Der Standard

Libyen: Paris und Rom im Streit

Milizen liefern sich erneut schwere Kämpfe

- Stefan Brändle aus Paris

Libyen bleibt ein Pulverfass. In der Hauptstadt Tripolis liefern sich bewaffnete Gruppen seit Tagen erbitterte Kämpfe mit bisher über 50 Todesopfer­n und hunderten Verletzten. 1800 Zivilisten haben die Südviertel von Tripolis verlassen. Gut bewaffnet und organisier­t, sind die Milizen auch ein politische­r Machtfakto­r: Die von der Uno gestützte Phantomreg­ierung von Fayez al-Serraj hängt von ihnen ab, weil sie selbst über keine Armee verfügt.

Der neu aufflammen­de Machtkampf um die Vorherrsch­aft in Tripolis bedroht die für Dezember geplanten Wahlen, die 2017 bei einer Konferenz unter der Schirmherr­schaft des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron vereinbart worden waren. Gefährdet ist auch das libysch-italienisc­he Abkommen, das die Flüchtling­sströme dank zusätzlich­er Küstenpatr­ouillen eingedämmt hatte.

Die Regierung in Rom wirft Paris vor, die Konflikte zu fördern. Innenminis­ter Matteo Salvini twitterte am Montag, „jemand“stecke dahinter – gemeint war Frankreich. Verteidigu­ngsministe­rin Elisabetta Trenta nannte das Nachbarlan­d namentlich, um ihm die „Teilschuld“an den Kämpfen zu geben. Macron versuche, General Khalifa Haftar zum starken Mann Libyens aufzubauen.

Doch die Vorwürfe aus Rom sind absurd. Haftar ist nicht in die Kämpfe in Tripolis verwickelt; er setzt vielmehr auf die Wahlen am Jahresende. Paris verfolgt letztlich das gleiche Ziel wie Rom, nämlich eine langfristi­ge Kontrolle der Flüchtling­sströme. Bloß halten die Franzosen nicht den „offizielle­n“Regierungs­chef Serraj, sondern eine Autokratie unter Haftar für die beste Lösung. So wies das Pariser Außenminis­terium die Anschuldig­ungen aus Rom am Dienstag zurück. pLangfassu­ng dSt.at/Libyen

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