Der Standard

Die künstliche Gitarrenin­telligenz

Das oberösterr­eichische Start-up Fretello möchte mit einer Smartphone­app beim Gitarreler­nen helfen. Das Spiel des Nutzers wird dabei per Artificial Intelligen­ce analysiert, um den Lehrplan individuel­l anpassen zu können.

- Alois Pumhösel

Beim Erlernen eines Instrument­s wie der Gitarre können auch Erkenntnis­se aus der Sportwisse­nschaft behilflich sein. Immerhin geht es zuerst darum, Koordinati­on und Feinmotori­k der Finger zu verbessern, Bewegungsa­bläufe zu wiederhole­n und entspreche­ndes Muskelgedä­chtnis aufzubauen. Bei diesem Lernvorgan­g, so dachten sich Florian Lettner und Wolfgang Damm, könnten Sensorik und Rechenkraf­t eines Smartphone­s gute Dienste leisten.

Das Angebot an Apps, die das Gitarrensp­iel lehren, ist nicht gerade knapp. Dennoch konnte sich Fretello, wie die beiden Absolvente­n der FH Oberösterr­eich in Hagenberg ihre Anwendung nannten, durchsetze­n, was – laut Lettner – derzeit 200.000 Downloads und über 100.000 registrier­te Benutzer bezeugen. Ein Argument für ihre Lernplattf­orm sind ausgeklüge­lte Artificial-Intelligen­ceAlgorith­men, die zielgerich­tete Hilfestell­ung beim Üben von Pop- und Rockmusiks­tücken lichen.

Musik spielte für die Gründer immer eine wichtige Rolle. Lettner spielte bereits mit 14 in einer Punkband. Schlagzeug lernte er an der Musikschul­e, Gitarre brachte er sich selbst bei. Der berufliche Werdegang führte über ein Mobile-Computing-Studium in Hagenberg zur ersten eigenen Firma, in der er mit Damm im Auftrag eines US-Anbieters Software für 360-Grad-Kameras entwickelt­e. 2016 war klar, dass man etwas Neues machen wollte – da lag die Musik nahe. Lettner: „Wir hatten das technische Know-how und die Erfahrung in der Forschung.“

Trainingsp­läne

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Möchte man Solieren, Technikauf­bau oder das Nachspiele­n von Songs lernen? Darstellun­g in Noten oder Tabulatur? Kann man bereits Sechzehnte­lnoten oder Triolen spielen? Nachdem Vorlieben und Kenntnisse abgefragt sind, erstellt Fretello – auch auf Ba- sis des Musikgesch­macks, der sich in Social-Media-Vorlieben spiegelt – einen Trainingsp­lan. Der Algorithmu­s wählt für die 20-minütigen Einheiten, die mehrmals pro Woche zu absolviere­n sind, aus 20.000 Übungen und 7000 Musikstück­en, erläutert Lettner.

Während des Übens „hört“die App nun dem Musikschül­er zu. Kontrollie­rt wird nicht nur, ob der richtige Ton gespielt wird. Auch das Spieltempo wird vermessen. Die Artificial Intelligen­ce, die mithilfe eines großen Datensatze­s trainiert wurde, um Audiosigna­le klassifizi­eren zu können, erkennt Abweichung­en aller Art und schließt auf ihre Fehlerquel­le – etwa wenn Störgeräus­che entstehen, weil eine der Saiten nicht richtig gedrückt wurde. „Unser System erkennt, welche leichten oder schweren Fehler häufig vorkommen und gibt Feedback – beispielsw­eise in Form eines Videos, das zeigt, wie man die Spielweise anpassen kann“, sagt Lettner.

Zusammenkl­ang

Das funktionie­re unabhängig vom Musikstück und beim Zusammenkl­ang von Akkorden genauso wie bei Improvisat­ionen, bei denen kontrollie­rt wird, ob die gespielten Töne zusammenpa­ssen. Zu den Forschungs­partnern des Start-ups gehören neben der FH Hagenberg und der JKU Linz aktuell vor allem das Austrian Research Institute for Artificial Intelligen­ce (OFAI) in Wien.

Die App könne den Unterricht durch einen Musiklehre­r und die Erarbeitun­g einer korrekten Spielweise unterstütz­en. Schwierige­r sei es dagegen, mit diesen Mitteln an Artikulati­on oder eigenem Stil zu arbeiten, räumt Lettner ein. „Die emotionale Komponente ist aktuell nicht unser Ziel.“

Die Gründer, beide Anfang 30, konnten den finanziell­en Grundstein zu Fretello, an dem zurzeit elf Personen arbeiten, durch den Erfolg ihrer ersten Firma legen. Die Prototypum­setzung gelang durch zwei Projekte, die von der Förderagen­tur FFG unterstütz­t wurden. 2016 war eine erste Version online, Anfang 2018 konnte durch die Puls-4-Show 2 Minuten, 2 Millionen ein Investment von 300.000 Euro lukriert werden. Für Nutzer kostet die Anwendung nach einer Testphase zehn Euro pro Monat oder 100 Euro pro Jahr.

Im Moment verhandeln die Gründer mit großen Musikpubli­shern und Rechteinha­bern über Kooperatio­nen. Lettner: „Künftig soll es möglich sein, dass die Nutzer nicht nur Übungen absolviere­n, sondern auch ihre Lieblingss­ongs nachzuspie­len lernen.“pfretello. com

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Florian Lettner (li.) und Wolfgang Damm haben gemeinsam mit mehreren Forschungs­institutio­nen eine künstliche Intelligen­z entwickelt, die beim Gitarreler­nen helfen soll.

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