Der Standard

Schmerzhaf­ter Aderlass bei Frankreich­s Rechten

Während Europas Populisten überall zulegen, stürzt die Partei ihrer Mentorin Marine Le Pen zu Hause in die Krise

- Stefan Brändle aus Paris

Noch im Frühjahr 2017 erzitterte ganz Europa vor ihr: Nach dem Brexit-Referendum im Juni 2016 und dem TrumpTrium­ph im November desselben Jahres setzte Marine Le Pen bei den französisc­hen Präsidents­chaftswahl­en zum dritten Streich der „populistis­chen Internatio­nale“an, um dem Establishm­ent und der Europäisch­en Union den ultimative­n Gnadenstoß zu verpassen, wie sie damals vollmundig erklärte.

Doch es kam anders. Das entscheide­nde TV-Duell gegen Emmanuel Macron verlor die Ultranatio­nalistin blamabel, und in der folgenden Stichwahl gegen den späteren Präsidente­n machte sie bloß 34 Prozent der Stimmen.

Seither ist der Wurm drin in ihrer Bewegung, die sie im Juni von Front National (FN) in Rassemblem­ent National (RN) umgetauft hat. Zweck der Übung war es, das schlechte, von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen geerbte Image abzustreif­en und die Tochter salonfähig und wählbar zu machen.

Doch auch dieses Unterfange­n steht unter keinem guten Stern. Der RN zählt heute nur noch rund 30.000 Mitglieder – gegenüber 80.000 vor den Präsidents­chaftswahl­en. Zudem ermittelt die Justiz wegen Scheinjobs gegen die Partei: 15 ehemalige FN-Angestellt­e sollen auf den Lohnlisten des Europaparl­aments in Straßburg geführt worden, in Wahrheit aber für die Partei in Paris tätig gewesen sein. Bis zu einem Urteil hält das EU-Parlament zwei Millionen Euro an Gehältern zurück – ein Sechstel des RN-Budgets von zwölf Millionen Euro.

Zahlungsun­fähigkeit droht

Dies und der Mitglieder­schwund bringen die Partei an den Rand der Zahlungsun­fähigkeit. Sogar die für Ende August geplante Sommertagu­ng der Partei musste Le Pen aus Spargründe­n absagen. Umso lauter schimpft sie jetzt über den „politische­n Mord“durch ihre Gegner.

Und erst am Freitag wurde bekannt, dass Le Pen die Hälfte ihrer Angestellt­en in der Parteizent­rale entlassen muss. Nicht minder gravierend: Sie muss ein Drittel der rund hundert Parteiloka­le zwischen Lothringen und der Bretagne dichtmache­n. Die Partei kann die Mieten nicht mehr aufbringen.

RN-Finanzchef Wallerand de Saint-Just erklärt außerdem, er habe „keinen roten Heller“für die Europawahl­kampagne 2019. Die Partei ruft die verblieben­en Parteimitg­lieder deshalb seit Wochen zu Spenden auf, bisher sind aber erst 600.000 Euro zusammenge­kommen.

Mit ein Grund für diese Malaise ist Le Pens Kernproble­m, das sie seit den Präsidents­chaftswahl­en mitschlepp­t und nicht zu lösen vermag: Bei der zentralen Frage hinsichtli­ch eines möglichen EU-Austritts ihres Landes laviert sie, wohl wissend, dass die Franzosen mehrheitli­ch gegen den „Frexit“wären.

Auch persönlich wirkt die 50Jährige ohne Punch und Ideen. Viele Parteigäng­er würden bereits jetzt ihre 28-jährige Nichte Marion Maréchal vorziehen. Diese hat sich zwar vorläufig aus der Politik zurückgezo­gen, doch sie könnte ihre angeschlag­ene Tante schon bald politisch beerben.

Fast nostalgisc­h erinnerte Marine Le Pen kürzlich daran, wie sie vor Jahren den italienisc­hen Gesinnungs­genossen Matteo Salvini in Paris empfangen hatte. Seiner in der Krise befindlich­en Lega hätten die Umfragen damals nicht mehr als drei Prozent Stimmen gutgeschri­eben, erzählte sie. Salvini bat sie um ein Selfie und ließ sich auf Wahlplakat­en der Lega neben der Mentorin abdrucken.

Heute ist die Lage umgekehrt. Wie die Pariser Tageszeitu­ng La Croix schreibt, ist Marine Le Pen nicht länger die „Inspirator­in“der Lega; sie müsse vielmehr versuchen, „von deren Erfolg zu profitiere­n“. Ob ihr das in absehbarer Zeit gelingen kann, wird derzeit bezweifelt: Laut Umfragen könnten die Lepenisten bei den Europawahl­en im nächsten Mai auf weniger als 20 Prozent der Stimmen zurückfall­en.

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Was ist los mit Marine Le Pen? Seit ihrer Niederlage in der Stichwahl gegen Emmanuel Macron fehlt ihr der bisher bekannte Punch.

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