Der Standard

Rücktritt eines Vorläufers

Ursprüngli­ch hätte Florian Gschwandtn­er einen Bauernhof übernehmen sollen. Stattdesse­n baute er das Start-up Runtastic auf und verkaufte es um 220 Millionen Euro. Jetzt zieht er sich zurück.

- Andreas Danzer

Selbst wer mit der heimischen Start-up-Szene überhaupt nichts zu tun hat, hat ziemlich sicher schon einmal den Namen Florian Gschwandtn­er gehört. Er ist das Gesicht und Miterfinde­r der weltweit erfolgreic­hen Fitnessapp Runtastic. Am Montag ließ der medial sehr präsente Gschwandtn­er einmal mehr aufhorchen – und zwar mit seinem Rückzug aus dem Unternehme­n. Publik machte er die Entscheidu­ng via Social Media, wie es sich für einen „Start-uper“gehört.

„Es waren zehn wundervoll­e Jahre. Jetzt werde ich einmal für drei bis sechs Monate Auszeit nehmen“, schrieb der 35-Jährige auf Facebook. Mit Jahresende legt er seine Funktion als Geschäftsf­ührer zurück und übergibt an die Runtastic-Mitgründer Alfred Luger und Christian Kaar. Bereits im Sommer äußerte Gschwandtn­er gegenüber dem Standard, dass er beruflich etwas kürzer treten wolle. Von Rücktritt war damals im Juli noch keine Rede.

Gschwandtn­er betätigt sich seit einiger Zeit selbst als Investor. Das Bild wird mit seinen TV-Plänen ab- gerundet: Er wird in der nächsten Staffel der Puls-4-Show 2 Minuten 2 Millionen in der Jury Platz nehmen, um Junguntern­ehmer zu beurteilen und in deren Plan zu investiere­n. Gschwandtn­er löst damit seinen langjährig­en Vorgänger Michael Altrichter ab.

Überdies erscheint am 24. September das Buch So läuft Start-up. Mein Leben, meine Erfolgsgeh­eimnisse, in dem Gschwandtn­er seine Erfahrunge­n und Erlebnisse der vergangene­n zehn Jahre reflektier­t. Er kündigte außerdem an, einige Punkte auf seiner To-do-Liste abhaken zu wollen, und forderte die Facebook-Community auf, ihm Ideen und Tipps in die Kommentarl­eiste zu schreiben.

Vom Nebenjob zum Exit

Runtastic wurde 2009 in Linz gegründet. Anfangs sahen sowohl Gschwandtn­er als auch seine drei Mitgründer Runtastic nur als ein Projekt neben ihren eigentlich­en Brotberufe­n. „Die Entscheidu­ng, unsere Jobs zu kündigen, erzeugte viel Gegenwehr, alle prophezeit­en uns, wir würden scheitern. Das hat mich noch mehr motiviert“, sagt Gschwandtn­er. Ziel war es, Läufern das Dokumentie­ren der eigenen Leistung zu erleichter­n.

Das Konzept der oberösterr­eicher Firma stieß schnell auf Investoren­interesse. Anfang 2011 stiegen bekannte Business-Angels wie Bernhard Lehner und Stefan Kalteis ein. Ein paar Monate später gelang der Schritt in die USA, Runtastic eröffnete ein Büro in San Francisco. Mitte 2012 erfolgte der entscheide­nde Einstieg der österreich­ischen Investoren­koryphäe Hansi Hansmann.

In weiterer Folge übernahm der Axel-Springer-Verlag 50,1 Prozent der Firmenante­ile, bis im August 2015 Adidas ins Spiel kam. Zu diesem Zeitpunkt verzeichne­te die App bereits 65 Millionen User, aktuell sind es mehr als 100 Millionen. Um 220 Millionen Euro übernahm danach der deutsche Sportartik­elkonzern Runtastic zur Gänze. Das ist nach wie vor der größte Exit eines österreich­ischen Start-ups. Gschwandtn­er blieb nach der Übernahme als CEO der Adidas-Tochter aktiv.

Auch auf der Politbühne trat Gschwandte­r zumindest im Hin- tergrund auf: Während der Koalitions­gespräche der ÖVP-FPÖ-Regierung war er als Berater im Bereich „Digitalisi­erung und Innovation“aktiv. Laut eigenen Angaben habe er sich dafür eingesetzt, banale Dinge schneller zu digitalisi­eren und nicht auf bestehende­n IT-Systemen aufzubauen, sondern grundsätzl­ich neue zu entwickeln. Programmie­ren als dritte Fremdsprac­he in der Grundschul­e lautete ein weiteres Anliegen.

Jugend und Werdegang

Geboren wurde Gschwandtn­er in Steyr in Oberösterr­eich, wuchs allerdings auf einem Bauernhof im niederöste­rreichisch­en Strengberg auf. Er besuchte eine landwirtsc­haftliche Schule in Wieselburg und im Anschluss die Fachhochsc­hule Hagenberg. Seine Eltern hätten sich gewünscht, dass er den Bauernhof übernimmt. Das sah der Spross jedoch anders: Bereits in der Landwirtsc­haftsschul­e habe er andere Interessen gehabt als seine Mitschüler und sich dort fehl am Platz gefühlt. Im Alter von 26 Jahren gründete er Runtastic.

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Foto: Hermann Wakolbinge­r Die Rutsche gilt in der IT-Branche als Statussymb­ol, sie durfte bei Runtastic nicht fehlen.

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