SPÖ ringt um Asylpolitik
Die SPÖ will nächste Woche ihre Linie in der Asylpolitik festlegen. Das nun fertiggestellte Grundsatzpapier enthält zwei heikle Punkte: Asylzentren an den EU-Außengrenzen sowie Asylsonderzonen im Nahen Osten und in Afrika.
Mit einem Grundsatzpapier will die SPÖ ihre Asylpolitik endgültig festlegen. Darin sind zwei heikle Punkte.
Die Spitzen der SPÖ werden Mitte nächster Woche in Wien im Bundesparteivorstand ihre Köpfe zusammenstecken und über ein innerparteilich brisantes Schriftstück beraten: das Positionspapier der SPÖ zum Thema Integration und Asyl.
„Es ist beschlussreif, wir haben eine gemeinsame Linie formuliert“, sagt der steirische SPÖ-Landtagsklubchef Hannes Schwarz, der wie zahlreiche andere Vertreter diverser SPÖ-Organisationen (Jugend, Senioren, Frauen) an der Erarbeitung des Papieres mitgearbeitet hat.
Die Eckpunkte stünden jetzt zur Abstimmung: Asylzentren an den EU-Außengrenzen sowie langfristig der Aufbau von Asylsonderzonen in Afrika.
Zuversichtlich, dass die SPÖ nun tatsächlich eine Linie in der Asyl- und Integrationsfrage findet, ist auch der ehemalige Verteidigungsminister und jetzige burgenländische Landesrat Hans Peter Doskozil, der gemeinsam mit Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser von Parteichef Christian Kern mit der Erarbeitung des roten Asylpapieres betraut wurde.
„Es war natürlich eine große Herausforderung, hier eine Linie zu finden, die von allen mitgetragen wird. Wir brauchen aber eine einheitliche Linie, weil sich sonst die Bevölkerung ja nicht auskennt, was die SPÖ tatsächlich will in dieser Frage. Von einer SPÖ, die wieder in Regierungsverantwortung will, wird erwartet, dass sie ein klares Bild in der Asylfrage abgibt“, sagt Doskozil im Gespräch mit dem STANDARD.
„Wir haben sehr viel und sehr lange diskutiert. Die Materie der Zuwanderung, des Asyls und Integration ist ja vielschichtig und komplex, es kann in diesen Fragen kein Schwarzweiß geben“, ergänzt Peter Kaiser.
Bilder von Gewalt
In den letzten Jahren seien unentwegt Bilder einer „Überflutung von Flüchtlingen, von Gewalt und Gefahr“produziert worden, „die sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt haben“. Daher sei es „auch schwer, hier differenziert Antworten auf diese immens große Herausforderung“zu geben. Fest steht für Kaiser: Ohne ein kollektives Vorgehen der europäischen Staaten, geht gar nichts.
Die SPÖ-Asylgruppe formulier- te in ihrem Konzept jedenfalls zwei zentrale Eckpunkte: Die EU müsse an ihren Außengrenzen, aber innerhalb der EU, Areale der Betreuung von Flüchtlingen schaffen, in denen auch Asylerstanträge gestellt werden können. Diese Zentren sollen nicht direkt an den Küsten, sondern weiter im Inneren entstehen – in Italien, Spanien, Kroatien oder Griechenland. Die Europäische Union müsse dazu alle notwendige Hilfe und Ressourcen organisieren. Dies sei ein erster Schritt.
Als zweite, längerfristige Maßnahme müsse die Europäische Union weitere Sonderzonen, in denen Asylanträge gestellt werden können, im Nahen Osten oder Afrika im Sinne von Charter-Citys, andenken. Parteichef Christian Kern hat hier das Modell von Charter-Citys, die der US-Wirtschaftswissenschafter Paul Romer entwickelt hat, bereits lanciert. Es ist ein zum Teil noch heftig umstrittener Denkansatz des Stanford-Ökonomen und Mathematikers. Das Konzept dahinter: Die jeweilige Regierung soll ein unbewohntes Gebiet an ein supranationales Gebilde wie die Uno oder den UNHCR abgeben.
In diesen Sonderzonen sollen Wirtschaftszentren entstehen, in die Flüchtlinge zurückkehren können. Es könnten mit diesem Modell auch die provisorischen Flüchtlingssiedlungen etwa im Libanon oder Jordanien in wirtschaftlich produktive Städte entwickelt werden, sagt Kaiser.
Charter-Citys werden aber wegen des kolonialistischen und neoimperialistischen Hautgouts kritisiert. Was in den SPÖ-Gremien noch für einigen Diskussionsstoff sorgen wird.
Seit Beginn der großen Flüchtlingsbewegungen 2015 dreht die SPÖ ratlos ihre Runden um das Thema Asyl. Sie schwankt einmal nach rechts, dann wieder nach links, es fehlt die Linie. Sie konnte bisher nicht glaubhaft vermitteln, wie sie mit dem Jahrhundertproblem der Migration, des Asyls und der Integration politisch umzugehen gedenkt – was sie letztlich auch den Bundeskanzler gekostet hat.
Natürlich ist es politisch nicht einfach, sich dem Klima der Hetze und Entsolidarisierung entgegenzustellen. Seit Jahren werden der Bevölkerung tagtäglich furchtbare Flüchtlingsszenarien, Bilder von Bedrohung, Gewalt und dem Verlust kultureller Identität in die Hirne getrommelt. Wer sich heute für Flüchtlinge engagiert, macht sich schon verdächtig, mit Terroristen zu sympathisieren.
Es ist für Parteien wie die SPÖ, aber auch für die Grünen oder die Neos mit ihren humanistischen Grundhaltungen, ein diffiziler Balanceakt, gegen den rechtsnationalen Mainstream zu segeln, ohne unterzugehen. Für die SPÖ, will sie wieder Regierungsverantwortung übernehmen, führt aber kein Weg daran vorbei. Sie muss ein glaubwürdiges Alternativkonzept für das entscheidende Zukunftsthema der Migration vorlegen. Die Zeit des Lavierens ist vorbei. Wenn die Parteigremien kommende Woche die SPÖ-Asyllinie beschließen, ist das die ziemlich letzte Chance der Roten, die Füße auf den Boden zu bekommen.