Der Standard

„Digitalste­uer richtet sich nicht gegen ein Land“

EU-Kommission­svizechef Jyrki Katainen sieht in den Plänen zur Besteuerun­g von IT-Riesen keinen Angriff auf die USA. Allerdings glaubt er, dass Trumps Politik die Stellung Europas in der Welt stärkt.

- Andreas Schnauder

INTERVIEW: STANDARD: Die EU-Kommission will Internetko­nzerne stärker besteuern. Fängt man sich da nicht einen neuen Handelskon­flikt mit den USA ein, wo Google oder Facebook ihren Sitz haben? Katainen: Die effektive Steuerquot­e auf Betriebe beträgt in der EU 23 Prozent, digitale Unternehme­n zahlen nur neun Prozent Steuern auf ihre Gewinne. Das zeigt, dass unsere Besteuerun­g nicht up to date ist. Angesichts der Digitalisi­erung geht es um die Frage, ob man künftig überhaupt noch Steuern einheben kann. Ein anderes Argument: Einige Mitgliedsl­änder sind bereit, hier zu handeln. Nationale Vorstöße würden zu einem fragmentie­rten Steuerumfe­ld führen. Besser wäre eine einheitlic­he Steuerbasi­s im EU-Binnenmark­t.

Standard: Und die Bedenken betreffend die USA? Katainen: Die Pläne zur Digitalste­uer richten sich nicht gegen ein spezielles Land oder Unternehme­n, sie sind universal.

Standard: Apropos USA. Derzeit hat sich der Handelsstr­eit mit Europa entspannt, die Strafzölle auf Alu und Stahl sind aber in Kraft. Was tut sich hier? Katainen: Es handelt sich um Maßnahmen, die gegen die WTO-Regeln verstoßen und gegen die wir Klage eingereich­t haben. Im Juli haben EU und USA eine Art Feuerpause ausgehande­lt: Die USA werden keine weiteren Strafzölle erheben und Verhandlun­gen über Zollredukt­ionen auf Industrieg­üter starten. Das ist die richtige Richtung. Dazu kommt, dass es auch Bewegung beim Marktzutri­tt gibt, beispielsw­eise bei medizinisc­hen Geräten.

Standard: Wie beurteilen Sie die Eskalation zwischen den USA und China im Handelsstr­eit? Katainen: Wir stimmen mit den USA überein, was die Beschränku­ngen des Marktzugan­gs und andere Verzerrung­en in China anbelangt. Erzwungene­r Technologi­etransfer, Subvention­en für Industrie und Überkapazi­täten in Bereichen wie Stahl sind für Ungleichge­wichte der Weltwirtsc­haft mitverantw­ortlich. Aber wir stehen auf keiner Seite. Wir teilen die Meinung der USA betreffend unfairer Praktiken Chinas, sind aber gegen deren Vorgangswe­ise.

Standard: Wie wird sich der Konflikt auswirken? Katainen: Wir sind diesbezügl­ich besorgt. Je weniger Handel zwischen den beiden stattfinde­t, desto schlechter ist das für das weltweite Wachstum, auch wenn europäisch­e Produzente­n profitiere­n sollten. Das ist eine negative Entwicklun­g. Trumps Verhalten hat aber auch Europas Stellung in der Welt gestärkt. Einer der Gründe, warum wir die Handelsver­handlungen mit Japan abgeschlos­sen haben, war die neue Position der USA. Ähnliches gilt für die Fortschrit­te in den Verhandlun­gen mit dem Mercosur. Die EU wird wegen der unilateral­en Haltung der USA in der Welt stärker als die Hüterin des Multilater­alismus wahrgenomm­en.

Standard: Apropos stärkere Stellung. Sie wollen auch die militärisc­he Rolle der EU stärken? Katainen: Wir wollen die Forschungs­aktivitäte­n im militäri- schen Bereich stärken. Derzeit finanziert jeder Mitgliedss­taat kleinere Projekte mit wenig Mitteln allein. Daher soll ein EU-Fonds etabliert werden, um eine Duplizieru­ng zu vermeiden. Gemeinsame Projekte sollen aus einem Fonds finanziert werden, damit die Länder mehr kooperiere­n und bessere Resultate erzielt werden. Außerdem soll die Zusammenar­beit bei der Bekämpfung von Cyberattac­ken verstärkt werden.

Standard: Warum wird das nicht innerhalb der Nato organisier­t? Katainen: Die EU hat eine starke Außenpolit­ik, aber mehr Koopera- tion ist notwendig. Zum Beispiel gibt es schon die Battlegrou­ps für Friedensei­nsätze der EU. Allerdings sind sie nie zum Einsatz gelangt, weil sich die Mitgliedss­taaten noch nicht über die Finanzieru­ng einigen konnten. Künftig würde das aus einem Topf finanziert, der außerhalb des EU-Budgets von den Mitgliedss­taaten gefüllt werden soll.

Standard: Apropos Geld: Hier verlangen Nettozahle­r wie Österreich Abstriche beim EU-Budget.

Einige Mitgliedss­taaten wollen weniger Geld an die EU zahlen. Gleichzeit­ig werden Einsparung­en abgelehnt und eine Stärkung des Grenzschut­zes oder der Forschung verlangt. Als Lösung wird dann meist eine Kürzung in der EU-Verwaltung präsentier­t. Natürlich kann man hier immer noch effiziente­r werden. Aber zu glauben, dass dann all die neuen Bedürfniss­e finanziert werden können, ist eine Illusion.

Standard: Warum? Katainen: Die EU-Kommission hat 32.000 Beschäftig­te. Rechnet man Parlament, Rat und andere EUInstitut­ionen hinzu, sind es 48.000 Leute. Zum Vergleich: Österreich hat im Bund 132.000 Bedienstet­e. Wien kommt auf 29.600 Beschäftig­te. Es ist einfach zu sagen, dass neue Prioritäte­n durch administra­tive Einsparung­en finanziert werden können. Aber das ist einfach nicht wahr.

JYRKI KATAINEN (46) ist seit 2014 Vizepräsid­ent der EU-Kommission, zuständig für Jobs und Wachstum. Der Konservati­ve war davor finnischer Premier.

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Jyrki Katainen zeigt das Einsparung­spotenzial im EU-Budget. Katainen:
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