EU-Vizechef: „Trump stärkt Stellung der EU in der Welt“
Katainen: Unilaterale US-Politik fördert Handelsvereinbarungen der Union
Wien – Die zahlreichen von Donald Trump angeheizten Konflikte in der Welt haben nach Ansicht von Jyrki Katainen auch eine positive Auswirkung. Trumps Verhalten „stärkt die Stellung der EU in der Welt“, erklärte der Vizepräsident der EU-Kommission im Gespräch mit dem Standard. Als Beleg für diese These nennt der Finne die Fortschritte bei Verhandlungen über Handelsabkommen, beispielsweise den Abschluss eines Pakts mit Japan. Washingtons neue unilaterale Orientierung habe zu einer stärkeren Zuwendung vieler Länder in Richtung Europäische Union geführt, sagte Katainen.
Der hochrangige Kommissionsvertreter sieht nun Rückenwind für die militärische Stärkung der EU. Er plädiert dafür, dass Forschungs- aktivitäten im Rüstungsbereich künftig stärker gebündelt werden. Auch bei der Bekämpfung von Cyberkriminalität und bei friedenserhaltenden Kampfeinsätzen hofft Katainen auf eine stärkere Rolle der EU. Diese Aktivitäten sollen von einem Fonds, der außerhalb des EU-Budgets liegt und von den Mitgliedstaaten gespeist wird, finanziell unterstützt werden.
Kritik an Nettozahlern wie Österreich äußert der Kommissar wegen der von der Regierung verlangten Einsparungen im EU-Budget. Mehr Mittel für Grenzschutz oder Forschung durch Kürzungen bei der EU-Verwaltung zu finanzieren, „ist eine Illusion“, hält Katainen fest.
Am 9. September 2016 leistete sich die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton einen Lapsus, den sie wahrscheinlich noch heute bereut. Auch wenn sich das vielleicht grob verallgemeinernd anhöre, sagte sie vor Spendern in New York, könne man die Anhänger Donald Trumps zur Hälfte in das sortieren, „was ich einen Korb der Bedauernswerten nenne“. Es dauerte nicht lange, da trugen die Fans des Immobilienunternehmers T-Shirts mit einer Zeile, aus der sowohl trotziger Rebellengeist als auch Verachtung für die politische Elite, zu der Clinton gehörte, sprachen: „I am a deplorable – and damn proud of it“– „Ich bin ein Bedauernswerter – und verdammt stolz darauf“. Genau hier versucht Steve Bannon anzuknüpfen – mit einem Film, der auf den Tag genau zwei Jahre nach Clintons Fauxpas Premiere feiert.
Mit Trump @ War (Trump im Krieg), so der Titel des Streifens, will Bannon die Basis der Republikaner mobilisieren, auf dass sie am 6. November, dem Tag des Kongressvotums, den sogenannten Midterms, zahlreich an den Urnen erscheinen. Um sie aufzustacheln, lässt er den Kulturkonflikt des Jahres 2016 wiederaufleben, so simpel und karikaturistisch es nur geht. Auf der einen Seite der Barrikade verortet er das vermeintlich arrogante Establishment, verteidigt von CNN-Moderatoren und angeführt von Nancy Pelosi, der Nummer eins der Demokraten im Repräsentantenhaus, Hassfigur der Rechten.
Auf der anderen stehen die „deplorables“, die in Trump ihren Erlöser gefunden haben. Bannon will Emotionen aufwühlen – eine Strategie, die er neulich im Gespräch mit dem Onlineportal Axios auf den Punkt brachte. „Wenn du ein Beklagenswerter bist, wirst du buchstäblich mit der Mistgabel in der Hand auf deinem Stuhl stehen und dir sagen: Ich muss die Leute dazu bringen, wählen zu gehen.“Die Mistgabel: In der Mythologie der USA ist sie ein Symbol des Sich-Auflehnens gegen die Elitären.
Niederlage für den Sturm
Bannon, der Wahlstratege: Neuerdings fällt seine Bilanz eher mager aus, geprägt durch eine Serie blamabler Niederlagen. Im August, als die Republikaner in Arizona zu entscheiden hatten, wen sie anstelle des ausscheidenden Trump-Kritikers Jeff Flake ins Rennen um einen Sitz im US-Senat schicken, unterstützte er mit Kelli Ward eine dezidiert in der Tradition der Tea Party stehende Politikerin. „Wer Wind sät, wird Sturm ernten, und dieser Sturm ist Kelli Ward“, dröhnte Bannon. Am Ende zog seine Favoritin klar den Kürzeren.
Im Dezember hatte er die Trommel für Roy Moore gerührt, einen erzkonservativen Richter, der Senator Alabamas werden wollte, dann aber einem Demokraten den Vortritt lassen musste – was in Alabama im Duell zwischen den beiden großen Parteien höchst selten passiert. Moore, der den bibelfesten Moralapostel gab, hatte in den 1970er-Jahren Mädchen im Teenageralter sexuell belästigt. Und wie Bannon an seiner Seite auftrat, in zerbeulten Hosen, mit strähnigem Haar, als habe er kein Zuhause, lieferte er den Late-Night-Satirikern Steilvorlagen für beißenden Spott.
Damals schien es, als habe er den Zenit seiner Macht bereits überschritten. Es schien, als bewahrheite sich, was Donald Trump prophezeite, nachdem er sich mit dem Architekten seiner America-firstKampagne überworfen hatte. Der „schlampige Steve“werde untergehen, er vertrete seine, Trumps, Basis nicht: „Er macht das nur für sich selbst.“
Bannon, im Sommer 2017 auf Drängen von Trumps Stabschef John Kelly entlassen, hatte dem Journalisten Michael Wolff Brisantes aus dem Innenleben des Weißen Hauses erzählt. Wolff schöpfte aus der Quelle, um sein Buch Fire and Fury zu schreiben. Zwischen Trump und seinem Chefideologen schien das Tischtuch zerschnitten, was dazu geführt haben soll, dass die Milliardärstochter Rebekah Mercer ihrem einstigen Protegé Bannon den Geld- hahn zudrehte. Der wiederum versuchte sein Glück in Europa. Erst solidarisierte er sich mit Marine Le Pen und dem Front National, dann mit dem ungarischen Premierminister Viktor Orbán und mit dem italienischen Rechtspopulisten Matteo Salvini.
Bewegungen im In- und Ausland
Im Juli verkündete er den Plan, ein Sammelbecken für europäische Rechtspopulisten gründen zu wollen: The Movement (Die Bewegung). „Ich versuche, die Infrastruktur für eine globale populistische Bewegung zu sein“, erläuterte er der New York
Times seine Philosophie. Im eigenen Land rief er vor kurzem die Gruppe „Bürger der amerikanischen Republik“ins Leben. Sie soll, so hat es der frühere Investmentbanker formuliert, für Trumps Agenda kämpfen und den Präsidenten vor einem Amtsenthebungsverfahren bewahren. Der Film
Trump @ War ist die cineastische Unterma- lung dazu.
Auf der demokratischen Gegenseite wurde Barack Obama zur Mobilisierung von Wählern aktiv. Bei einer Rede an der Uni von Illinois kritisierte er Trump und die Republikaner scharf, fügte aber hinzu, dass das „einzige Hindernis für schlechte Politik und Machtmissbrauch“die Wähler und ihre Stimme sind.
Barack Obama meldet sich auf der politischen Bühne zurück und fordert die US-Bürger eindringlich auf, im November wählen zu gehen. Auszüge aus der Rede des Expräsidenten, die er am Freitag an der Universität von Illinois gehalten hat.
„Ich bin hier, um eine simple Botschaft zu überbringen: Ihr müsst wählen, weil unsere Demokratie davon abhängt.“
„Wenn ihr hört, wie gut die Wirtschaft derzeit läuft, erinnert euch, wann dieser Aufschwung begonnen hat. (…) Die Beschäftigtenzahlen sind die gleichen wie 2015 und 2016.“
„Die Politik der Spaltung, des Ressentiments und der Paranoia haben leider in der Republikanischen Partei ein Zuhause gefunden. (...) Das ist nicht konservativ. Es ist sicher nicht normal. Es ist radikal.“
„Das einzige Land, das aus dem Klimavertrag aussteigt – es ist nicht Nordkorea, es ist nicht Syrien, es ist nicht Russland oder Saudi-Arabien. Es sind wir. Das einzige Land. Es gibt so viele Länder auf der Welt. Wir sind die einzigen.“
„Was ist mit der Republikanischen Partei passiert? Ihr zentrales außenpolitisches Prinzip war der Kampf gegen den Kommunismus, jetzt schmeicheln sie sich beim ehemaligen KGB-Offizier ein, blockieren Gesetze, die unsere Wahlen vor russischen Angriffen schützen würden.“
„Die Behauptung, dass alles gut wird, weil es Leute im Inneren des Weißen Hauses gibt, die heimlich den Anweisungen des Präsidenten nicht folgen – das ist keine Kontrolle. Das ist nicht, wie unsere Demokratie funktionieren soll. Diese Menschen sind nicht gewählt. Sie können nicht zur Verantwortung gezogen werden. Sie erweisen uns keinen Dienst, indem sie 90 Prozent des verrückten Zeugs vorantreiben, das aus diesem Weißen Haus kommt, und dann sagen: ‚Keine Sorge, wir verhindern die anderen zehn Prozent.‘ So sollten die Dinge nicht funktionieren. Das ist nicht normal. Das sind außergewöhnliche Zeiten. Und es sind gefährliche Zeiten. Aber hier sind die guten Nachrichten: In zwei Monaten haben wir die Chance – nicht die Sicherheit, aber die Chance –, einen Hauch von Vernunft wiederherzustellen. Denn es gibt eigentlich nur ein Hindernis für schlechte Politik und Machtmissbrauch, und das seid ihr. Ihr und eure Stimme.“
„Selbst wenn ihr nicht mit mir oder den Demokraten übereinstimmt, selbst wenn ihr an libertäre Wirtschaftstheorien glaubt, selbst wenn ihr evangelikal seid und euch unsere Position bei sozialen Themen zu weit geht, selbst wenn ihr meine Einschätzung von Migration für falsch haltet und Demokraten für nicht streng genug in der Durchsetzung von Einwanderungsgesetzen, sollte euch unser derzeitiger Kurs trotzdem beunruhigen. Ihr solltet trotzdem eine Wiederherstellung von Ehrlichkeit, Anstand und Rechtmäßigkeit in unserer Regierung sehen wollen.“
„Ich habe mich oft über Fox News beschwert – aber niemals habt ihr von mir gehört, dass ich drohe, sie zu schließen, oder sie ‚Feinde des Volkes‘ nenne.“
„Wir sollten gegen Diskriminierung auftreten. Und wir sollten verdammt noch mal klar und deutlich gegen Nazi-Symathisanten auftreten. Wie schwer kann das sein? Zu sagen, dass Nazis schlecht sind.“
„Wir brauchen mehr Frauen in Führungspositionen.“
„Ihr könnt euch nicht ausklinken, weil dieser oder jener Kandidat nicht ausreichend überzeugt. Das ist kein Rockkonzert, das ist nicht Coachella. Ihr braucht keinen Messias. Alles was wir brauchen, sind anständige, ehrliche, hart arbeitende Menschen, die Verantwortung übernehmen – und die für Amerika das Beste wollen.“
„Letztendlich kommt die Bedrohung für unsere Demokratie nicht nur von Donald Trump oder der aktuellen Besetzung der Republikaner im Kongress oder den Koch-Brüdern und ihren Lobbyisten oder zu vielen Kompromissen von Demokraten oder russischem Hacking. Die größte Bedrohung für unsere Demokratie ist Gleichgültigkeit.“
„Solltet ihr gedacht haben, dass Wahlen keine Rolle spielen, dann hoffe ich, dass die beiden vergangenen Jahre diesen Eindruck korrigiert haben.“
„Wenn euch also nicht gefällt, was gerade passiert – und das sollte es nicht –, beschwert euch nicht. Nutzt keinen Hashtag. Werdet nicht ängstlich. Zieht euch nicht zurück. Steigert euch nicht in Extreme hinein. Verliert euch nicht in ironischer Distanz. Steckt euren Kopf nicht in den Sand. Jammert nicht. Wählt.“