Der Standard

WKO will Fachkräfte anlocken und fordert die Teilkranks­chreibung

Wirtschaft­skammer spricht von nötiger Zuwanderun­g aus Drittstaat­en und ortet 162.000 fehlende Fachkräfte

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Wien – Ein Dreher verarbeite­t selbst oder mithilfe von Maschinen Metall, Stahl und andere Rohstoffe in der Industrie. Wer den Beruf beherrscht, hat derzeit hervorrage­nde Karten am Arbeitsmar­kt. Denn Dreher sind in Österreich extrem gefragt. Auf 826 beim AMS gemeldete offene Stellen kommen aktuell nur 292 arbeitslos gemeldete Dreher. Die Liste des AMS mit den Mangelberu­fen ist über die vergangene­n Monate länger und länger geworden. Gut 90 Berufe umfasst sie inzwischen, auch Landmaschi­nenbauer, Fräser, Rohrinstal­lateure, Zimmerer und Maurer werden intensiv gesucht, und selbst wer im Weinkeller arbeiten will, hat derzeit beste Chancen. Es gibt mehr offene Stellen als gemeldete Arbeitslos­e.

Trotz der langen Mangellist­e gibt es in Österreich keine Einig- keit darüber, wie ernstzuneh­mend das Problem fehlender Fachkräfte wirklich ist. Während die Industrie Alarm schlägt, sind die Gewerkscha­ften viel entspannte­r, die eine Panikmache der Betriebe orten und dahinter oft nur die Strategie vermuten, billige Arbeitskrä­fte ins Land zu holen.

Die Wirtschaft­skammer (WKO) hat am Dienstag die Debatte neu belebt. Das Institut für Bildungsfo­rschung der Wirtschaft (IBW) hat im Auftrag der WKO eine Erhebung unter österreich­ischen Unternehme­n durchgefüh­rt und dabei versucht festzustel­len, wie viele Fachkräfte den Betrieben wirklich fehlen. Etwas mehr als 4400 der angeschrie­benen 80.000 Betriebe haben auf die Anfrage via E-Mail reagiert und Informatio­nen gegeben. Auf Basis dieser Zahlen wurden die Werte hochgerech­net.

Laut IBW fehlen in Österreich aktuell 162.000 Fachkräfte. Der Fachkräfte­mangel betrifft alle Sparten, ist aber besonders in Tourismus, Gewerbe und Handwerk ausgeprägt. Bisherige Untersuchu­ngen hatten den Mangel deutlich niedriger angesetzt. Die größ- ten Rekrutieru­ngsschwier­igkeiten gibt es bei Köchen, IT-Fachkräfte­n, Tischlern, Elektrotec­hnikern und Kraftfahre­rn. Als Fachkräfte wurden in der Umfrage sämtliche Arbeitnehm­er qualifizie­rt, die nicht nur Hilfstätig­keiten verrichten.

Für WKO-Präsident Harald Mahrer ist der Fachkräfte­mangel aktuell das größte Problem für die österreich­ische Wirtschaft. Die WKO forderte am Dienstag von der Regierung ein Maßnahmenp­aket – dessen Inhalt aber selbst neue Diskussion­en auslösen dürfte.

Neue Optionen für den Arzt

Unter anderem wurde die Forderung nach qualifizie­rtem Zuzug erneuert, so will die WKO wie berichtet Lehrlinge aus Drittstaat­en anwerben dürfen. Die WKO pocht auch auf eine Änderung bei der Rot-Weiß-Rot-Karte, mit der qualifizie­rte Arbeitnehm­er, etwa in Mangelberu­fen, schon jetzt nach Österreich kommen können.

Laut Mahrer sind die Hürden bei der Antragstel­lung zu hoch. Die Verfahren sollten nicht mehr als acht Wochen dauern, im Schnitt warten Antragstel­ler aber laut Mahrer acht Monate auf eine Rot-Weiß-Rot-Karte. Die WKO fordert aber auch eine Reihe weiterer Reformen, um das Arbeitskrä­ftepotenzi­al auszuweite­n.

Auf der Liste der an die Journalist­en ausgeteilt­en Forderunge­n stand am Dienstag etwa auch der Wunsch nach Einfügung einer Teilkranks­chreibung. Aktuell gilt, dass ein Arzt einen Patienten nur krankschre­iben kann oder nicht. Die WKO würde gerne eine dritte Kategorie einführen: Arbeitnehm­er, die teilkrank sind, müssten dann sehr wohl im Betrieb erscheinen, könnten aber nicht alle Arbeiten verrichten.

Beispiel der WKO: Ein Arbeitnehm­er, der sich am Wochenende beim Fußball ein Bein prellt, könnte am Montag dennoch Bürotätigk­eiten verrichten. Mahrer betonte aber, dass die Teilkranks­chreibung nur ein kleiner Teil der Bemühungen der WKO sei. Wichtiger sei neben dem Fachkräfte­zuzug eine Stärkung der Lehre. So soll die Lehre als Option für Maturanten und Studienabb­recher forciert werden. (szi)

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