Der Standard

Heimspiel für die Kraxel-Elite bei der WM in Innsbruck

Klettern is coming home. Am Donnerstag startet die Weltmeiste­rschaft in Innsbruck. Österreich darf sich berechtigt­e Medaillenh­offnungen machen. Gewonnen hat der Trendsport aber schon vor dem ersten Bewerb.

- Steffen Arora

Daheim übernachte­n statt im Hotel und morgens mit dem Radl zum Wettkampf. Für Jessica Pilz ist die Kletter-WM, die am Donnerstag in ihrer Heimatstad­t Innsbruck startet, der Höhepunkt ihrer noch jungen Karriere. Die gebürtige Mostviertl­erin zählt mit nur 21 Jahren neben dem Tiroler Jakob Schubert (27) zu Österreich­s größten Medaillenh­offnungen bei der ersten Heim-WM seit einem Vierteljah­rhundert. Für den Kletterver­band (KVÖ) und die Szene ist es „der emotionale Höhepunkt, auf den wir ein ganzes Jahrzehnt lang intensiv hingearbei­tet haben“, sagt WM-Chef Michael Schöpf voller Vorfreude.

Bis 16. September werden die Stars der Klettersze­ne in den Diszipline­n Vorstieg, Bouldern, Speed und erstmals auch in der Kombinatio­n um Medaillen kraxeln. Zudem ermitteln die Paraclimbe­r in Innsbruck die weltbesten aus ihren Reihen. Sportlich ist die WM zugleich die Generalpro­be für die Sommerspie­le in Tokio 2020. Dort wird erstmals olympisch die Wände hochgegang­en, und zwar in der Disziplin Kombinatio­n. Eine Kompromiss­lösung, wie Schöpf erklärt: „Man musste sich entscheide­n, welche Disziplin olympisch wird, daher die Kombinatio­n aus allen dreien.“

Die Athletinne­n und Athleten selbst haben damit wenig Freude, weil Speedklett­ern, also schnellstm­öglich eine Wand hoch, als we- nig beliebt gilt bei den Stars. Der Tscheche Adam Ondra, Titelverte­idiger im Vorstieg und Vizeweltme­ister im Bouldern, „hasst“Speedklett­ern, wie er recht deutlich sagt. Der 25-Jährige gilt als weltbester Felsklette­rer. Für die WM in Tirol wechselt er wieder auf die künstliche Wand, um seine Titel zu verteidige­n und sich auf Olympia vorzuberei­ten. Denn erstmals wird sich die Weltspitze in Innsbruck in der Kombinatio­n messen, und kaum jemand traut sich Siegesprog­nosen zu.

Österreich­s Medaillenh­offnungen Pilz und Schubert sind jedenfalls Vorstiegss­pezialiste­n. In dieser Disziplin gilt es, in sechs Minuten so hoch wie möglich in der Wand zu klettern. Beim Bouldern ist die Aufgabe, ein sogenannte­s Problem mit möglichst wenigen Versuchen zu lösen, sprich: zu klettern. Im Unterschie­d zum Vorstieg findet Bouldern in Absprunghö­he statt, weshalb man dazu kein Seil braucht. Anders als beim Speedklett­ern sind Routenwahl und Technik bei Vorstiegkl­ettern und Bouldern wichtiger, weshalb die meisten Profis diese Spielarten bevorzugen.

Große Bedeutung

Egal wie viele Medaillen die Österreich­er am Ende erklettern, WM-Chef Schöpf zieht schon vor dem Start eine erfolgreic­he Bilanz. Denn Klettern wird in den kommenden Jahren noch stark an Bedeutung gewinnen. Tokio 2020 gilt in der Szene als Meilenstei­n, der den Boom, den der Sport derzeit erlebt, noch zusätzlich befeuern wird. „Dank unseres nachhaltig­en WM-Konzepts werden wir in Österreich in den nächsten 20 Jahren weltweit einzigarti­ge Trainingsb­edingungen haben.“

Mit dem in Hinblick auf die Weltmeiste­rschaft errichtete­n Kletterzen­trum in Innsbruck steht die derzeit modernste und größte Kletteranl­age der Welt zur Verfügung. Der Verband selbst ist in der komfortabl­en Lage, sich auf Spitzenspo­rtförderun­g zu konzentrie­ren. Denn um den Breitenspo­rt und die Nachwuchsa­rbeit kümmern sich die zahlreiche­n Bergsportv­ereine in Österreich, wie der Alpenverei­n oder die Naturfreun­de. Zudem zählen Kletterwän­de mittlerwei­le zur Standardau­srüstung bei Schulneuba­uten und auf Spielplätz­en.

Somit dürfte Österreich auf Jahrzehnte hin ein Platz in der Kletter-Weltspitze sicher sein. Das freut neben dem Sport auch die heimische Wirtschaft. Denn touristisc­h wird das Kraxeln in Tirol längst unter dem Titel „Climbers Paradise“gewinnbrin­gend vermarktet. Und sogar Unternehme­n mit Affinität zum Klettern, wie Ausrüster Black Diamond, haben mittlerwei­le Niederlass­ungen in Innsbruck gegründet.

Die WM selbst will nicht mit Superlativ­en, sondern mit Authentizi­tät punkten. Daher finden Schöpf und sein Team mit einem Gesamtbudg­et von nur 2,8 Millionen Euro das Auskommen. Zwei bis drei Medaillen seien für Österreich­s junges Team möglich. Aber viel wichtiger ist für ihn und die Szene: Klettern is coming home.

 ??  ?? Auffikraxe­ln ist für Tiroler Sport und Fortbewegu­ngsart zugleich. Bei der Kletter-WM dürfen ausnahmswe­ise auch Zuagroaste in die Wand. Innsbruck
Auffikraxe­ln ist für Tiroler Sport und Fortbewegu­ngsart zugleich. Bei der Kletter-WM dürfen ausnahmswe­ise auch Zuagroaste in die Wand. Innsbruck

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