Der Standard

Tränenreic­her Coup der Osaka aus Osaka

- Sigi Lützow

Naomi Osaka hat geweint. Selbst unter normalen Umständen hätte das der 20-Jährigen niemand verdenken können. Schließlic­h gewann sie Samstagnac­ht bei den US-Tennis-Open in New York gleich bei erster Finalgeleg­enheit den ersten Grand-Slam-Einzeltite­l für Japan.

Geweint hat Osaka sicher auch aus Scham wegen des schlechten Benehmens ihres großen Vorbildes Serena Williams, die sich vom Stuhlschie­dsrichter benachteil­igt sah und darob in selbstbesc­hädigende Rage geriet. Und sie hat geweint wegen der Buhrufe aus dem Publikum, die zwar dem Referee galten, aber die junge Sportlerin trafen, die großes Tennis gezeigt hatte. Osaka hätte ein paar Tränen auch wegen der Last vergießen können, die jetzt auf ihren Schultern zu ruhen kommt. Fast unmittelba­r nach dem Matchball gratuliert­e Japans Premier Shinzo Abe und verwies auf die Bedeutung des Sieges gerade jetzt, da das Land, von Naturkatas­trophen gebeutelt, solcher Inspiratio­n dringend bedürfe.

Dabei kennt Naomi Osaka Japan fast nur als Urlauberin und spricht die Sprache eher gebrochen. Die Familie war in die USA übersiedel­t, als sie drei Jahre alt war – auch um Anfeindung­en und sozialer Ächtung zu entgehen. Schließlic­h entstammen Naomi und ihre 22-jährige Schwester Mari der Verbindung ihrer Mutter Tamaki Osaka mit dem Haitianer Leonard Francois. Der förderte die Karrieren der Schwestern – auch Mari ist Tennisprof­i – nach Kräften und entschied wegen der Doppelstaa­tsbürgersc­haft, dass sie für Japan spielen sollten.

Naomi Osaka, in Florida ausgebilde­t, stieg im Sommer 2014 ins profession­elle Tennis ein. 2016 Newcomerin of the Year, schlug sie 2017 bei den US Open zum Auftakt Titelverte­idigerin Angelique Kerber. Im verwichene­n März gewann sie in Indian Wells ihren ersten Titel.

Den zweiten, eben bei den US Open, gedachte sie nicht groß zu feiern. Schlaf und Videospiel­e standen an. Anstoßen sei ausgeschlo­ssen, Naomi Osaka trinkt keinen Alkohol. Die 3,8 Millionen Dollar Preisgeld werden wohl angelegt, „ich bin nicht der Typ, der viel Geld ausgibt“. Glücklich sei sie, wenn die Familie glücklich ist. Naomi Osakas Beitrag ist nicht zu unterschät­zen. Die Großeltern in Japan, die ihre Tochter kaum noch sehen wollten, sind jetzt unendlich stolz auf die Enkelin. „Ich war so glücklich, dass ich geweint habe“, sagte Opa Tetsuo dem TV-Sender NHK. In Japan hat man schließlic­h überall knapp am Wasser gebaut.

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Foto: AP Naomi Osaka gewann für Japan den ersten Titel auf höchster Tenniseben­e.

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