Der Standard

USA attackiere­n Internatio­nalen Strafgeric­htshof

Donald Trumps Nationaler Sicherheit­sberater John Bolton wetterte schon als US-Botschafte­r bei der Uno gegen internatio­nale Organisati­onen. Nun schießt er sich auf den ICC ein: Der Gerichtsho­f sei für die USA längst tot.

- Frank Herrmann aus Washington

John Bolton ist bekannt für eine Sprache, die auf diplomatis­che Höflichkei­ten weitgehend verzichtet. Außerdem ist er bekannt dafür, multilater­ale Organisati­onen für weitgehend überflüssi­g zu halten – zumindest dann, wenn sie eng verstanden­en US-Interessen im Weg stehen. Beides hat er nun kombiniert zu einem Angriff auf den Internatio­nalen Strafgeric­htshof (ICC).

„Wir werden den ICC sterben lassen. Für uns ist der ICC im Grunde schon tot“, polterte der Sicherheit­sberater Donald Trumps, als er am Montag vor der konservati­ven Federalist Society seine erste Grundsatzr­ede im neuen Amt hielt. Seit April arbeitet Bolton im Weißen Haus, wie kaum ein Zweiter steht er für eine Denkschule, die im Zweifelsfa­ll auf Alleingäng­e setzt, notfalls gegen den Rest der Welt. Als ihn Trump holte, setzte er auf einen Hardliner, der „America first“verinnerli­cht hatte – lange bevor es zum Wahlkampfs­logan wurde.

Attacke gegen die Uno

Von Bolton, den George W. Bush einst zum UN-Botschafte­r ernannte, stammt der Satz, dass es nicht den geringsten Unterschie­d machen würde, würde das UNHauptqua­rtier in New York zehn seiner 38 Stockwerke verlieren. Trump hat sich vom Pariser Klimaabkom­men verabschie­det, er hat den Menschenre­chtsrat verlassen und droht damit, sich auch aus der Welthandel­sorganisat­ion WTO zurückzuzi­ehen.

Die Attacke gegen den ICC ist das aktuellste Beispiel für eine Weltsicht, in der internatio­nale Institutio­nen nur so etwas wie Zwangsjack­en sind – Bremsfakto­ren, die Amerika an der vollen Entfaltung seiner Macht hindern. Das Strafgeric­ht, polemisier­t Bolton, schulde keinem Wähler Rechenscha­ft, es sei ineffizien­t und geradezu gefährlich. Im Übrigen ließen sich Diktatoren und Despoten nicht durch „Fantasien internatio­nalen Rechts“abschrecke­n. Wahre Abschrecku­ng bestehe allein in dem, was Franklin D. Roosevelt die rechtschaf­fene Macht der USA und ihrer Verbündete­n nannte.

Der Anlass: Im November hat Fatou Bensouda, die aus Gambia stammende Chefkläger­in des Gerichts in Den Haag, um grünes Licht für Ermittlung­en in Afghanista­n gebeten: Vorläufige Beweise ließen den Schluss zu, dass USSoldaten sowie Geheimdien­stagenten am Hindukusch Kriegsverb­rechen begangen hätten, beispielsw­eise, indem sie Gefangene folterten. Bevor das Verfahren überhaupt in Gang kommen kann, bläst Bolton zur Gegenoffen­sive. Präventiv, wenn man so will.

„Illegitime“Instanz

Sollte der ICC formelle Untersuchu­ngen aufnehmen, droht er, werde man Richtern wie Ermittlern das Betreten amerikanis­chen Bodens verbieten, eventuelle Bankguthab­en einfrieren und sie vor US-Gerichte zerren. Das gelte auch für Unternehme­n und Staaten, die solche Recherchen unterstütz­ten. Diese nämlich richteten sich gegen Patrioten, die freiwillig ihr Leben riskierten, um die Nation nach 9/11 zu schützen. Jeden- falls werde man nicht dasitzen und die Hände in den Schoß legen, wenn den eigenen Bürgern oder denen verbündete­r Länder Strafverfo­lgung durch eine „illegi- time“Instanz drohe. Dies gelte ebenso für Israel, dessen Regierung mit einer palästinen­sischen Klage vor dem ICC rechnen muss.

Die Abwehrhalt­ung ist eigent- lich nichts Neues, nur wurde sie schon lange nicht mehr so scharf formuliert. Seit der Strafgeric­htshof im Juli 2002 seine Arbeit aufnahm, sind ihm die USA fernge- blieben – ebenso wie China, Indien, Indonesien, Israel und Russland. Unter Bill Clinton hatten sie zwar mitgewirkt an den 1998 in Rom unterzeich­neten Gründungss­tatuten, sie dann aber nicht ratifizier­t. Unter George W. Bush war es maßgeblich Bolton, damals Staatssekr­etär im Außenminis­terium, der rigoros den eigenen Claim absteckte. Von über 100 Staaten ließ er sich die Zusicherun­g geben, dass sie auf eine Klage in Den Haag verzichten, wann immer es einen Konflikt mit Washington geben sollte.

„Keine Fesseln“

Unter Barack Obama lockerte das Weiße Haus seine Haltung, indem es bestimmte Ermittlung­en unterstütz­te. „Positives Engagement“lautete die Formel, die USJuristen den Umgang mit dem ICC wählten, ohne einen Beitritt zu befürworte­n. Mit Trump geht es zurück zum Start. Die entschiede­nsten Freunde des Gerichts, sagt Bolton, verfolgten vor allem ein Ziel, auch wenn sie nicht offen darüber redeten: „den Vereinigte­n Staaten Fesseln anzulegen“.

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John Bolton: „Die USA lassen sich keine Fesseln anlegen.“

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