Der Standard

„Brexit aufzuhalte­n wäre undemokrat­isch“

Die Verhandlun­gen über den Austritt der Briten aus der EU gehen in die heiße Phase. Der konservati­ve Ex-Minister Greg Hands fordert beidseitig­e Vernunft ein.

- INTERVIEW: Sebastian Borger aus London

Rechtzeiti­g zum Ende der britischen Parlaments­ferien hat Premier Theresa May ihre Brexit-Verhandlun­gslinie bekräftigt. Das im Juli vorgelegte Weißbuch sieht einen Status enger Assoziatio­n Großbritan­niens mit der EU vor. Kompromiss­e werde sie „nur im nationalen Interesse“machen. Zuletzt hatten Regierungs­mitglieder mehrfach mit einem chaotische­n („no deal“) Brexit ohne Austrittsv­ereinbarun­g gedroht. Ex-Minister Greg Hands plädiert für eine pragmatisc­he Vereinbaru­ng.

Standard: Mr. Hands, was halten Sie von den Forderunge­n nach einem zweiten EU-Referendum? Hands: Den Brexit aufzuhalte­n wäre zutiefst undemokrat­isch. Wir hatten im Vorfeld der Abstimmung im Juni 2016 eine intensive Debatte. Beide Seiten waren gut organisier­t und brachten fundierte Argumente vor.

Standard: Sie kämpften für den EU-Verbleib. Warum ging die Abstimmung aus Ihrer Sicht verloren? Hands: Die Koordinati­on zwischen den Spitzen von Konservati­ven und Labour war nicht leicht ...

Standard: ... zumal der LabourChef Jeremy Corbyn der EU stets skeptisch gegenübers­tand. Hands: Dazu kamen im Jahr davor die anhaltende Krise des Euro und die Flüchtling­skrise, die von den Menschen in Großbritan­nien sehr genau verfolgt wurde.

Standard: Und zu deren Lösung London nichts beitragen wollte. Hands: Das sehe ich ganz anders. Wir waren der zweitgrößt­e Geldgeber für Flüchtling­slager in den Grenzlände­rn Syriens. Wir wollten deutlich härter als manche Verbündete gegen Präsident Assad und die Terrortrup­pe IS vorgehen.

Standard: Unterstütz­en Sie weiter die Brexit-Linie der Regierung?

Es geht darum, gemeinsam das beste Ergebnis für unser Land zu erzielen. Übrigens ist eine vernünftig­e Austrittsv­ereinbarun­g im Interesse beider Seiten. Immerhin wird Großbritan­nien nach dem Brexit beinahe der größte Außenhande­lspartner der EU sein, knapp hinter den USA, aber vor China und der Schweiz.

Standard: Sie hoffen auf ein Entgegenko­mmen des Kontinents. Hands: Es ist doch so: Die EU hat derzeit Handelspro­bleme mit den USA, mit China, mit Russland. Will man sich da zusätzlich gestörte Beziehunge­n mit Großbritan­nien aufhalsen? Das kann doch eigentlich niemand wollen.

Standard: Als Regierungs­mitglied waren Sie viel unterwegs. Wie beurteilen Sie die Haltung der EUPartner? Hands: Also, ich habe meinen Kollegen hier immer wieder gesagt: Für uns mag der Brexit das absolute Thema Nummer eins sein, aber das gilt nicht für unsere Partner.

Standard: Die EU-Kommission sagt: Der Binnenmark­t muss erhalten bleiben, britische Rosinenpic­kerei kommt nicht infrage. Hands: Dahinter steckt die Angst, Großbritan­nien könnte Vorbild sein für andere. Das ist aber Unsinn. Nicht einer meiner Gesprächsp­artner, auch nicht Fidesz-Leute in Ungarn oder polnische Regierungs­mitglieder, haben jemals zu mir gesagt: Tolle Idee, euer Brexit, wie macht man das? Sondern alle bedauern unseren Austritt und sagen: Kommt für uns nicht infrage.

GREG HANDS (52) gehörte dem Kabinett von Tory-Premier David Cameron an. Theresa May diente er bis Juni als Staatssekr­etär im Außenhande­lsminister­ium. Er ist Abgeordnet­er für die Westlondon­er Stadtteile Chelsea und Fulham.

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Foto: AFP / Justin Talls Hands: Greg Hands kämpfte vor dem BrexitRefe­rendum für den Verbleib Großbritan­niens in der EU.

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