Der Standard

Menschenne­tz des Friedens und eine „beunruhige­nde Regierung“

Das Brucknerfe­st startete mit der Gruppe La Fura dels Baus und Daniel Kehlmanns Kritik an Kanzler Sebastian Kurz

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– Nun läuft das Brucknerfe­st, erwartet Künstler wie Jonas Kaufmann oder Valery Gergiev. Bei der Eröffnung durch Festredner Daniel Kehlmann wurde es jedoch erst einmal politisch: Kehlmann erinnerte daran, dass einst Flüchtling­sströme auch von Österreich aus in die Welt gezogen waren.

Wenn man daran denke, „beurteilt man vielleicht auch einen jungen Kanzler anders, dessen größter Stolz darin liegt, dass er im Bündnis mit dem Möchtegern­diktator Ungarns imstande war, verzweifel­te Menschen ohne Heimat, Pässe und Rechte, die mit Mühe das nackte Leben retten konnten, von unserem reichen Europa fernzuhalt­en“. Es tue ihm leid, so Kehlmann zu seiner Kritik an Se- bastian Kurz, dass „auch ich, wie all die anderen dieser Tage Reden haltenden Schriftste­ller, darauf zurückkomm­en muss“.

Womöglich bräche ja bald wieder eine Zeit an, „in der man in Österreich über Musik, über Kunst, über schöne Dinge sprechen kann, ohne von den Fliehenden und von unserer beunruhige­nden Regierung zu reden. Ich hoffe inständig, diese Zeit kommt. Aber sie ist noch nicht hier“, so Kehlmann, der, falls er die Klangwolke miterlebt hat, die Truppe La Fura dels Baus bei der Arbeit sah.

Von üppiger Dimension ist alles bei ihrem Projekt Pax: Es wirkt, als wären Spielzeuge eines Kinderzimm­ers wach geworden, um sich in Denkmalgrö­ße der Donauge- gend beim Brucknerha­us zu bemächtige­n. Das Konzept: Das artistisch­e Ideenkolle­ktiv La Fura dels Baus will anhand der Menschheit­sgeschicht­e „Neuerung“und „Innovation“als eigentlich­e Weltkräfte darstellen.

Eine solche Geschichte unter freiem Himmel zu erzählen ist natürlich schwer. Es gelang jedoch immerhin, die Donaugegen­d optisch zu bändigen: Ein Schiff mit einem Panzer, der zum Roboter mutiert, wirkt raumfüllen­d. Und aus dem „Robokopf“entschwebt später eine Drohne in Richtung der Erdkugel. Die freundlich­e Linzer Wetterlage ließ auch die Drahtvögel, die am Donauufer entlangflo­gen, trocken bleiben sowie jenes Riesenmänn­chen, das unweit einer Kugel herumirrte, auf der Artisten herumkrabb­elten.

Nach alledem bildeten Schwindelf­reie eine Art Friedensne­tz. Gewürzt mit Lichteffek­ten, Pyrotechni­k und Videos. Die Musik allerdings hätte pausenlos erklingen sollen. Der 4. Satz aus Bruckners Achter, Strauss’ Zarathustr­a oder Urlicht aus Mahlers Zweiter: Sie hätten die Pausen zwischen den Klangwolke- Episoden leicht mit Leben erfüllen können.

So wirkte Pax durch Unterbrech­ungen, als hätte Kanzler Kurz (aus Ärger über Kehlmanns Rede) der Klangwolke bisweilen den Strom abgedreht. Was natürlich nicht der Fall sein konnte, ging die Klangwolke doch der KehlmannRe­de voraus. (toš)

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Foto: Brucknerha­us Roboter, Panzer und schwebende Gestalten bei der „Klangwolke“. Linz

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