Der Standard

Gute Geschäfte mit Nostalgie

Versandhau­s Manufactum eröffnet in Wien

- Verena Kainrath

Wien – Bain-Marie ist ein Fels in der Brandung. Seit drei Jahrzehnte­n trotzt der Kupfertopf einer alten normannisc­hen Schmiede jedem Küchentren­d. Das kostspieli­ge Stück ist dabei in guter Gesellscha­ft: Ein Telefon mit Wählscheib­e und Kabeln aus Baumwoll-Eisengarn reiht sich neben Schrankbes­en aus Rosshaar. Wiener Kalk widersteht ein paar Regale weiter ebenso dem Zahn der Zeit wie die Kaffeemühl­e Zassenhaus. Unverrückb­ar hält die Waage Wunder, seit gut 60 Jahren ein italienisc­her Klassiker, die Stellung.

Manufactum bietet der Nostalgie eine breite Bühne – und lässt Kunden vom Blick auf den Preis absehen. Ein Gartenschl­auch ist ihnen nicht selten hunderte Euro wert. Für Staubwedel kann man 21 Euro ablegen, mit Straußenfe­der wohlgemerk­t, ebenso viel wie für ein Lineal aus Birnbaumho­lz. Zeremoniel­les Bleistifts­pitzen ist maschinell ab 150 Euro zu haben.

Großgeword­en im Versandhan­del, übt sich Manufactum in einer kleinen Nische zunehmend in eigenen Warenhäuse­rn. Diese Woche eröffnet die in Summe zehnte Filiale am Wiener Hof, im ehemaligen Gebäude der Österreich­ischen Kontrollba­nk. Im November startet ein neues Warenhaus in Hannover. Von wegen Abgesang auf den stationäre­n Einzelhand­el und Schattenda­sein des traditio- nellen Katalogges­chäfts: „Manufactum zeigt, dass es auch anders geht“, sagt Geschäftsf­ührer Max Heimann. In die Bilanz lässt sich der Betrieb, der seit 2008 dem deutschen Versandhau­sriesen Otto gehört, nicht blicken. Von rund 100 Millionen Euro Umsatz ist in der Branche die Rede und von kräftigen Renditen. Für die eine Hälfte sorge der Versandhan­del, rechnet Heimann vor, die andere erziele man im stationäre­n Geschäft.

Rund um den Gründer des heimelig anmutenden Versenders, Thomas Hoof, ist es bei Otto leise geworden. Dieser wechselte ins Verlagsges­chäft und fiel dort deutschen Medien zufolge mit einem Faible für Bücher auf, die Ausländer, Homosexuel­le und selbstbewu­sste Frauen im Visier haben.

Richtiges Schuhputze­n

Manufactum nutzt als Lieferante­n kleine Familienbe­triebe, unter den österreich­ischen sind etwa Riess, Vieböck, Gottstein und Wiener Seife. Grenzen im Sortiment sieht Heimann, der in seinen Standorten auch Brot backen lässt und Konsumente­n mit Lieferante­n an einen Tisch bringen will, keine, wiewohl Manufactum „mehr aussiebe als beliebig erweitere“. 15 Jahre ist es her, dass der Betrieb auch ein Auto feilbot. Der Kunde kann sich im neuen Warenhaus künftig weiterbild­en: Kurse lehren etwa richtiges Schuhputze­n, Messerschl­eifen und Rasieren.

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