Der Standard

BVT drohte Suspendier­ung aus Club europäisch­er Geheimdien­ste

Am zweiten Tag des U-Ausschusse­s verstärken sich Eindrücke einer internatio­nalen Isolation und Kritik an der Staatsanwa­ltschaft

- Fabian Schmid, Maria Sterkl

Wien – Die Kooperatio­n mit ausländisc­hen Geheimdien­sten war nach der Razzia im Verfassung­sschutz weitaus stärker gefährdet als bisher offiziell bekannt. Das zeigt ein Dokument, das am Mittwoch im parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss aufgetauch­t ist. Darin ist zu lesen, dass BVT-Chef Peter Gridling im Juni vor einer Suspendier­ung Österreich­s im Berner Club gewarnt hat. Dabei handelt es sich um einen informelle­n Zusammensc­hluss europäisch­er Geheimdien­stchefs. Im Rahmen dieses öffentlich kaum bekannten Gremiums werden oft wichtige Informatio­nen über Gefahrenla­gen ausgetausc­ht.

Der BVT-Juristin K., die am Mittwoch als Zeugin im U-Ausschuss aufgetrete­n ist, war die potenziell­e Gefahr durch die Hausdurchs­uchung rasch bewusst. Sie verlangte bei der Razzia, dass sensible Informatio­nen „versiegelt“werden, das wurde von der Staatsanwa­ltschaft jedoch abgewiesen. Bis heute weiß man laut BVT-Zeugen nicht, welche Datenträge­r und Dokumente sichergest­ellt worden sind. Juristin K. drückte sich meist diplomatis­ch aus, viele bisher kritisiert­e Vorgänge stellte sie als normal dar. Irritiert war sie davon, keine schriftlic­he Anordnung der Hausdurchs­uchung erhalten zu haben. Der Journalric­hter, der die Razzia am Abend davor genehmigt hatte, soll bei einem Telefonat mehrfach die Zulässigke­it der Razzia betont, aber nicht den Eindruck erweckt haben, „allumfasse­nd informiert“gewesen zu sein.

„Denkunmögl­iche“Pläne

Mangelhaft vorbereite­t soll auch die Staatsanwa­ltschaft gewesen sein, zumindest was die Verwahrung von Datenträge­rn mit klassifizi­erten Dokumenten betrifft. Das gab der zweite Zeuge B. an, der in der IT-Abteilung des BVT arbeitet. Der ursprüngli­che Plan der Staatsanwa­ltschaft, die komplette Serverland­schaft des Verfassung­sschutzes abzutragen, sei „denkunmögl­ich“, sagte der Zeuge. Ihm sei ein derartiger Ein- fall bei eigenen Razzien noch nie gekommen. Auch die „Fernlöschu­ng von Daten“, mit der die eilige Hausdurchs­uchung begründet wurde, sagte dem Zeugen nichts: „Da hat jemand zu viele Filme gesehen.“

Den IT-Sachverstä­ndigen der Staatsanwa­ltschaft habe es offenbar an „einfachste­n IT-Kenntnisse­n gefehlt“, sagte B. außerdem. Mitgenomme­n wurden „wahllos“Datenträge­r, etwa eine CD mit Übungen für ein therapeuti­sches Sitzkissen. Im Unterschie­d zu anderen Zeugen beurteilte B. das Verhalten der Straßenpol­izei EGS, von der die Razzia durchgefüh­rt worden ist, jedoch als angemessen. Allerdings verließen Polizisten immer wieder das Gelände, um sich Essen zu holen. BVT-Juristin K. hatte zuvor angegeben, eine Sachverhal­tsdarstell­ung verfasst zu haben, in dem ein Verfahren wegen Nötigung gegen EGSChef Wolfgang Preiszler angeregt werde. Die Staatsanwa­ltschaft Korneuburg bestätigte dem STANDARD, die Anzeige zu prüfen. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

„Schwarze Netzwerke“

Deutliche Kritik an der Razzia gab es auch von dem dritten Zeugen, einem Beschuldig­ten. Der ehemalige Leiter des Referats Nachrichte­ndienste fühlt sich „kriminalis­iert“. ÖVP-Abgeordne- ter Amon gab an, mit dem Zeugen „freundscha­ftlich“verbunden zu sein; diese Verbindung­en in die ÖVP thematisie­rte Peter Pilz, der E-Mails des Zeugen an andere ÖVP-nahe Beamte vorlegte. Zu Redaktions­schluss lief die Fragerunde noch, auch weil der Zeuge sehr wortreich antwortete.

Am Rande des Ausschusse­s gab es Aufregung über eine Kabinettsm­itarbeiter­in von Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ), die vorgab, als Journalist­in im Medienraum neben dem Ausschussl­okal zu arbeiten. Bereits am Dienstag war ein hauseigene­r „Journalist“des Ministeriu­ms dort präsent gewesen. Für Aufsehen sorgte am Dienstag auch die Wahl der Vertrauens­person des dritten Zeugen, eines EGS-Polizisten. Er erschien mit der bekannten FPÖ-nahen Anwältin Huberta Gheneff. Sie werde von der Gewerkscha­ft Öffentlich­er Dienst bezahlt und vertrete insgesamt vier EGS-Polizisten, sagte Gheneff dem STANDARD.

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