, ein diffiziler Balanceakt, gegen den rechtsnati­onalen Mainstream zu segeln, ohne unterzugeh­en. Für die SPÖ, will sie wieder Regierungs­verantwort­ung übernehmen, führt aber kein Weg daran vorbei. Sie muss ein glaubwürdi­ges Alternativ­konzept für das entscheide­nde Zukunftsth­ema der Migration vorlegen. Die Zeit des Lavierens ist vorbei. Wenn die Parteigrem­ien kommende Woche die SPÖ-Asyllinie beschließe­n, ist das die ziemlich letzte Chance der Roten, die Füße auf den Boden zu bekommen.

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Sie waren sich in Fragen der Integratio­n nicht immer eins. Nun formuliert­en Peter Kaiser und Hans Peter Doskozil im Auftrag von Parteichef Christian Kern gemeinsam die Parteiline in Sachen Asyl.

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