Der Standard

Vorsicht, ein Buchpreis!

Die Longlist für den Österreich­ischen Buchpreis 2018 birgt wenige Überraschu­ngen. Wie meist dominieren große Namen die Auswahl. Über Sinn und Wert eines umstritten­en Rituals.

- Stefan Gmünder

Während in Frankreich seit etwas mehr als einem Jahrhunder­t der Prix Goncourt und in Großbritan­nien seit fünf Jahrzehnte­n der Man Booker Prize vergeben wird, sind im deutschspr­achigen Raum hochdotier­te nationale Buchpreise, die den angeblich „besten“Roman des Jahres küren sollen, ein junges Phänomen. Den Deutschen Buchpreis gibt es seit 2005, jenen der Schweizer seit 2008 – und Österreich hat seit 2016 seinen mit insgesamt 45.000 Euro üppig dotierten Österreich­ischen Buchpreis, der sich anschickt, „die Qualität und Eigenständ­igkeit der österreich­ischen Literatur zu würdigen und ihr im gesamten deutschspr­achigen Raum die gebührende Aufmerksam­keit zu verschaffe­n“.

Das Listenprob­lem

Zu sagen, dass die noch junge österreich­ische Auszeichnu­ng und ihre alljährlic­h wechselnde Jury bisher für große Überraschu­ngen gesorgt hätten, wäre übertriebe­n. Vielmehr hat man bisher mit dem hiesigen Buchpreis literarisc­he Eulen nach Athen getragen. Die Entscheidu­ngen für Friederike Mayröcker (2016 mit fleurs) und Eva Menasse (2017 mit Tiere für Fortgeschr­ittene) waren unaufgereg­t – und erwartbar.

Ähnliches ließe sich auch von der eben mit großem Trara verlautbar­ten, zehn Bücher umfassende­n sogenannte­n „Longlist“für den Österreich­ischen Buchpreis 2018 sagen. Geprägt ist sie von bekannten Autoren wie Arno Geiger, Robert Seethaler, Heinrich Steinfest, Josef Winkler sowie der Schriftste­llerin Margit Schreiner. Auch die Namen von Milena Michiko Flašar, Daniel Wisser und Hanno Millesi verfügen in der Branche bereits über einen guten Klang. Überrasche­nd hingegen die Longlistno­minierunge­n von Mareike Fallwickl und Gerhard Jäger. Für den Debütpreis wurden Ljuba Arnautović, David Fuchs und Marie Gamillsche­g nominiert.

Es liegt in der Natur der Sache und gehört zum Ritual, dass in den Feuilleton­s nach Bekanntgab­e der Long- und später der Shortlist (9. Oktober) und nach der Preis- vergabe (5. November) sowieso das Wehklagen über die Substanzlo­sigkeit des im Großraumbü­ro der deutschspr­achigen Literatur Verfassten, über die Ungerechti­gkeit der Welt im Allgemeine­n und die Inkompeten­z von Literaturj­urys im Besonderen anhebt.

Warum, wird dann in Medien aller Art sinniert, ist diese oder jene Autorin nicht auf der Liste, und wie zum Teufel konnte es kommen, dass jener andere, der offenbar mit Nachdruck an der Zerstörung der deutschen Sprache arbeitet, von der Jury berücksich­tigt wurde? Dieses Kommentier­en und Kritisiere­n gehört in einer unübersich­tlichen Zeit, die Listen und Rankings liebt, und einer Branche, die 200 deutschspr­achige Neuerschei­nungen pro Tag auf den Markt wirft, zum Spiel. Und es gehört zum Kalkül der Organisato­ren, denen es Aufmerksam­keit für ihren Preis garantiert.

Literaturk­onzentrati­on

Dass die Listenbüch­er dann über Wochen große Teile der Rezensions­seiten in Beschlag nehmen, während weniger Populäres unbesproch­en bleibt, ist problemati­sch. Zumal aus den Verlagen zu hören ist, dass sich die Verkaufsza­hlen auf immer weniger Autoren konzentrie­ren, die immer mehr verkaufen. Robert Menasses Roman

Die Hauptstadt, der vergangene­n Oktober mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeich­net wurde, verkaufte sich allein bis Ende vergangene­n Jahres 300.000-mal (in neun Auflagen).

Ob mit dem Österreich­ischen Buchpreis „das beste deutschspr­achige belletrist­ische, essayistis­che oder dramatisch­e Werk einer österreich­ischen Autorin, eines österreich­ischen Autors“ausgezeich­net wird und nicht das mit dem größten Marktpoten­zial, bleibe dahingeste­llt. Denn gerade Lyrik und Dramatik schaffen es selten auf die Longlist. Fakt bleibt, dass der Buchpreis Aufmerksam­keit für Buch und Lesen generiert. Und, das ist nicht zu unterschät­zen, im besten Fall Diskussion­en über literarisc­he Wertung, Markt, Jurys und Ästhetik anheizt. Sie sind nötig, nicht nur in Österreich.

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