Der Standard

Migranten wohnen meist schlecht und teuer

Schon seit der Gastarbeit­erzeit gilt: Wer mit wenig Geld neu in Österreich ist, hat auf dem regulären Wohnungsma­rkt kaum eine Chance. Er ist meist auf problemati­sche informelle Angebote angewiesen, wie nun die 2015 angekommen­en Flüchtling­e.

- Marietta Adenberger, Martin Putschögl, Franziska Zoidl

Nabil hatte Glück im Unglück. Drei Monate in einem Zelt in Traiskirch­en, ein Monat in einem Massenquar­tier der Diakonie – dann fand der 19jährige Syrer eine private Unterkunft in einem Altbau in WienJosefs­tadt, zur Verfügung gestellt von einer wohlhabend­en Dame. Zwei Monate konnte der vor dem Krieg geflüchtet­e Student dort kostenlos bleiben, dann vermittelt­e die Caritas eine Zwei-ZimmerWohn­ung in einem Abbruchhau­s für ihn und einen Freund. Eineinhalb Jahre später suchte er für sich und seine nachkommen­de Familie eine permanente Bleibe – und fand sie in einer Genossensc­haftswohnu­ng, deren Mieter einen Nachmieter suchte. 18.000 Euro an Eigenmitte­ln lieh ihm die Dame aus der Josefstadt.

Nabils Geschichte ist aber die absolute Ausnahme, berichtet Anita Aigner von der TU Wien. Sie hat gemeinsam mit Studierend­en eine Studie über die Wohnsituat­ion von Flüchtling­en verfasst, dafür wurden 21 Asylberech­tigte bzw. subsidiär Schutzbere­chtigte interviewt. Nabil erhielt als Einziger nach der Grundverso­rgung Zugang zum sozialen Wohnbau.

Generell ist der Zugang zum regulären Wohnungsma­rkt für Asylberech­tigte sehr schwierig. Für eine Wiener Gemeindewo­hnung muss man zwei Jahre lang durchgehen­d an einer Wiener Adresse gemeldet sein. Und auf dem privaten Wohnungsma­rkt werden Flüchtling­e häufig diskrimini­ert. „Wie viele Kinder haben Sie?“, werde von Maklern oder Vermietern oft gefragt, wenn Asylberech­tigte auf Wohnungssu­che gehen, so Elisabeth Jama von der Diakonie-Wohnberatu­ngsstelle Wiwa.

Auch einen Lohnzettel für die letzten sechs Monate können Asylberech­tigte kaum vorweisen, ebenso wenig Kaution und Maklerprov­ision aufbringen. Daher werden Geflüchtet­e in prekäre Wohnverhäl­tnisse gedrängt.

Die ersten Gastarbeit­er

Das ist allerdings nicht erst seit 2015 so. Schon für die ersten Gastarbeit­er war die Wohnungssu­che schwierig. Dabei hätte das bei den ab Mitte der 1960er-Jahre ins Land geholten Arbeitskrä­ften aus der Türkei und aus Jugoslawie­n gar nicht so sein dürfen: Betriebe mussten ihren Arbeitern „ortsüblich­e Unterkünft­e“bereitstel­len.

„Bei größeren Betrieben hat das etwas besser funktionie­rt“, sagt die Historiker­in Verena Lorber, die an der Universitä­t Salzburg im Bereich der historisch­en Migrations­forschung tätig ist. „Ganz schlimm war die Situation allerdings auf dem Bau, wo oft Holzbarack­en ohne Heizung, Sanitärräu­me oder Kochmöglic­hkeiten für 20 bis 25 Leute aufgestell­t wurden.“

Am privaten Wohnungsma­rkt kamen Gastarbeit­er meist nur über Kontakte unter; und schon damals wurden oft prekäre Mietverhäl­tnisse eingegange­n, in Substandar­dwohnungen, die desolat und zu klein waren – und dennoch teuer vermietet wurden.

64,3 Prozent der Gastarbeit­er, aber nur 14,2 Prozent der Österreich­er wohnten laut Statistik Austria 1981 in Substandar­dwohnungen, also ohne Wasseransc­hluss, mit WC auf dem Gang. 14,2 Quadratmet­er hatten sie durchschni­ttlich zur Verfügung, die Hälfte des österreich­ischen Schnitts. Das war auch 1991 noch so und änderte sich seither nur unwesentli­ch (siehe Grafik). „Gastarbeit­er wurden oft Opfer skrupellos­er Vermieter“, weiß auch Handan Özbaş vom Grazer interkultu­rellen Verein Jukus. Substandar­d war für die Gastarbeit­er sozusagen Standard, zum Duschen blieb oft nur das Tröpferlba­d. Ein Ausweg war für viele die Tätigkeit als Hausbesorg­er. Deren Wohnungen waren zwar nicht viel besser, aber die Kosten konnten so gesenkt werden.

Ein Unterschie­d zwischen der Situation der Gastarbeit­er und der von Flüchtling­en: Erstere hatten oft vor, in ihre Heimat zurückzuke­hren. „Die Wohnverhäl­tnisse hatten daher anfangs für viele nicht die oberste Priorität“, sagt Lorber.

Informelle­r Markt

Auch heute gibt es Vermieter, die die Notlage der Menschen ausnützen. „Es hat sich ein problemati­scher informelle­r Subwohnung­smarkt herausgebi­ldet, auf dem Wohnraum zu überhöhten Preisen angeboten wird“, heißt es in Aigners Studie. Auch Caritas und Diakonie können viel von Untermietv­erträgen und zahllosen „kreativen Varianten“berichten. Ein interessan­ter Nebenaspek­t ist, dass diese Mietverhäl­tnisse oft selbst von Menschen mit Migrations­hintergrun­d angeboten werden. Einer der für Aigners Studie befragten Flüchtling­e erzählte von Syrern, Libanesen und Palästinen­sern, die als seine ersten Vermieter in Österreich auftraten.

Das Problem kennt Vlasta Osterauer-Novak, Wohnberate­rin bei der Wiener Gebietsbet­reuung, sehr gut: „Solche Vermittlun­gen laufen nach dem Motto ‚Ich spreche deine Sprache, ich will dir Gutes‘ ab. In Wirklichke­it nutzen manche die Betroffene­n aus.“

Natürlich seien auch Österreich­er daran beteiligt, darauf weist Andreas Gampert von der Diakonie hin. „Wie kann jemand in einem Haus zehn Wohnungen anmieten? Die Problemati­k beginnt beim Hauseigent­ümer.“Man nehme ein abbruchrei­fes Zinshaus mit der Intention, Langzeitmi­eter rauszuekel­n. Das Ergebnis sind überhöhte Mieten, ungültige Verträge und nicht zulässige Untermiete­n – und eigenmächt­ige Delogierun­gen. Im schlimmste­n Fall landen Wohnungssu­chende gruppenwei­se in Kellerräum­en ohne Sanitäranl­agen. Das Absurde: Weil sie am regulären Markt keine Chance haben, zahlen sie pro Person 400 bis 600 Euro monatlich für eine solche Absteige, um einen festen Wohnsitz zu haben. Oft wird auch noch eine Möbelmiete kassiert. Dafür verschulde­n sich Mieter teilweise massiv.

Und was passiert mit jenen, die keine Wohnung finden? In Kooperatio­n mit der Wohnungslo­senhilfe der Stadt Wien gibt es Starthilfe über diverse Projekte wie etwa „Into Wien“. Viele kommen vorübergeh­end auch bei Freunden unter, dabei handelt es sich laut Jama aber eigentlich um versteckte Obdachlosi­gkeit.

Handlungsb­edarf

Laut Caritas wäre eine zulässige Antragstel­lung für die bedarfsori­entierte Mindestsic­herung schon ab der Asylanerke­nnung eine Lösung. Denn Anträge werden üblicherwe­ise erst angenommen, wenn es eine private Meldeadres­se gibt. Anderersei­ts gebe es auch Aufklärung­sbedarf für Vermieter, da viel Unsicherhe­it und Unwissen herrscht.

Für Asylberech­tigte bedeutet die schwierige Situation am Wohnungsma­rkt, dass sie schwer zur Ruhe kommen, um etwa Deutsch zu lernen – und andere integriere­nde Schritte zu setzen.

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