BVT drohte Suspendierung aus Club europäischer Geheimdienste
Am zweiten Tag des U-Ausschusses verstärken sich Eindrücke einer internationalen Isolation und Kritik an der Staatsanwaltschaft
Wien – Die Kooperation mit ausländischen Geheimdiensten war nach der Razzia im Verfassungsschutz weitaus stärker gefährdet als bisher offiziell bekannt. Das zeigt ein Dokument, das am Mittwoch im parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgetaucht ist. Darin ist zu lesen, dass BVT-Chef Peter Gridling im Juni vor einer Suspendierung Österreichs im Berner Club gewarnt hat. Dabei handelt es sich um einen informellen Zusammenschluss europäischer Geheimdienstchefs. Im Rahmen dieses öffentlich kaum bekannten Gremiums werden oft wichtige Informationen über Gefahrenlagen ausgetauscht.
Der BVT-Juristin K., die am Mittwoch als Zeugin im U-Ausschuss aufgetreten ist, war die potenzielle Gefahr durch die Hausdurchsuchung rasch bewusst. Sie verlangte bei der Razzia, dass sensible Informationen „versiegelt“werden, das wurde von der Staatsanwaltschaft jedoch abgewiesen. Bis heute weiß man laut BVT-Zeugen nicht, welche Datenträger und Dokumente sichergestellt worden sind. Juristin K. drückte sich meist diplomatisch aus, viele bisher kritisierte Vorgänge stellte sie als normal dar. Irritiert war sie davon, keine schriftliche Anordnung der Hausdurchsuchung erhalten zu haben. Der Journalrichter, der die Razzia am Abend davor genehmigt hatte, soll bei einem Telefonat mehrfach die Zulässigkeit der Razzia betont, aber nicht den Eindruck erweckt haben, „allumfassend informiert“gewesen zu sein.
„Denkunmögliche“Pläne
Mangelhaft vorbereitet soll auch die Staatsanwaltschaft gewesen sein, zumindest was die Verwahrung von Datenträgern mit klassifizierten Dokumenten betrifft. Das gab der zweite Zeuge B. an, der in der IT-Abteilung des BVT arbeitet. Der ursprüngliche Plan der Staatsanwaltschaft, die komplette Serverlandschaft des Verfassungsschutzes abzutragen, sei „denkunmöglich“, sagte der Zeuge. Ihm sei ein derartiger Ein- fall bei eigenen Razzien noch nie gekommen. Auch die „Fernlöschung von Daten“, mit der die eilige Hausdurchsuchung begründet wurde, sagte dem Zeugen nichts: „Da hat jemand zu viele Filme gesehen.“
Den IT-Sachverständigen der Staatsanwaltschaft habe es offenbar an „einfachsten IT-Kenntnissen gefehlt“, sagte B. außerdem. Mitgenommen wurden „wahllos“Datenträger, etwa eine CD mit Übungen für ein therapeutisches Sitzkissen. Im Unterschied zu anderen Zeugen beurteilte B. das Verhalten der Straßenpolizei EGS, von der die Razzia durchgeführt worden ist, jedoch als angemessen. Allerdings verließen Polizisten immer wieder das Gelände, um sich Essen zu holen. BVT-Juristin K. hatte zuvor angegeben, eine Sachverhaltsdarstellung verfasst zu haben, in dem ein Verfahren wegen Nötigung gegen EGSChef Wolfgang Preiszler angeregt werde. Die Staatsanwaltschaft Korneuburg bestätigte dem STANDARD, die Anzeige zu prüfen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
„Schwarze Netzwerke“
Deutliche Kritik an der Razzia gab es auch von dem dritten Zeugen, einem Beschuldigten. Der ehemalige Leiter des Referats Nachrichtendienste fühlt sich „kriminalisiert“. ÖVP-Abgeordne- ter Amon gab an, mit dem Zeugen „freundschaftlich“verbunden zu sein; diese Verbindungen in die ÖVP thematisierte Peter Pilz, der E-Mails des Zeugen an andere ÖVP-nahe Beamte vorlegte. Zu Redaktionsschluss lief die Fragerunde noch, auch weil der Zeuge sehr wortreich antwortete.
Am Rande des Ausschusses gab es Aufregung über eine Kabinettsmitarbeiterin von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), die vorgab, als Journalistin im Medienraum neben dem Ausschusslokal zu arbeiten. Bereits am Dienstag war ein hauseigener „Journalist“des Ministeriums dort präsent gewesen. Für Aufsehen sorgte am Dienstag auch die Wahl der Vertrauensperson des dritten Zeugen, eines EGS-Polizisten. Er erschien mit der bekannten FPÖ-nahen Anwältin Huberta Gheneff. Sie werde von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst bezahlt und vertrete insgesamt vier EGS-Polizisten, sagte Gheneff dem STANDARD.