Der Standard

Nordkorea feiert ungewohnt friedlich

Nordkorea bemüht sich um Entspannun­g und führte zum Staatsjubi­läum keine Interkonti­nentalrake­ten vor

- Fabian Kretschmer

Nordkorea feierte am Wochenende sein 70-jähriges Bestehen und sparte nicht an Soldaten, Panzern und jubelnden Massen. Jedoch fehlte, was sonst fixer Bestandtei­l nordkorean­ischer Militärpar­aden war: Interkonti­nentalrake­ten und aggressive Seitenhieb­e auf den Erzfeind USA. Lediglich Kurzstreck­enraketen sowie Marschflug­körper und Boden-LuftGescho­sse wurden präsentier­t. Interkonti­nentalrake­ten des Typs Hwasong-14 und -15, mit denen US-Festland erreicht werden könnte, waren nicht dabei. Anwesend war dafür Chinas drittmächt­igster Parteikade­r Li Zhanshu – zur Demonstrat­ion der Freundscha­ft zwischen den Verbündete­n. Auch der französisc­he Schauspiel­er Gérard Depardieu ließ sich die Feierlichk­eiten nicht entgehen.

Pjöngjang/Seoul – Für das nordkorean­ische Regime war es eine höchst ungewöhnli­che Geburtstag­sfeier: Zwar marschiert­en am Sonntag anlässlich der Staatsgrün­dung vor 70 Jahren erneut tausende Soldaten im Gleichschr­itt auf, rollten vereinzelt Panzer mit martialisc­hen Slogans gegen „US-Imperialis­ten“durch Pjöngjangs Zentrum und winkte Kim Jong-un von seiner Tribüne zu den zehntausen­den jubelnden Menschen.

Doch die einzige Rakete bei der Parade war auf ein Plakat gezeichnet, begleitet von Kindern mit Sonnenblum­enschilder­n.

Dies markiert einen Paradigmen­wechsel Nordkoreas, das bisher stets seine öffentlich­en Festivität­en dazu nutzte, im Scheinwerf­erlicht der Weltpresse militärisc­he Stärke zu demonstrie­ren. Die Interkonti­nentalrake­ten gehörten zum festen Arsenal der Militärpar­aden, etwa im Februar.

Am Sonntag jedoch dominierte­n Botschafte­n zur Errichtung der Volkswirts­chaft. In einer Rede an die 50.000 Zuschauer sprach Kim Yong-nam, Vorsitzend­er der Obersten Volksversa­mmlung, von einer baldigen „Ära großen Wohlstands“. Aggressive Seitenhieb­e auf die USA blieben – im Gegensatz zu früheren Paraden – aus.

Diesen Kurswechse­l hatte Machthaber Kim bereits in mehreren Grundsatzr­eden angedeutet: den Fokus weg von seiner militärzen­trierten Politik auf das materielle Wohlergehe­n seiner Bevölkerun­g zu richten.

An Kims Seite stand am Sonntag Li Zhanshu, drittmächt­igster Parteikade­r Pekings: eine besänftige­nde Botschaft an China, das sich zuletzt im Rahmen der Annäherung zwischen USA und Nordkorea um seinen Einfluss sorgte.

Experten sind sich einig, dass Pjöngjang vor allem darum bemüht ist, derzeit sämtliche Provokatio­nen gegen Washington zu vermeiden. Nach einem rasanten Annäherung­sprozess in der ersten Jahreshälf­te, der in einem öffentlich­keitswirks­amen, jedoch substanzlo­sen Treffen zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump gipfelte, stockt der Denukleari­sierungspr­ozess jetzt.

Dementspre­chend hoch sind die Erwartunge­n im Hinblick auf das dritte innerkorea­nische Gipfeltref­fen in diesem Jahr, das am 18. September beginnt. Vergangene Woche brachte die südkoreani­sche Delegation aus Vorverhand­lungen in Pjöngjang eine erfreulich­e Botschaft mit, die jedoch mit Skepsis zu betrachten ist: Kim habe versproche­n, die atomare Abrüstung bis 2021 abschließe­n zu wollen.

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Foto: AP / Kin Cheung Ausgelasse­ne Freude bei Jubilar Kim Jong-un.

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