Der Standard

Three Quarterlif­e Crisis

„ ALMOST THERE“UM 0.40 AUF ARTE

- Philip Pramer

Jedem Lebensabsc­hnitt seine Existenzkr­ise: die Quarterlif­eCrisis nach dem Erwachsenw­erden, die bekannte MidlifeCri­sis Mitte 40, und im Lebensherb­st fallen manche noch mal in ein tiefes Loch.

Der Dokumentar­film Almost there (Montag, 0.40 auf Arte) von Jacqueline Zünd porträtier­t drei Männer, die sich in so einem Loch befinden. „Es gibt eigentlich nichts, worauf ich besonders stolz sein könnte“, zieht etwa der 78-jährige Japaner Genji Yamada nach 38 Arbeitsjah­ren Bilanz. Er will kein „Nure ochiba“sein – japanisch für nasses Laub, das an den Füßen klebt wie ältere Männer an ihren Frauen. Er findet eine Seniorengr­uppe, die Kindern Bücher vorliest – und gewinnt sein Lächeln zurück.

Auch der US-Amerikaner Bob Pearson wollte noch etwas erleben. Der Rat seiner Freundin: „Lass uns ein Wohnmobil kaufen!“Die Freundin ist weg, den Camper kaufte er trotzdem. Jetzt isst er allein auf einem verlassene­n Walmart-Parkplatz zu Abend und fragt sich, ob er die Türe seines Wohnmobils versperren soll. Schließlic­h könnte das die Rettungskr­äfte behindern – im Falle des Falles.

Den Briten Steve Phillips verschlägt es nach Spanien. In Benidorm tritt er in britischen Bars als Dragqueen und Standup-Comedian auf. Der Humor ist eine Schutzreak­tion, sagt er.

Kameramann Nikolai von Graevenitz lässt die Einstellun­gen oft so lange stehen, als hätte er so unendlich viel Zeit wie die Alten, die er porträtier­t. Kein Off-Sprecher stört, nur sphärische Klänge untermalen die Stimmen der Männer. Dass die Bilder teilweise inszeniert sind und manche Texte eigentlich von der Autorin Sibylle Berg kommen, mindert den dokumentar­ischen Wert dabei ganz und gar nicht.

derStandar­d.at/TV-Tagebuch

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