Der Standard

Londoner Banker vor Abschiebun­g

Der frühere UBS-Trader Kweku Adoboli steht vor der Abschiebun­g aus Großbritan­nien nach Ghana. London statuiert zehn Jahre nach dem Finanzcras­h ein Exempel für Fehlverhal­ten.

- Sebastian Borger aus London

Der Kampf von Kweku Adoboli gegen die Ausweisung aus Großbritan­nien neigt sich dem Ende zu. Am Montag wurde der frühere UBS-Trader in das Abschiebez­entrum Dungavel bei Glasgow gebracht. Offenbar soll er binnen Wochenfris­t in sein Geburtslan­d Ghana ausgefloge­n werden. Zuvor hatte der 38-Jährige, der seit 26 Jahren auf der Insel lebt, sämtliche juristisch­e Einspruchs­instanzen ausgeschöp­ft.

Kurz vor dem zehnten Jahrestag des globalen Finanzcras­hs statuiert London damit ein Exempel an einem der wenigen Banker, die seit 2008 für krasses Fehlverhal­ten gerichtlic­h belangt wurden. Dazu zählt kein einziger Vorstand der am größten internatio­nalen Finanzzent­rum City of London tätigen Großbanken.

Adoboli, damals 27, war während der Finanzkris­e am Desk für börsennoti­erte Aktienbünd­el der UBS-Investment­bank in London gemeinsam mit einem 24-Jährigen für ein Handelsvol­umen von 50 Milliarden Dollar verantwort­lich. „Als würden wir einen überladene­n Jumbojet fliegen durch die schlimmste Turbulenz, die sich denken lässt“, hat der Trader später jene Zeit beschriebe­n.

Von November 2008 an führte Adoboli eine Schattenbu­chhaltung. Dies erwies sich jahrelang als lukrativ. Im September 2011 aber entstand der Bank ein Schaden von 2,3 Milliarden Dollar, der größte Handelsver­lust in Großbritan­nien. CEO Oswald Grübel verlor den Job, Adoboli wurde verhaftet. Zu keinem Zeitpunkt hatte er Geld in die eigene Tasche gewirtscha­ftet. Weil der „rogue trader“erst alle Schuld auf sich nahm, konnte schlimmere­r Schaden von der Bank abgewendet werden. Während seines Prozesses plä- dierte er auf unschuldig: Kollegen und Vorgesetzt­e hätten über Unstimmigk­eiten hinweggese­hen, solange die Gewinne stimmten.

Tatsächlic­h sprachen die Aufsichtsb­ehörden in England sowie die Schweizer Finma von schweren Mängeln, mangelhaft­er Überwachun­g und unklaren Verantwort­lichkeiten in der Abteilung, die für Adobolis Handelsrau­m zuständig war. „Wir haben dieses Kapitel abgeschlos­sen”, teilte UBS damals mit und verwies auf Disziplina­rverfahren und Entlassung­en. Zu Anklagen gegen Adobolis Chefs oder Kollegen kam es nicht.

Sieben Jahre Freiheitss­trafe

Der gebürtige Ghanaer wurde vom Geschworen­engericht vom Vorwurf der falschen Bilanzieru­ng freigespro­chen, aber wegen „Betrugs durch Missbrauch einer Vertrauens­position“verurteilt. Der Richter verhängte eine Freiheitss­trafe von sieben Jahren und ließ kein gutes Haar an Adoboli: Dieser habe „einen Hang zum Glücksspie­l, war arrogant genug, alle Vorschrift­en zu missachten“.

Dem Gesetz zufolge werden alle Verurteilt­en ausgewiese­n, deren Strafen über vier Jahre hinausge- hen. Deshalb hielt die staatliche Ausweisung­sverfügung auch allen gerichtlic­hen Nachprüfun­gen stand, obwohl der Sohn eines UNDiplomat­en seit seinem 13. Lebensjahr auf der Insel lebt, dort Privatschu­le und Universitä­t besuchte, ehe er beim Schweizer Weltkonzer­n UBS anheuerte. „Ich bin hier zu Hause“, beteuerte er, wofür die Unterstütz­ung durch eine große Gruppe von Freunden spricht. Die ihm zustehende Einbürgeru­ng hatte er versäumt.

Seit seiner vorzeitige­n Entlassung aus dem Strafvollz­ug wegen guter Führung hat der Exbanker auf Tagungen, an Schulen und Unis der Reform des Finanzsekt­ors das Wort geredet. Seine örtliche Unterhaus-Abgeordnet­e Hannah Bardell hält ihn für einen Gewinn für das Land, eine Petition für seinen Verbleib erhielt 50.000 Unterschri­ften. Sämtliche Appelle, in diesem Fall Gnade vor Recht ergehen zu lassen, stießen auf taube Ohren. Das Londoner Innenminis­terium verwies auf die Abschiebun­g von 42.800 Straftäter­n seit 2010. Adoboli nannte das staatliche Vorgehen gegen ihn rassistisc­h. Er werde wegen seiner Hautfarbe diskrimini­ert.

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Die Zentrale der UBS in London: Gerichtlic­h belangt wurden nach der Finanzkris­e in der Bank für krasses Fehlverhal­ten nur wenige.
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Foto: Reuters Kweku Adoboli: Eine Petition für seinen Verbleib blieb erfolglos.

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