Der Standard

Kulturelle Vielfalt – Europas letzte Chance

Es geht um freies Internet und darum, die Internetgi­ganten in die Pflicht zu nehmen

- GERHARD RUISS ist Autor und Musiker in Wien. Gerhard Ruiss

Heute, am 12. September, stimmen die Abgeordnet­en des Europäisch­en Parlaments über eine neue Urheberrec­htsrichtli­nie ab und entscheide­n damit, ob kulturelle Vielfalt in Europa noch möglich sein wird oder ob man sich dem Druck einiger weniger Internetko­nzerne beugt und Kunstschaf­fende weiter ausbeutet. Seit langem verdienen sie an ihrer Arbeit kaum mehr etwas, und Regeln – die es in der Offline-Welt gibt und die sich dort bewährt haben – existieren im Netz schlichtwe­g nicht. Dabei fungiert doch das Internet als Medium der Stunde – nicht nur für User, sondern auch für Kunstschaf­fende!

Fast täglich lesen wir über Arbeitsbed­ingungen und faire Entlohnung – warum gilt das nicht auch für uns? Warum ist unsere Arbeit nichts mehr wert? Kunst schaffen ist kein Ehrenamt! Es sind nur jene, die mit unseren Werken Milliarden verdienen, einfach nicht bereit, dafür zu bezahlen, und die EU sieht weg. Warum? Weil die Googles, Facebooks und Youtubes dieser Welt offenbar mit ihren Einschücht­erungskamp­agnen erfolgreic­h sind und Fehlinform­ationen streuen, die mit der Realität überhaupt nichts mehr zu tun haben. So sprechen sie etwa von der Einschränk­ung der Meinungsfr­eiheit oder gar Zensur als Folgen der neuen Richtlinie. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Kunstschaf­fende waren noch nie für die Einschränk­ung irgendeine­s Grundrecht­s.

Wir sitzen mit den Usern in einem Boot. Wir wollen, dass auch sie sich im Internet in einem sicheren Rechtsrahm­en bewegen. Und wir möchten ihnen auch weiterhin ungehinder­ten Zugang zu unseren Werken ermögliche­n. Es ging bei der Urheberrec­htsnovelle niemals um eine Einschränk­ung der User – es geht darum, die Internetgi­ganten endlich in die Pflicht zu nehmen. Europa muss jetzt handeln – sonst werden der Vor- herrschaft von Mainstream und Populismus Tür und Tor geöffnet.

Laut einer aktuellen Studie von „Europe for Creators“glauben zwei von drei EU-BürgerInne­n, dass Tech-Konzerne mehr Macht haben als die Europäisch­e Union. Wollen Sie, liebe Abgeordnet­e, diesen Menschen recht geben? Oder wollen Sie ihnen beweisen, dass Europa gerade jetzt Stärke zeigt und unterstrei­cht, wie sehr die Menschen, die hier leben und arbeiten, im Mittelpunk­t Ihrer Politik stehen? Es liegt an Ihnen. Es ist die letzte Chance.

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